Nicht alles im Leben geht gut aus. Es gibt Höhen und Tiefen, kleine und große Verluste. Manchmal hauen uns unsere Emotionen einfach um, packt uns die Verzweiflung, überwältigt uns die Trauer. Und während wir als Erwachsene gelernt haben, uns nicht immerfort überwältigen zu lassen, ist das Untröstlichsein für Kinder oft ein Drama, das sie einfach wegschwemmt und in die Abgründe ihrer Verzweiflung schleudert. Moni Port weiß das.
Sie hat sich den Blick für die kindlichen Verzweiflungen bewahrt. Und für die Mühsal, sich Strategien anzueignen, mit denen man sich aus tiefen schwarzen Löchern wieder herausarbeiten kann. Denn das geht. Trost gibt es überall, stellt Moni Port fest.
Aber natürlich fängt sie von vorne an. Ganz von vorne. Da, wo wir am liebsten sind: In einer Situation, in der alles schön, gut und prima ist. In der man nicht damit rechnet, dass irgendetwas dieses herrliche Gefühl, dass die Welt ein wunderbarer Ort ist, auch nur stören könnte …
… und dann genügt meist eine Kleinigkeit, um die schöne Stimmung plötzlich kaputtzumachen. Da ist fast egal, was es ist – ein Eis, das auf den Bürgersteig platscht, ein kaputter Roller, ein „Nein“ von Mama, keine Nudeln mit Tomatensoße, oder der Hamster stirbt. Das ist wahrscheinlich mit das Schwerste im Leben, was man lernen muss: Mit lauter Zufällen, Unfällen, Ausfällen zurechtzukommen. Mit Verlusten, die richtig wehtun, zum Beispiel, weil die Lieblingsoma stirbt oder Papa keine Zeit hat oder die beste Freundin wegzieht hinter den Mond. Auf einmal tut sich ein riesiger Abgrund auf, in dem das ganze Aufregende und Schöne im Leben verschwindet.
Scherben und Verletzungen
Oder man hat sich selber falsch benommen, hat nicht aufgepasst und Mamas schöne Vase zerdeppert. Oder dem Brüderchen wehgetan. Oder ein blödes Wort benutzt und merkt, dass das gar nicht gut angekommen ist und jemand jetzt richtig tief verletzt ist. Auch das noch!
Moni Port nimmt ihre kleinen und großen Leser mit in die Tiefe dieses Gefühls, erzählt in Bildern und kleinen, nur zu vertrauten Szenen, wie das immer wieder passiert. Und wie das auch schon früher passiert ist, Generationen von Kindern. Deswegen sind auch ein paar ganz alte Bilder mit im Buch, die dieses Gefühl zeigen und wie Kinder früher damit umgingen. Und wie Große und Kleine dann irgendwie versuchten, mit diesem grauschwarzen Gefühl umzugehen. Natürlich die Großen auch. Das merkt man ja als Kind nicht gleich, dass auch die Erwachsenen manchmal richtig traurig sind. Zum Beispiel, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Und dass sie genauso lange brauchen, um wieder lächeln zu können.
Aber jede Traurigkeit hat eine andere Lösung. Und manche Lösungen kennen ja auch die kleinen Leser schon. Und so regt Moni Port sie eben auch an, sich selbst zu erinnern, wie das da war, als sie mal richtig traurig waren. Und was am Ende geholfen hat. Oder wer geholfen hat. Denn manchmal kann man sich selbst aus dem tiefen Loch holen, in dem man einfach richtig gute Sachen macht, die einen in eine andere Stimmung bringen.
Du bist nicht allein
Oft aber braucht man dann das Gefühl, dass man nicht ganz doof und nicht ganz allein ist.
Deswegen tun einem Hunde und Katzen so gut. Sie sind einfach da und lassen sich streicheln (meistens jedenfalls). Oder das Pferd Peyo, das so klug ist, dass es merkt, wann Menschen ganz dolle viel Trost brauchen. Überhaupt, diese Tiere: Oft sind sie viel einfühlsamer als viele Menschen. Sind einfach da und zeigen, dass sie ihr großes oder kleines Menschlein gern haben.
