Um die Lebendigkeit der Welt überhaupt zu erfahren, müssen Kinder sie auch erleben können – da, wo es wächst, krabbelt, blüht und Früchte trägt. Am besten im eigenen Garten. Mit Gießkanne, Schaufel und Erde an den Fingern. Darum geht es in diesem Buch, mit dem Annette Holländer erklärt und erzählt, was man alles wissen und lernen kann, wenn man sich einen Garten anlegt. Und zwar nachhaltig, ohne Chemie. Da gibt es eine ganze Menge zu lernen und zu staunen.
Nicht nur für Kinder. Die werden sich vielleicht gar nicht systematisch durch das Buch arbeiten, weil es ihnen natürlich in den Fingen kribbelt. Sie wollen loslegen. Das kennt man doch. Deswegen ist dieses Buch eigentlich eher für die Größeren und Großen gedacht.
Immerhin weiß Annette Holländer, wie es geht, das ganze bunte Wissen um einen Garten an Kinder zu vermitteln. Sie bewirtschaftet nicht nur einen eigenen Garten zur Selbstversorgung, sondern organisiert auch Umweltbildung für Schulklassen.
Denn bevor man einen Garten gestaltet, braucht man das grundlegende Wissen über die Zusammenhänge in der Natur, um das Leben im Boden und die Rolle all der Lebewesen im Boden, die erst dafür sorgen, dass er nahrhafte Pflanzen hervorbringt. Und wer Kinder kennt, weiß, wie fasziniert sie sind, wenn man ihnen das Krabbelgetier in der fetten Krume zeigt.
Auch die Regenwürmer, von denen es 40 verschiedene Arten gibt. Das weiß man ja als landläufiger Stadtbewohner gar nicht. Man schaut viel zu selten hin. Auch weil es viel zu selten etwas zu schauen gibt, weil noch immer die Mähkommandos der Immobilienverwaltungen über die gleichförmigen Rasen fahren und dafür sorgen, dass von lebendiger Natur keine Rede sein kann.
Der größte Schatz: ein lebendiger Boden
Und wo noch welche ist, legen die Eigentümer Tiefgaragen, Parkplätze und Steingärten an. Als würden sie die lebendige Natur abgrundtief hassen. Oder nicht verstehen, wie sehr wir als Menschen auf die lebendige Welt um uns herum angewiesen sind. Dort wächst unsere Nahrung, auch wenn manche Leute glauben, die kommt aus dem Supermarkt.
Kommt natürlich auch so manches – aber es ist selten wirklich noch nahrhaft und geschmackvoll, weil es überzüchtet ist. Kein Vergleich mit den leckeren Knollen und Beeren aus dem eigenen Garten.
Den man mit Annette Holländer lernt, selbst anzulegen. Rücksichtsvoll zuallererst auf den wertvollen Boden, den Humus, ohne den es keine reiche Ernte gibt. Weshalb zur Grundübung als angehender kleiner Gärtner gehört, zu lernen, welche Rolle Wasser (und große Regentonnen), Licht, Wärme und ein ordentlicher Kompost spielen.
Und was Würmer und Käfer, Bienen, Schnecken, Asseln und Ameisen im Garten für eine Rolle spielen. Tierchen, die ja manch radikaler Zeitgenosse nur zu gern vertreibt und vernichtet, weil er keine Ahnung hat davon, wie alles in der lebendigen Natur aufeinander angewiesen ist. Jedes Tierchen spielt darin eine Rolle.
Und zu „Schädlingen“ werden einige Tiere nur deklariert, weil man sich nicht um ihre Bedürfnisse kümmert, blind drauflos pflanzt und keine Ahnung hat, dass „Schädlingsbefall“ nur etwas davon erzählt, was man beim Gartenanlegen falsch gemacht und was man nicht berücksichtigt hat.
Eine Wissenschaft für sich, möchte man fast meinen.
Aber eigentlich gar nicht. Frühere Generationen wussten all das. Das war die Erfahrung aus Jahrhunderten, die erst durch das radikale Chemie-Denken der Moderne zerstört wurde. Wir können es alles wieder lernen. Und dabei auch die Achtsamkeit lernen für alles Lebendige. Auch für die Standortbedürfnisse all der Gemüse, die Holländer in diesem Buch vorstellt.
Alles mit praktischer Anleitung, wann man die Setzlinge hinausbringt ins Beet, welche Pflanzen man mit welchen anderen prima vergesellschaften kann, wie man so pflanzt, dass einige hungrige Gartenbewohner gar nicht erst dazu animiert werden, sich in Scharen auf ein leckeres Beet zu stürzen.
