Die moderne Fototechnik macht Dinge möglich, die wären im analogen Zeitalter zumindest sehr aufwändig geworden. Eine wirklich gute Kamera genügt, und man kann unsere Welt in eindrucksvollen Bildern festhalten. Und besonders ihre Schönheit zeigen, die sich beim richtigen Licht erst in aller Pracht entfaltet. 2020 beschloss Margitta Hamel, die Elbe einmal auf ganz besondere Weise zu porträtieren – als überbrückten Fluss.
Aber das macht man nicht einfach, indem man den größten Fluss in Mitteleuropas einmal von seiner Quelle im Riesengebirge bis zum Mündungsdelta in die Nordsee abfährt. Dazu braucht es viele Expeditionen – auch zu Fuß und mit Fahrrad und großem Gepäck, gerade da, wo der Fluss noch jung ist und als richtiger Gebirgsbach die Hänge des Riesengebirges hinunter rauscht.
Aus der Idee von 2020 wurde ein Drei-Jahres-Projekt. Und am Ende war Margitta Hamel wahrscheinlich die einzige Fotografin, die alle 215 Brückchen, Brücklein und richtig imposanten Brücken über die Elbe auf Speicherkarte festgehalten hat.
Und damit die aktuelle Geschichte der Elbe-Überquerungen sichtbar gemacht hat – mit einfachen Holzbohlenbrücken im Wald, mit alten und neuen Fußgängersteigen, mit simplen, unscheinbaren Straßenbrücken, mit Eisenbahn- und Autobahnbrücken. Und – für die Elbe in dieser Art natürlich einzigartig: einer Kanalbrücke über den Strom.
Die Schönheit der Fluss-Welt
Aber Ablichten ist das eine. Den richtigen Blick für die Schönheit der Brücken, die Majestät des Flusses (der ja bei so einer Reise erst zum Fluss heranreift), die prächtigen Himmel und eindrucksvollen Landschaften braucht es natürlich auch. Und den beweist Margitta Hamel mit diesem Bildband, die das Fotografieren zu ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung gemacht hat. Genauer: die Landschaftsfotografie. Denn dazu darf und muss man raus aus der Hütte, zieht es eine ganz konsequent in Wald und Flur und dahin, wo unsere Welt besonders eindrucksvoll ist.
Auch wenn man Geduld mitbringen muss, das richtige Licht abzupassen. Und manchmal kommen Tage mit Frost, Regen und Nebel dazwischen. Das ist ärgerlich, wenn man teilweise richtig imposante Brücken in Szene setzen möchte. Und genau das hat Margitta Hamel getan. 140 Brücken über die Elbe haben in dieses Buch gefunden und erzählen damit eine Geschichte über den Fluss, die so noch niemand erzählt hat.
Jede Brücke bekommt ihren Namen – die unbekannten in der Provinz genauso wie die berühmten, die zu den Sehenswürdigkeiten in ihren Städten gehören. Man denke nur an die Augustusbrücke in Dresden oder die Köhlbrandbrücke in Hamburg.
Aber es bleibt nicht bei den Bildern. Mit Hans-Joachim Kessler hat sich ein Historiker dazugesellt, der das Brückenprojekt historisch einsortiert, (Ur-)Geschichte und Gegenwart der Elbe erzählt und an den Stellen erklärend eingreift, wo Elbbrücken zum Schauplatz historischer Ereignisse wurden – so wie in Melnik am Zusammenfluss von Elbe und Moldau, in Meißen, Torgau oder an der Kanonenbahn in Barby.
Was kann da noch kommen?
Man erfährt von der Elbe als Grenzfluss, die einst das Reich Karls des Großen von dem der Slawen trennte, von Magdeburg und seinem Stadtrecht, das viele Orte am Oberlauf der Elbe übernahmen, von Dresdens günstiger Lage, von Handel und Wandel. Denn Brücken verbinden. Und oft dauerte es trotzdem viele Generationen, dass aus einer Fähre (von denen es heute noch etliche an der Elbe gibt) eine steinerne Brücke wurde, über die nicht nur kriegerische Truppen die Ufer wechseln konnten.
So erzählen einige Brücken von uralten Grenzen und andere von jüngeren Brückenschlägen. Manche erzählen vom Krieg – wie die alte Elbbrücke bei Dömitz, andere vom Gigantismus heutiger Transportwege.
Eine Karte mit der ganzen in Fotos verewigten Tour findet man auch im Buch. Und am Ende auch eine Frage, die man sich bei Blättern selbst schon gestellt hat und die Margitta Hamel so formuliert: „Die Elbbrücken wurden zu einem ersten geschlossenen Thema und Bildband. Was wird folgen?“
Das kann sie natürlich nur selbst beantworten. Aber einige Ideen tauchen ja auch in den Brückenfotos schon auf – angefangen von den Burgen und Schlössern entlang der Elbe bis hin zu den faszinierenden Naturreservaten rechts und links des letzten, relativ naturnah belassenen Flusses, die Hans-Joachim Kessler erwähnt.
Aber allein schon dieser Brückenband ist eine farbenfrohe Einladung, einfach mal mit dem Rad die Elbe hinunter zu radeln – ob auf dem ausgeschilderten Elberadwanderweg oder schon oben bei den Elbquellen bei Spindlermühle beginnend, wo man miterleben kann, wie aus lauter kleinen Wiesenquellen nach einigen hundert Höhenmetern abwärts schon ein romantisches Flüsschen geworden ist. Ein Gewässer, das zwei Länder miteinander verbindet und auch deshalb immer wieder in Debatten gerät, ob der Fluss nun weiter ausgebaut werden soll oder besser nicht.
Auch darüber kann man flussabwärts nachdenken, während man an lauter reizvollen Orten vorbeikommt, die ihrerseits von einer Menge Geschichte erzählen. Mit Berühmtheiten wie Wallenstein und August dem Starken darunter. Die Fotos eröffnen Welten, die einfach einladen, auch bei eigenen Erkundungen am Fluss entdeckt zu werden.
Margitta Hamel, Hans-Joachim Kessler „Brücken über die Elbe“ Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2024, 24,80 Euro.
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