Heute haben zwar viele Unternehmen eine einheitliche Arbeitsbekleidung – meist mit dem Schriftzug des Unternehmens darauf. Sie ist Identität und Schutzbekleidung in einem. So ähnlich war es auch im Bergbau – und das schon vor 400 Jahren. Und auch da war es der Chefunternehmer, der den Bergleuten seine Vorschriften bei der Bekleidung machte – der Fürst. Auch, weil er sie stolz marschieren lassen wollte. Die Bergleute marschieren noch heute. Und sind auch noch stolz darauf.
Eberhard Völker geht tief hinein in die sächsische Bergbaugeschichte. Eigentlich zurück bis zum großen Berggeschrey im 12. Jahrhundert. Das aber nicht wegen der Uniformen. Die kamen erst viel später. Sondern wegen der Freiheiten, die die Bergknappen hatten. Die Bergorte genossen Sonderrechte, die Bergleute ein eigenes Gerichtswesen. Zum Kriegsdienst konnten sie auch nicht rekrutiert werden, weil der Landesherr viel zu sehr angewiesen war auf die Schätze, die sie aus dem Berg holten – Silber vor allem, das Sachsen (damals noch Markgrafschaft Meißen) reich machte.
Aber wie das so ist mit Vorrechten – sie können sich auch ins Gegenteil verwandeln. Das Mittelalter war geprägt von penibelsten Kleidervorschriften. Denen hatte sich jeder zu fügen – erst recht, wenn er weit unten auf der sozialen Stufenleiter stand. Außer die Bergleute: Sie hatten das Recht, besondere Kleidung zu tragen.
Bis Luther kam. Und mit ihm die in Kleiderfragen sehr strenge Reformation, die eigentlich die Bergleute nicht direkt meinte. Aber da sie allen Männern ohne Unterschied beim Besuch der Kirche schwarze Kleidung vorschrieb, war der erste Schritt getan: Die Sonntagskleidung der Bergleute wurde schwarz.
Die Geschichte einer Uniformierung
Ganz offiziell wurde das im Jahr 1661, als die Lutherische Kirche eine entsprechende Kleidervorschrift erließ. Da ahnte wohl noch niemand, dass daraus einmal ein komplett uniformierter Berufsstand werden würde. Aber der erste Schritt war getan. Der zweite folgte, wie Völker akribisch darlegt, 1719. In Dresden regierte der prunkliebende August der Starke.
Und sein Prunk basierte zum größten Teil auf den Gewinnen aus dem sächsischen Bergbau. Aus dem aber die Erlöse immer geringer wurden. Also wurde 1706 eine erste Kommission eingesetzt, die die Missstände im Bergbau und vor allem in den Bergwerken, die dem königlichen Regal unterlagen, untersuchen und möglichst beheben sollte.
Es war Zeit für Reformen, die dann auch mit sächsischer Gründlichkeit umgesetzt wurden. Sodass 1719 das Geld wieder sprudelte und der König öffentlich zeigen wollte, wie stolz er auf seine Bergleute war, die schon lange nicht mehr die freien Bergmänner waren, die einst dem Berggeschrey in den Miriquidi gefolgt waren. Sie waren längst zu Angestellten geworden in einem hierarchischen System, in dem der Kurfürst ganz oben an der Spitze stand, auch wenn er fürs Verwalten seiner Bergämter Oberbergwerksdirektoren, Oberberghauptmänner, Berghauptmänner usw. hatte.
Schon seit 1668 gab es eine Anordnung über die Bekleidung der Bergleute. Aber jetzt wurde es ernst. Denn August der Starke wollte seine Bergleute marschieren sehen – in Formation, genauso wie seine Armee (die gerade fleißig ihre Schlachten verloren hatte). Aus der mittelalterlichen Kleiderordnung wurde eine bis ins letzte Glied durchdefinierte Klassifikation, bei der den Bergleuten jedes Detail ihrer Kleidung – im Alltag, am Sonntag und zur Parade – vorgeschrieben wurde.
Trachten überleben ihren Ursprung
Und die folgenden Jahrhunderte waren dann durch immer neue Bekleidungsvorschriften geprägt, die Eberhard Völkel in diesem Buch nicht nur nachzeichnet, sondern auch einordnet in die Entwicklung des sächsischen Bergbaus. Denn während die edlen Metalle (wie das Silber) seit dem Mittelalter dem königlichen Regal unterlagen und die weniger edlen vom Grundherrn abgebaut werden durften, kam mit der Kohle ab dem 18. Jahrhundert noch ein Bodenschatz hinzu, der eigentlich eher zur Bodenkrume gerechnet wurde und von Privatleuten aus der Erde geholt wurde.
Aber auch die fanden – wie im Kapitel „Der Steinkohlebergbau“ nachzulesen – das Uniformieren ihrer Bergleute prima und steckten sie – ganz adäquat den Bekleidungsvorschriften des Landesherrn – in Dienst- und Paradeuniformen. Die Rangordnung, die im Betrieb dafür sorgte, das jeder seinen Platz kannte und die Arbeit reibungslos und geordnet ablief, wurde so auch im Sonntagssaat und erst recht bei festlichen Gelegenheiten sichtbar aufgetragen.
Und eigentlich hätte der Uniformspaß mit dem 19. Jahrhundert zu Ende gehen können. Eine von Privatleuten betriebene Abbauwirtschaft braucht kein militärisches Brimborium mehr, sondern hat eher mit einer selbstbewussten Belegschaft zu tun, die sich organisiert und Verbesserungen bei Bezahlung, Sicherheit und sozialer Versorgung erstreitet. Weshalb die letzte sächsische Bekleidungsvorschrift aus der Zeit vor der Revolution von 1848 stammte.
Erinnerung an den Bergstaat
Aber die Uniformen überlebte sogar das Ende einiger einst ergiebiger Abbaustätten – wie die des Silberbergbaus. Und heute gehört sie – gerade im Erzgebirge – zur Folklore und zu jedem größeren Staatsakt.
Und wer mit Völker die peniblen Vorschriften aus der Vergangenheit kennenlernt, erkennt diese Vorgaben in den heutigen Paradetrachten wieder, kann sie auch zeitlich einordnen und damit im Geiste zurückgehen in die Zeit, als das sächsische Bergwesen noch in einem Bergstaat organisiert war und damit Teil einer feudalen Hierarchie, die sich bis in die Uniformdetails manifestierte.
Genau an diese Zeit erinnern die heutigen Bergparaden. In lauter detaillierten Zeichnungen zeigt Eberhard Völker die Entwicklung der Bergarbeitertrachten. Dazu kann er auf die bis heute nachlesbaren Reglements zurückgreifen.
Wobei natürlich auffällt, dass die größte Pracht bei den „Chefs“ zu finden war, deren Kleidung oft genug jener der Offiziere im sächsischen Heer ähnelte, während die tatsächlichen Bergarbeiter in den niedrigsten Klassen landeten und deutlich einfachere Trachten trugen, die dennoch nicht auf militärische Wirkung verzichteten. Es sollte ja trotzdem etwas hermachen, wenn die Bergleute zur Parade aufliefen. Und auflaufen bis heute, stolz wie Leute, die dem Land die Reichtümer aus der Erde holen.
Eberhard Völker „Der Bergbau in Sachsen im Spiegel der bergmännischen Tracht“ Tauchaer Verlag, Leipzig 2024, 29 Euro.
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