Die Erstauflage dieses Büchleins erschien schon 2009. Da wünschte sich der Autor Ernst Günther sehr, dass Maria Josepha, die Gemahlin von Friedrich August II. von Sachsen, der als polnischer König August III. war, Wiedergutmachung erführe, nachdem Generationen von Historikern sie schlechtgeschrieben hatten. Doch richtig hat das nicht geklappt. Mit Frauen an der Spitze können auch sächsische Historiker ganz schlecht umgehen.
Was historische Gründe hat. Denn auch den Blick auf sächsische Geschichte haben Männer geprägt. Jahrhundertelang fixierten sie sich allein auf die Fürsten, Kriegsminister, berühmte Baumeister, Handelsleute, Geistliche, Forscher und Erfinder.
Frauen waren dabei immer nur schmückendes Beiwerk. Und so wurden sie auch behandelt. Auch die Gräfin Cosel, die als Mätresse von Friedrich August II., dem berühmten starken August, Furore machte und ihren Absturz erlebte. Stoff für hunderte Liebesromane und dutzende Verfilmungen rund um ein geschichtsträchtiges Liebespaar. Dass es auch dabei eigentlich um Machtpolitik ging, das müssen heutige Historiker erst nach und nach aus den Schichten sächsischer Legendenbildung herausarbeiten.
Und die alten Legenden werden ja munter weitererzählt. Sie gehören zum – falschen – Selbstbild der Sachsen, die ihr Herrscherhaus immer glorifiziert haben und stets herbeieilten, wenn ein mächtiger August ein applaudierendes Volk bestellte.
Friedrich II. als Frauenfeind
Maria Josepha freilich gehört zu den markanten Fürstinnen des Barock, die eben nicht nur hübscher Zierrat für ihren Gemahl – in diesem Fall den Sohn Augusts des Starken – sein wollten. So auch nicht erzogen waren. Denn Maria Josepha war die Tochter von Kaiser Joseph I. und dessen Gemahlin Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg, eine echte Habsburgerin. Arrangiert hatte die Hochzeit noch August der Starke, der sein Haus damit endgültig in der Liga der führenden Fürstengeschlechter im Heiligen Römischen Reich platzierte.
Ein rein politisches Arrangement, das für Augusts Sohn trotzdem gut ausging, denn ganz offensichtlich verliebten sich Friedrich August und Maria Josepha tatsächlich ineinander, lebten eine harmonische Ehe und Maria Josepha musste keine Mätressen fürchten. Denn in diesem Punkt war der Sohn anders als sein Vater: Er war treu. Und er ging respektvoll mit seiner Gemahlin um, die dadurch auch Freiräume bekam, die sie zu nutzen verstand. Was auch mit ihrer Erziehung zu tun hatte, denn sie war nicht nur zum Repräsentieren erzogen worden.
Und genau deshalb ging sie auch in die preußischen Geschichtsbücher ein, denn als Friedrich II. von Preußen, den die preußischen Geschichtsschreiber dann den Großen nannten, ohne Kriegserklärung 1756 einfach mit 70.000 preußischen Soldaten in Sachsen einfiel und es in den folgenden sieben Jahren regelrecht ausplünderte, da war es Maria Josepha, die im Dresdner Schloss zurückblieb und dem grantigen König die Stirn bot.
Was ihr am Ende nichts half, denn Friedrich verachtete sie. Er konnte mit Frauen, die ihm die Stirn boten, nicht umgehen. Und so haben seine Macho-Sprüche über Maria Josepha in die Geschichtsbücher gefunden und die deutsche Geschichtsschreibung über zwei Jahrhunderte geprägt.
Toleranz muss man lernen
Und die sächsische eben auch, denn die Sachsen hatten ihr eigenes Problem mit der katholischen Kaisertochter, nachdem schon ihr Gemahl und ihr Schwiegervater vom Protestantismus zum Katholizismus gewechselt waren. Und das in einem Land, in dem das orthodoxe Luthertum den Ton angab. Die Prediger machten in Dresden regelrecht Stimmung gegen das Königshaus und stachelten die Dresdener zu Tumulten auf.
Das möchte man natürlich hernach gern vergessen. Es spielt im Sachsen-Mythos kaum eine Rolle. Lieber wird der „Sündenfall“ der Wettiner, die einfach die herrschende Landesreligion verließen, immer wieder genüsslich durchgekaut – als hätten sie damit Land und Leute verraten und nicht nur einem anmaßenden Klerus die Stirn geboten. Dabei praktizierte August der Starke – auch mit dem Religionswechsel – etwas, was mit der Aufklärung erst langsam zum Selbstverständnis wurde: Toleranz.
Es war dieselbe Zeit, als die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten in Sachsen eine neue Heimat fanden, aber auch die aus Böhmen vertriebenen Protestanten. Wer sich vom Prunk des machtbewussten August nicht blenden lässt, sieht auch das Neue in der sächsischen Politik. Und damit auch das Wirken Maria Josephas, die ihre Rolle als Fürstin ganz ähnlich verstand wie die Heilige Elisabeth in Thüringen – in karitativer Hilfe für die Armen und Kranken.
