Davon träumen Jungen, wenn sie anfangen Fußball zu spielen: Einmal in so einer richtigen Siegermannschaft zu spielen, die jede andere Mannschaft locker vom Platz putzt. Und manchmal stecken sie damit auch ihren Opa an: Opa, wie wäre das, wenn ich jetzt einen Supertrank hätte, mit dem ich dann … – Und Opa runzelt die Stirn: Kennt er da nicht jemanden, der sowas kann? So einen wie Miraculix, der für Asterix und seine Mannen immer die Zaubertränke braut?

Opa hat Fantasie. Denn Opa heißt U. S. Levin, lebt in Markkleeberg und schreibt neuerdings auch Kinderbücher. So wie „Lars und die geheimnisvolle Wünschefliege“ oder „Der blaue Taschendieb“. Also Geschichten über Sachen, die Kinder spannend finden. Am besten mit irgendeinem wunderbaren Zaubermittel, das den kleinen Helden Superkräfte verleiht.

Denn wenn man noch so ein Knirps kurz vorm zehnten Geburtstag ist, dann fallen eine Menge Dinge noch schwer. Dann schaut man zu den Großen auf und denkt sich: Das schaffe ich nie. So viel kann ich gar nicht trainieren. – Man ist fasziniert und ein bisschen überfordert. Und wenn man dann auch noch richtig hart trainiert hat mit Trainer Carlo und dann in der F-Jugend doch nur eine Niederlage nach der anderen hereinschneit, dann kann man schon mutlos werden.

So wie man auch völlig kraftlos und niedergeschlagen wird, wenn man mit den Eltern mal auf Bergwanderung ist und sich schon bei Anstieg eine mächtige Blase gelaufen hat. So geht das nämlich los mit Max und seinem Wunsch, einmal richtig viel zu gewinnen mit seiner Mannschaft. Superkräfte zu haben und locker Tor um Tor zu schießen.

Wenn gar nichts mehr gelingt

Enkel Sebastian war es, verrät U.S. Levin, der ihn auf die Idee gebracht hat, sich diese Geschichte auszudenken. In einem sehr bekannten Rahmen – jedenfalls für Jungs, die irgendwo in oder um Leipzig in einem Verein kicken. Da gibt es nicht nur den FC Markkleeberg, wo Max in der F-Jugend kickt, da gibt es auch die Altherren-Mannschaft vom FC Markkleeberg, die Jungs von RB Leipzig und die Kicker von Lok Leipzig, die man natürlich alle gern mal besiegen möchte.

Nur: Eigentlich ist Max schon völlig von der Rolle, weil ihm gar nichts mehr gelingt. Nicht mal mehr die lächerlichen Siege beim Mensch-ärgere-dich-Nicht in der Familie. Es ist ein schreckliches Alter, das weiß jeder, der sich noch dran erinnern kann. Man möchte Bäume ausreißen und dabei geht alles schief, man erleidet Niederlagen und geht immer aufs Neue mit einer Klatsche vom Platz. Das ist eigentlich die Geschiche, die im Grunde alle Jungen kennen.

Denn man braucht doch diese Erfolge, dieses Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, auch mal ein echter Gewinnertyp zu sein. Sonst geht das ganze Selbstbewusstsein flöten und man könnte – wie Max – einfach nur noch heulend auf dem Bett liegen, weil es nur noch Niederlagen hagelt. Da kann Opa zwar trösten, wenn er mal da ist.

Aber meistens sind auch die armen Eltern überfordert und alle ihre Versuche, dem Knaben Mut zu machen, verlaufen sich. Nichts hilft. Auch nicht der tolle Urlaub in den Bergen, wo Max sich dann die große Blase am Fuß läuft.

Max auf Abwegen

Was natürlich U.S. Levin als erzählerische Gelegenheit nutzt, seinen Helden auf Abwege zu bringen, eine echte Kräuterfrau ins Spiel zu bringen und einen aus wundersamen Kräutern gebrauten Zaubertrunk, der für den Jungen dann alles ändert und ihm geschehen lässt, was sich jeder Junge so wünscht: Hinfort immerzu nur noch zu siegen, alle Gegner in Grund und Boden zu spielen und vor den Mannschaften in der F-Jugend nicht haltzumachen, sondern gegen die ganz Großen spielen zu dürfen. Und zu gewinnen.

Nur hat die gute Kräuterfrau nicht umsonst gefragt, ob Max sich das gut überlegt hat. Das tut man nämlich meistens nicht, wenn man seine allergrößten Wünsche ganz schnell erfüllt haben möchte. Man vergisst nämlich dabei, dass das Erfüllende an den ganz großen Wünschen in der Regel der Weg hin zur Erfüllung ist: Man erarbeitet sie sich, kämpft sich Stück für Stück da hin und weiß dann, wie man dafür gerackert hat.

Erfüllte Wünsche, die einem in den Schoß fallen, sind meistens ein sehr zwiespältiges Geschenk. Davon handeln ja dutzende von Märchen. So gesehen ist dies hier natürlich ein Märchen von heute. Eines, bei dem der Held nach und nach merkt, dass Superkräfte, mit denen man jedes Spiel gewinnt, nicht wirklich froh machen. Auch, weil dann eben alles so vorhersehbar ist. Und sich die Siege eben nicht mehr wirklich erklären lassen.

Die Siege sind nicht erarbeitet, nicht wirklich. Und deswegen bleibt da immer ein Unbehagen. Das man auch benennen kann und das Max immer schwerer im Magen liegt. Dennvon eigentlich ist das ja Doping, was er sich da gewünscht hat, auch wenn er weiß, dass der Zaubertrank irgendwann seine Wirkung einbüßen muss.

Und dann?

Der Preis der geschenkten Siege

Diese Geschichte erzählt U.S. Levin dann nicht mehr. Er hört an der Stelle auf, als Max und seine Mannschaft ihren größten Erfolg feiern. Und Max merkt, dass dieser Trubel bald vorbei sein wird. Und er sich wieder als etwas fühlen darf, was er bei all der Siegerei schon schmerzlich vermisst hat: Wieder ein ganz normaler Junge sein zu dürfen. Einer, der weiß, dass er keine Superkräfte hat und kein Sieg ihm einfach so zufällt.

Das ist anstrengender. Aber man muss nicht mehr schwindeln und auch nicht mehr so tun, als wäre man ein von Natur aus ein Siegertyp, für den so ein Sieg einfach pillepalle ist. Auch keine schöne Rolle, wenn man das richtig bedenkt, auch wenn man diese Typen meist auf allen Kanälen sieht. Als wenn das etwas Bewundernswertes wäre. Ist es aber nicht.

Denn wirklich aufregend wird ja auch Fußball erst, wenn man sich richtig anstrengen muss, wenn man am Ende gewinnen will. Das sind ganz andere Siege, viel aufregender, als wenn man immer alles geschenkt bekommt.

Es ist also nicht nur ein Fußballbuch geworden, sondern auch eins, mit dem Opa Levin die jungen Leserinnen und Leser anregt, darüber nachzudenken, wann einen Erfolge eigentlich glücklich machen. Und wann sie einfach keinen Spaß bereiten.

Ein weites Feld, so würde Opa Fontane sagen. Und Max’ Freund Willy würde wohl einfach bemerken: Wichtig ist, dass wir Freunde bleiben und zusammenhalten. Da kann dann auch die nächste Saison in der Jugendliga wieder aufregend werden. Auch dann, wenn man am Ende nicht Erster wird.

U.S. Levin „Max und die unbesiegbare Superelf“ Mitteldeutscher Verlag, Halle 2024, 12 Euro.

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