Köln ist eine große Stadt. Im Mittelalter war es mal die größte Stadt Deutschlands, Großstadt schon zu einer Zeit, als die meisten Städte im Land nach heutigen Maßstäben nur Kleinstädte waren. Was auch Folgen hat für heutige Stadtbesuche. Denn um Köln zu erkunden, empfiehlt Steffi Böttger gleich mal drei Stadtspaziergänge. Und tief in die Geschichte geht es sowieso, denn Köln ist ja eine römische Stadtgründung – oder gar eine der Ubier.

Caesar erwähnte die Ubier als – aus römischer Sicht – zivilisiertes Volk, oder mit Wikipedia zitiert „der einzige Germanenstamm, der bereits zivilisiert war“. Aus ihrem Oppidum Ubiorum entstand dann das nach Agrippina, der Gattin des Kaisers Claudius, benannte Colonia Claudia Ara Agrippinensium, das also heute locker 2.000 Jahre auf dem Buckel hat.

Und unterm Pflaster sowieso. Weshalb es sich eigentlich schon allein wegen der römischen Vorgeschichte lohnt, in die Stadt am Rhein zu fahren.

Wären da nicht auch noch haufenweise (romanische) Kirchen und der berühmte Dom, an dem die Kölner über 700 Jahre bauten, bis er so einigermaßen fertig war. Und Steffi Böttger liebt Kirchen. Sie lässt keine aus. Und das lohnt sich natürlich, wenn man erfahren und erfühlen will, wie grandios Kirchenbaukunst sein kann. Im Dom kommen dann noch die Heiligen drei Könige hinzu, die Köln im Mittelalter zum Wallfahrtsort gemacht haben.

Albertus Magnus, Käthe Kollwitz und Kölnischer Duft

Wobei der Spaziergänger natürlich auch erfährt, wie das mit der Rolle der Kölner Bischöfe als Kurfürsten im Heiligen Römischen Reich zusammenhängt. Köln war mal eine Macht. Und das brachte Geld und Handel in die Stadt. Nicht zu vergessen eine der ältesten Universitäten Deutschlands, deren Gründer kein Geringerer als Albertus Magnus war.

Sein Denkmal steht vor der Universität zu Köln. Und das Erstaunlichste an ihm ist letztlich, dass ihn Papst Pius XII. 1941 zum Schutzpatron der Naturwissenschaftler ernannte. Da hat der Papst wohl die Sache mit der Wissenschaft nicht so ganz verstanden.

Man kann natürlich Köln auch über seine grandiosen Museen erkunden. Angefangen mit den Kunstmuseen wie dem Museum Ludwig, dem Wallraf-Richartz-Museum oder dem MAKK Museum für Angewandte Kunst. Überraschung für Freunde der Grafik: das Käthe-Kollwitz-Museum. Käthe Kollwitz in Köln – man hätte sie eher in Berlin vermutet.

Wer also Kunst sehen will, kommt ganz auf seine Kosten. Und wer das Besondere sucht, der landet im Schokoladenmuseum, im Duftmuseum oder gleich im Dufthaus 4711. Und zwischendrin wird einem immer wieder auch ein Stück preußischer Geschichte präsentiert, denn nach den Napoleonischen Kriegen kam Köln samt Ruhrpott zu Preußen.

Was den katholischen Kölnern nicht wirklich gefiel, schon gar nicht der preußische Stechschritt auf ihren geliebten Marktplätzen. Und siehe da: Auf einmal erfährt man, dass der Tanz der Funkengarde eigentlich eine fröhliche Persiflage auf die preußische Marschiererei war. Und ist, wenn man es recht bedenkt. Der Kölner Karneval lebt bis heute. Die Preußen sind Geschichte, auch wenn vier ihrer bärtigen Herrscher an der Hohenzollernbrücke reiten, zwei hüben, zwei drüben, als müssten sie auf die Brücke aufpassen.

Heine, Marx und Adenauer

Heinrich Heine wird auch erwähnt, als Düsseldorfer war er ja selbst gebürtiger Rheinländer – und über den Kölner Dom (der zu seiner Zeit noch ein unvollendetes Fragment war) hat er zwei der berühmtesten Texte geschrieben. Aber gibt es auch echte Kölner, die mit dieser heutigen Millionenstadt aufs Engste verbunden sind? Gibt es.

Da und dort begegnet man ihnen unterwegs: Konrad Adenauer zum Beispiel, dem berühmtesten Oberbürgermeister von Köln, Heinrich Böll, der als Schriftsteller die alte Bonner Republik kritisch in Texte brachte, oder Robert Blum, der in Köln geboren wurde und in der Brigittenau bei Wien erschossen wurde. Da vergisst man glatt, dass er seine Politikerkarriere in Leipzig begann.

Und auch Hans Mayer begegnet man, der in Köln geboren wurde und in Leipzig zu Ruhm kam, als er seine Vorlesungen im legendären Hörsaal 40 hielt, bis er 1963 die zunehmend dogmatischer werdende DDR verließ. Also doch ein paar gute Bekannte, die man da trifft. Auch einen gewissen Dr. Karl Marx, der hier zwar nicht geboren wurde, aber 1848 mit seinem Freund Friedrich Engels in Köln die „Neue Rheinische Zeitung“ gründete.

Da war ja bekanntlich Revolution in Deutschland, die Zeitung nahm kein Blatt vor den Mund und wurde dann natürlich verboten, als die Revolution in die Binsen ging und Marx Köln verlassen musste. Der Untertitel der NRZ lautete übrigens: Organ der Demokratie.

Es gibt also nicht bloß Heilige in Köln, sondern auch ganz Unheilige. Da ist man erleichtert und freut sich, wenn einen ab Nr. 30 gleich ein kleines Rudel spannender Museen einlädt: das Rautenstrauch-Joest-Museum, das einen ethnologisch mitnimmt in die Kulturen der Welt, das Museum Schnütgen mit sakraler Kunst aus dem Mittelalter und das Römisch-Germanische Museum, das bis 2028 sein Ausweichdomizil im Belgischen Haus in der Cäcilienstraße hat.

Man kann also aus reiner Neugier nach Köln fahren. Und das trotzdem mit ein paar Kneipenabenden mit Kölsch beenden und Tünnes und Schäl besuchen, die beiden echt Kölner Typen, die seit 1802 zur Kölner Folklore gehören. Und die es tatsächlich als Plastik gibt. Wenn man die Trinkernase von Tünnes reibt, soll das Glück bringen. Logisch, dass die Nase glänzt.

Aber genau da werden einem die Kölner sympathisch, mit ihrer längst zur Tradition gewordenen Fähigkeit, sich selbst auf den Arm nehmen zu können. Bei 2.000 Jahren Geschichte fällt das einfach leichter, als wenn man nur in so einem jungen Städtchen mit 1.000 Jahren auf dem Kerbholz lebt.

Steffi Böttger „Köln. Stadtspaziergänge“ Lehmstedt Verlag, Leipzig 2024, 9 Euro.

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