Auf ihre Initiative gehen mehrere karitative Einrichtungen zurück, die Anlage eines Friedhofs für die katholischen Bewohner Dresdens, aber auch der Bau der katholischen Hofkirche, die wie „ein Schiff gegen den Strom“ zu schwimmen scheint.
Eine Kantate für die Königin
Zumindest scheint sie erheblichen Einfluss auf die Gestalt der Kirche genommen zu haben. Und auch für Leipzig spielte sie eine gewisse Rolle, denn sie und ihr Gemahl liebten die Musik. In ihrer Zeit entstand das Dresdner Opernhaus, an dem die seinerzeit berühmten italienischen Opern mit einem echten venezianischen Ensemble dargeboten wurden.
Günther thematisiert aber auch den legendären – und manchen Bach-Forscher irritierenden – Besuch Johan Sebastian Bachs am Königshof und seine dafür komponierte Musik. Was so recht nicht einzuordnen ist: Biederte sich da ein durch und durch protestantischer Thomaskantor am katholischen Königshof an?
Oder gehört das schlicht zusammen. Denn Bach hat ja mehrere solcher Kompositionen fabriziert, mit denen das sächsische Königshaus gefeiert wurde. Und in einem war er ja mit dem Herrscherpaar sogar auf einer Wellenlänge: in seiner Begeisterung für die damals moderne italienische Musik. Am Ende gab es für ihn ja immerhin den nicht ganz unwichtigen Titel eines Hof-Kompositeurs, den er wohl genau dafür bekam, dass er eine Kantate für die Königin geschrieben hatte.
Stimmt also das Bild der ungeliebten Königin? Wahrscheinlich nicht. Auch die Dresdner arrangierten sich mit der Königin. Nichts war falscher gewesen als die von Predigern geschürte Angst, die Wettiner würden Sachsen wieder katholisieren.
Am Ende ein zerstörerischer Krieg
Man lernt Maria Josepha und ihren Friedrich August freilich auch von der privaten Seite kennen. Immerhin hatten sie ein reges Familienleben und eine Menge Kinder, die sie an etliche große Fürstenhäuser ringsum verheirateten. Und sie verließen Dresden oft auch für etliche Monate, um sich in einem ihrer Schlösser – allen voran Moritzburg und Hubertusburg – zu erholen und dem Waidwerk nachzugehen.
Wobei es Maria Josepha, die 1757 starb, erspart blieb, die Plünderung des Schlosses Hubertusburg durch die preußischen Truppen 1762 mitzuerleben.
Auch den Hubertusburger Frieden und damit das Ende des Siebenjährigen Krieges bekam sie nicht mehr mit. Ein Krieg, in dem Sachsen nur eine einzige Rolle spielte: Von Friedrichs Truppen nach Strich und Faden ausgeplündert zu werden.
Natürlich interessiert sich Günther auch zum Verhältnis Augusts des Starken zu seiner Schwiegertochter. Aber das scheint denkbar unterkühlt gewesen zu sein. Sodass Maria Josepha in den gloriosen August-Geschichten der sächsischen Legenden auch keine Rolle spielte – außer bei jenen einen Monat lang dauernden Hochzeitsfeierlichkeiten, bei denen August der Starke alle Pracht aufbot, um der Welt zu zeigen, dass ein Wettiner nun endlich auch eine Tochter aus dem Hause Habsburg heiratete.
Eine Inszenierung, in der auch Augusts Wunsch steckte, nicht nur Reichsvikar zu sein, wenn der Kaiserthron mal nicht besetzt war, sondern auch selbst mal in die engere Wahl zum Kaiser zu kommen. Und wenn nicht er, dann sein Sohn.
Aber das klappte in beiden Fällen nie. Sachsen blieb ein kleines putziges Land, das der militärisch hochgerüstete Nachbar im Norden nur zu gern im Ganzen verschlungen hätte. Mit Günthers Buch jedenfalls lernt man Maria Josepha ein wenig kennen und bekommt ein Gefühl für die sächsischen Geschicke im frühen 18. Jahrhundert.
Und natürlich für die Spielräume einer Fürstin, die durchaus auch noch eine ganz andere Rolle hätte spielen können, hätte Friedrich August II. nicht die Geschicke des Landes derart konzentriert in die Hände des mächtigen Grafen Brühl gelegt. Es sieht ganz so aus, dass Friedrich August seine Frau zwar liebte, ihr aber lieber nicht zu viel Einfluss auf die Staatsgeschäfte geben wollte. Vielleicht wäre da einiges anders gekommen.
Ernst Günther „Maria Josepha. Augusts des Starken Schwiegertochter Tauchaer Verlag, Leipzig 2024, 12 Euro.
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