Auch Exoten im Garten
Natürlich erzählt sie auch, warum etliche unserer heute beliebten Gartengemüse erst spät hinaus dürfen ins Freie und meist erst einmal in der warmen Wohnung und im Frühbeet oder Gewächshaus herangezogen werden müssen, bevor sie hinaus dürfen. Denn viele unserer Gartenlieblinge stammen aus tropischen Breiten und kamen erst mit der Kolonialisierung zu uns.
Aber verzichten mag man ja nicht so gern auf Tomaten, Paprika, Kartoffeln und Kürbisse. Also lernt man sie zu pflegen und ihnen ein sonniges Plätzchen zu sichern.
Da Annette Holländer die Leserinnen und Leser direkt anspricht, ist ihr Buch wie ein kluger Begleiter für die Kinder, der ihnen alles genau erklärt. Auch das mit der Bestäubung und Vermehrung der Pflanzen. Und die Hege und Pflege der Beete, bis die Früchte so weit sind, dass man sie ernten kann.
Wobei das Faszinosum Leben ja schon damit beginnt, wenn man in Töpfen und Pflanzschalen aus den Samen die ersten Setzlinge zieht, also regelrecht zugucken kann, wie sich der grüne Keimling aus der Erde rankt, zum Pflänzchen wird. Das immer neue Wunder der Natur, das man sich so selbst in den Alltag holen kann. Auch dann, wenn man keinen Garten hat. Holländer erzählt eben auch, was zum Beispiel auf dem Balkon alles möglich ist.
Aber natürlich ist ein richtiger Garten, in dem man ganz viele ganz verschiedene Pflanzen unterbringen kann, noch viel aufregender. Und er ist natürlich noch viel lehrreicher, wenn man – als kleines oder großes Kind – die Zusammenhänge des Lebens verstehen möchte. Weshalb Annette Holländer eben auch den Klimawandel nicht auslässt und was Wetter und Klima dabei unterscheidet.
Und warum Pflanzen überhaupt so eine elementare Rolle für uns spielen und wir unsere Lebensgrundlagen zerstören, wenn wir immer mehr Boden zubetonieren und Pflanzen verdrängen.
Lernen von der Natur
In so einem Garten, wie er hier in diesem Buch mit sehr viel Rücksicht auf alles, was da krabbelt und wächst, angelegt wird, lernt man im Grunde das Grundlegende über die Lebendigkeit unserer Welt. Und es liegt wohl nahe, dass all die Leute, die heute immer noch an einem die lebendige Welt zerstörenden Denken festhalten, all das nie begriffen und schon gar nicht als Kind erlebt haben.
Denn die heute grassierende Weltzerstörung erzählt von einer eklatanten Ferne zum Lebendigen. Natürlich erzählt Holländer auch, wie man Beete ohne zerstörerische Chemie düngen kann, wie man selbst richtig fruchtbaren Humus herstellt und wie man den wertvollen Boden vor allem schützt durch Mulchen.
Ihr Appell an die jungen Leser ist eigentlich ganz einfach: „Du kannst von der Natur lernen, wie fruchtbare Erde entsteht, und es ihr abschauen und nachmachen.“
Das ist die Haltung, die so viele in einem völlig verpeilten Bildungssystem verlernt haben: Offen zu sein dafür, immer wieder Neues zu lernen – direkt von der Natur, die uns umgibt. Uns nicht als Herren der Welt zu begreifen, sondern immer als Lernende. Eine sehr spannende und erfüllende Haltung. Und man lernt nie aus.
Das werden auch die großen Leute merken, die sich durch das Buch blättern. Oder die dann doch lieber zu diesem Buch greifen, wenn sie den Kleinen eine dieser herrlichen Kinderfragen beantworten müssen, die garantiert auftauchen, wenn man wirklich gemeinsam im Garten zugange ist: Warum? Wieso? Weshalb?
Oder wenn sie einfach verzweifelt sind, weil ihre so gut behüteten Pflänzchen auf einmal verdorren oder mickern und ganz offensichtlich etwas falsch läuft. Aber was? Da kann man zum kleinen Naturdetektiv werden. Aber das Buch steckt auch voller kluger Antworten und Ratschläge, die man beherzigen kann.
Und auf die man immer wieder zurückgreifen kann, wenn man mit den Kleinen einen Garten zum Wachsen bringt, in dem genau das wächst, was Kinder wirklich gern essen.
Annette Holländer „Schau mal, was da wächst“ Oekom Verlag, München 2024, 21 Euro.
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