Es gibt kleine niedliche Bilderbücher, die sind wie ein Kommentar zu den großen Dummheiten erwachsener Leute, die anderen salbungsvoll raten, doch einfach die Weiße Fahne herauszuhängen. Ist Frieden nicht das oberste aller Güter? Der heiligste Zustand der Welt? Nur: Schalten diese Ratgeber eigentlich beim Ratgeben ihr Gehirn aus? Vielleicht sollten sie sich doch einmal aufmerksam mit dem kleinen Frieden beschäftigen.
Der erscheint in dieser Geschichte von Katja Reider als kleiner blauer Knuddelhase. So hat ihn Günther Jakobs gezeichnet. So lieben wir ihn: knuddelig, immer freundlich, immer hoffnungsfroh. Nie gibt er auf. Er kennt ja die Menschen. Und ihre Rückfälle. Denn sie reden zwar gern vom Frieden. Aber wenn ihnen etwas nicht passt, holen sie die Keule raus und schlagen anderen die Schädel ein.
Der kleine Frieden hat es nicht leicht. Aber er gibt nicht auf. Denn er weiß, dass er ohne richtig gute Freunde keine Chance hat. Die heißen guter Wille, ausgleichende Gerechtigkeit, gegenseitiger Respekt, wachsendes Vertrauen, Toleranz. … Autsch. Da muss man sich nur umschauen in der Welt: Das alles ist selten.
Und eine Menge Leute scheint regelrecht Spaß daran zu haben, all das zu zerstören. Immerfort infrage zu stellen und genau das zu verbreiten, was den kleinen Frieden – und den großen erst recht – unmöglich macht: Misstrauen, Argwohn, Verachtung …
… Ungerechtigkeit, Streit, Ausgrenzung.
Die Mühsal des Friedens
Wir wissen es doch alle. Und wir wissen auch, dass auch die Ausgrenzer nur zu gern vom Frieden reden. Ihre Art Frieden. Ein Frieden, bei dem dann die Panzer rollen und die Schwachen im Stich gelassen werden. Da wird der kleine Frieden, obwohl er gar nichts dafür kann, zum Maskottchen der Feiglinge und Selbstgerechten, die lieber mit Weißen Fahnen wedeln, als den Kriegstreibern in den Arm zu fallen.
Kriege entstehen auch aus Missgunst und Feigheit. Sie leben davon. Und zehren davon. Manchmal 30 Jahre lang wie im Dreißigjährigen Krieg, an dessen Ende dann der mühsam errungene Westfälische Frieden stand. Es gibt sie ja, die Geschichten vom errungenen Frieden, die Katja Reider anführen kann, um zu zeigen, dass sich der Traum vom Frieden verwirklichen lässt.
Aber nicht so, wie es die Weiße-Fahnen-Schwenker sagen, die Unterwerfung und Opportunismus als Frieden verstehen.
Und die einfach ignorieren, dass der kleine Frieden, so niedlich er aussieht, schwer errungen werden muss. Man muss sich anstrengen dafür und darf nie aufgeben. Davon erzählt diese Bildergeschichte, die diesem so wichtigen Wunsch, den die meisten von uns mit sich herumtragen, ein Bild gibt. Es ist ein Ideal und ein Ziel. Aber das fällt einem nicht in den Schoß und wird uns auch nicht geschenkt.
Schon gar nicht von den Leuten, die ihre Interessen immer nur rücksichtslos durchsetzen, anderen ihre Regeln aufzwingen wollen und auf freundliche Worte mit Häme reagieren. Denn sie glauben eher an Macht und Gewalt.
Und sie glauben, dass alle anderen das zu akzeptieren haben. So sieht nämlich unsere Welt aus. Immer noch. Auch wenn es die Momente des kleinen, schwer errungenen Friedens gab. Zu denen auch der Mauerfall von 1989 gehört, den Jakobs natürlich auch gezeichnet hat. Das vergessen die Wütenden und Brüllenden von heute so gern: Dass dieser scheinbar so märchenhafte Akt vor allem auch die Beendigung eines kriegerischen Zustands war.
Was man so alles vergisst, wenn man sich doof stellt.
Erstaunlich.
Mauern schaffen keinen Frieden
Dazu gehört auch, dass Mauern und Zäune keine Mittel des Friedens sind, sondern Mittel des Kriegs. Hingestellt, um Menschen zu entzweien, aus- und wegzusperren und vor allem Macht und Abwehr zu demonstrieren.
Was man alles vergisst …
Es ist schon erstaunlich.
Auch weil es etliche Leute gibt, die nicht gelernt haben, wie man Freundschaft und Vertrauen stiftet. Ohne die gibt es keinen Frieden. Nicht mal im Sandkasten, wo Kinder eigentlich lernen, wie man Konflikte löst. Meistens. Manche lernen es nicht, weil sie von ihren Eltern etwas anderes beigebracht bekommen: Neid, Missgunst, Überlegenheit, Selbstgerechtigkeit.
Es sind so schöne, so herzerwärmende Bilder.
Aber wer mit seinen Kleinen öfter auf dem Spielplatz war und ihnen zugeschaut hat im Sandkasten, der weiß, dass es trotzdem immer wieder die Störenfriede gibt, die Kinder, die nicht gelernt haben, wie man miteinander spielt und auf die anderen Rücksicht nimmt.
Ja, solche. Da hat jeder welche vor Augen. Denn diese Kinder werden groß. Und richten dann all das an, was unsere Welt immer wieder in schwarze Wolken hüllt. Und was den kleinen Frieden immer wieder vertreibt. „Angst, Leid und Zerstörung. Wie konnte es nur so weit kommen?“
Die Frage stellen sich dann viele hinterher, wenn der Schaden angerichtet, das Land zerstört ist. Und keiner dabei gewesen sein will, als man einem Wüterich die Mittel in die Hand gab, sein Unwesen zu treiben und seine Bosheit über die Welt auszukippen.
Darum geht es. Auch bei den Wahlen in den nächsten Monaten. Darum, dass man den kleinen Frieden verrät, wenn man die Maulhelden und Ausgrenzer, die Selbstgerechten und Vertreiber wählt. Die den kleinen Frieden schon immer verachtet haben. Und nur zu bereit sind, alle Mittel zu benutzen, um an die Macht zu kommen. Und dann ihrer Wut freien Lauf zu lassen.
Was tun?
Innehalten. Sich besinnen. Und sich immer wieder vergegenwärtigen, dass der kleine Frieden gehegt und gepflegt und geschützt sein muss, sonst geht er verloren. Ein Büchlein für alle, die wissen, dass der ganz große Frieden auf Erden vielleicht nur ein Traum ist. Aber jeder kleine Frieden erkämpft und bewahrt werden muss. Sonst brauchen wir an den großen gar nicht erst zu denken.
Katja Reider, Günther Jakobs„Der kleine Frieden ist dein Begleiter“ Coppenrath, Münster 2024, 5,95 Euro.
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