Dabei können auch Menschen trösten, auch wenn es ihnen meist so schwerfällt, weil sie ständig denken, sie könnten irgendwas falsch machen. Dabei reicht es oft einfach, jemanden in den Arm zu nehmen und zu zeigen: Ich bin da. Man muss meist gar nichts Großes machen, erzählt Moni Port. Gar nicht so beiläufig.
Und man merkt auch, dass sie auch die Kinder gefragt hat, was sie sich wünschen, wenn sie traurig sind. Und was oft schon geholfen hat. Und siehe da: Es sind auch Nudeln mit Tomatensoße. Oder Mamas Hand auf dem Kopf. Oder ein Besuch bei Oma. Und. Und. Im Buch stecken gleich mehrere solcher Listen, in denen Kinder sagen, was geholfen hat.
Aber auch ein paar seltsame Dinge, die sich Erwachsene ausgedacht haben – so wie Itaru Sasaki aus Japan, der das Windtelefon erfunden hat, mit dem man irgendwie mit den Menschen reden kann, die nicht mehr da sind. Manchmal waren sie ja die einzigen, mit denen man wirklich über alles reden konnte. Die einfach gut zugehört haben und bei denen man das Gefühl hatte, dass das alles nicht falsch ist, was man erlebt und fühlt und denkt.
Da hilft so ein Windtelefon. Auch wenn am anderen Ende nur der Wind rauscht.
Blumen, Apfelkuchen und Mauersegler
Aber natürlich gibt es noch mehr gute Vorschläge. Es gibt ja auch jede Menge Kinder, die schon was entdeckt haben, was hilft. Und Erwachsene, die entdeckt haben, dass sogar ein Kinderlachen hilft, wenn sie selbst mal wieder traurig sind. „Trost kann leise und laut sein“, stellt Moni Port fest, ganz hinten im Buch, durch das sich jeder durcharbeiten kann, um dieses Gefühl, das man ganz doll Trost braucht, einfach mal zu erkunden. Und es nicht einfach wegzudrücken, als wäre es überflüssig. Ist es aber nicht. Ganz oft sagt es uns ganz einfach, dass etwas uns wirklich richtig weh getan hat. Und dass wir eigentlich nicht immer traurig sein wollen. Sondern wieder lustig und froh und zuversichtlich.
Denn eigentlich ist die Welt voller Dinge, die uns glücklich machen können. Blumen, Freundinnen, Musik und Mauerseglern.
Von Apfelkuchen, Schokolade und Wärmflasche ganz abgesehen. Man muss sie nur wieder sehen, hören und spüren wollen. Das Leben ist – eigentlich – schön. Und aufregend. Und manche Aufregung haut uns von den Socken, stürzt uns in schwarze Wolken und jämmerliche Gefühle. Mit Moni Ports Buch kann man lernen, das zu verstehen und damit ein bisschen umzugehen. Nicht immer hilft das, was einem immer geholfen hat. Manchmal braucht man einen anderen Zipfel, an dem man sich aus der Traurigkeit zieht. Oft genug braucht es das Kuscheln mit Anderen, die einem das so wichtige Gefühl geben, dass man nicht trostlos und allein ist.
Vielleicht brauchen sogar ganz viele Leute so ein Buch, die vergessen haben, dass Trost etwas ganz Wichtiges ist im Leben. Trost, den man bekommt. Und Trost, den man gibt. Wahrscheinlich wird sogar Opa hinschmelzen, wenn er auf einmal so ein Buch bekommt. Und erst guckt und die Stirn runzelt. Und dann beim Blättern merkt, dass er das auch vergessen hat, wie das ist, wenn einen einfach mal jemand in den Arm nimmt.
Moni Port „Mein tröstliches Buch“, Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2024, 16 Euro
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