Ohne Werbung verkauft man keine Bücher. Das Phänomen begleitet den deutschen Buchhandel von Anfang an. Denn wenn die potenziellen Leser und Leserinnen nicht erfahren, dass ein bestimmter Titel auf dem Markt ist, suchen sie auch nicht danach. Oder fragen ihren Buchhändler danach. Bücher waren das erste Produkt in Deutschland, das nicht nur für den lokalen Markt produziert wurde. Und so stehen Buchhändler auch im Verdacht, als erste die Sache mit der Werbung erfunden zu haben.

Ein Verdacht, den die Historikerin und Buchwissenschaftlerin Marie-Kristin Hauke in diesem vierten Band aus der „Buchgeschichte(n)“-Reihe des Lehmstedt Verlags auch nicht wirklich entkräftet. Ein Buch, das als Dissertation an der Uni Erlangen seinen Anfang nahm, zuvor nur als Online-Publikation vorlag, aber augenscheinlich von der Forschung nicht wirklich ernst genommen wurde. Da gilt wohl nach wie vor, dass nur gilt, was schwarz auf weiß gedruckt ist.

Und das ist es nun, angereichert mit vielen farbigen Reproduktionen der Werbemittel, mit denen Buchhändler und Verleger insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert versuchten, ihre Buchbestände ans lesende Publikum zu bekommen. Und sie ließen sich dafür eine Menge einfallen: Kataloge, Anzeigen, Widmungen, Huldigungen, Rezensionen und Selbstrezensionen. Aber selbst die Gestaltung eines Buches ist voller werbender Elemente, was einem als Leser oft gar nicht mehr auffällt.

Ein Markt im Umbruch

Wir haben uns schon so daran gewöhnt, dass Einbände, Titelblätter mit Titel, Autor, Verlag und Erscheinungsjahr, Vorworte, Widmungen und Nachworte zu guten Büchern gehören. Dass es aber diese Elemente in dieser Form in der Frühzeit des Buchdrucks gar nicht gab, macht einem Haukes Ausflug in die Buchgeschichte geradezu sinnfällig.

Auch weil man mit ihr in die Gedankenwelten der Buchhändler eintaucht, die sich in den im Band beleuchteten 200 Jahren intensiv den Kopf darüber zerbrachen, wie sie das Lesegut Buch ans Publikum bekommen, Aufmerksamkeit dafür schaffen könnten.

Dass Hauke sich ausgerechnet das 17. und 18. Jahrhundert vorgenommen hat, hat auch damit zu tun, dass sich der Buchmarkt in dieser Zeit zunehmend kommerzialisierte. Es wurden mehr Titel produziert, mehr Verleger/Buchhändler waren aktiv und damit entstand ein zunehmender Konkurrenzdruck. Auch durch neue Formen des Buchvertriebs, weg vom lange Zeit üblichen Tauschhandel, hin zum Nettohandel.

Und parallel dazu erlebte das Buch auch eine völlig neue Aufmerksamkeit, denn es war das zentrale Medium der Aufklärung – noch bevor Zeitungen und Zeitschriften zum Träger neuer Gedanken wurden. Was Hauke natürlich auch beleuchtet, denn die neuen Publikumszeitschriften, die vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, waren dann sogleich auch wieder ein idealer Werbeträger für Buchwerbung.

Man stellt sich diese beiden Jahrhunderte gern als geruhsam vor, nicht so hektisch wie unser Zeitalter. Aber ein wirklich ruhiges Leben dürften die damaligen Buchhändler nicht gehabt haben. Schon gar nicht während der beiden großen Messen in Leipzig und Frankfurt, wo sie ihre großen Buchgeschäfte machten, bevor auch der Buchhandel zu einem ganzjährigen Phänomen wurde. Die Messkataloge zu den Buchmessen waren eines der wichtigsten Mittel, dem lesenden Publikum eine Übersicht über die neuesten Titel zu verschaffen.

Ein völlig neues Publikum

Und mit einem gewissen Stolz kann Hauke darauf verweisen, dass die Legende, die meisten dieser alten Kataloge wären im Bombenhagel des 2. Weltkriegs verbrannt, so nicht stimmt. Im Anhang zu diesem Buch listet sie 1.295 buchhändlerische Kataloge auf, die sie in deutschen Bibliotheken auffinden konnte.

Ein Konvolut, das ihr auch ermöglicht, die Funktion und Erscheinungsweise dieser Kataloge genauer zu beleuchten, die lange Zeit zum Standard im Geschäftsleben der Buchhändler gehörten, jahrzehntelang ein Werbemittel waren, das auch von den Lesern gern abgenommen wurde. Denn mit dem Katalog wussten die Interessierten, was sie bei ihrem Buchhändler bestellen konnten.

Aber auch die Kataloge zeigen, wie sich das Leseverhalten insbesondere im 18. Jahrhundert dramatisch veränderte. Bis dahin war das Buch vor allem eine Ware für ein gelehrtes Publikum. Ganze Listen bestanden nur aus lateinisch verfasster Literatur. Das Buch war noch lange kein Mittel der Unterhaltung. Das wurde es erst im 18. Jahrhundert – auch im Gefolge der Aufklärung.

Denn mit einem wachsenden Lesepublikum wuchsen auch die Interessen jenseits der klassischen Universitätsfakultäten. Während das Interesse für die lange Zeit dominierende theologische Literatur rapide schwand. Es entstanden Lesezirkel und Bibliotheken. Denn nach wie vor war das Buch ein ziemlich teures Luxusgut, das sich nicht viele Leute leisten konnten.

Aber man wollte lesen, worüber in der Gesellschaft diskutiert wurde. Und man wollte auch nicht mehr nur die trockenen Schriften von allerlei Professoren lesen, die auf Unterhaltung und guten Stil ganz bestimmt keinen Wert legten. Die Blüte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert hängt aufs engste mit den Veränderungen im Buchhandel zusammen. Es entstanden neue literarische Strömungen und Autoren machten sich einen Namen, wie es so schön heißt – Namen, die selber wieder Werbewirkung entfalteten.

Trommeln gehört zum Handwerk

Die Autoren waren von Anfang an mit eingebunden in das System der Werbung für das Buch. Auch das beleuchtet Hauke und man lernt Friedrich Schiller, Gottfried August Bürger oder Friedrich Gottlieb Klopstock auch einmal als Werbefachmann in eigener Sache kennen. Aber auch das in einer völlig anderen Form, als man es von heutigen Bestseller-Autoren kennt. Denn sie profitierten davon, dass das Zeitalter der Aufklärung vor allem ein Zeitalter der großen Netzwerke war, des regen brieflichen Austauschs mit Gleichgesinnten, die man auch gleich mal als Multiplikatoren für das eigene Buchprojekt einspannen konnte.

Was nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein musste, wie Klopstock mit seiner „Gelehrtenrepublik“ erfuhr. Denn wenn das beworbene Produkt die Leser enttäuscht, kann auch so ein Subskriptionssystem gewaltig in die Hose gehen. Ein Thema, das Hauke auch streift, denn der Buchmarkt wurde auch im 18. Jahrhundert mit Ware geschwemmt, bei der sich die Verleger verkalkuliert hatten, die niemanden wirklich interessierte.

Oder die einfach davon erzählte, dass ein Buch irgendwie schnell für den Markt zusammengestoppelt worden war, aber eigentlich von niemandem gebraucht wurde. Da wurde dann schon mal getrickst mit neuen Titelblättern und neues Jahresangaben, um die Ware (“Ganz neu!”) doch noch an den Mann zu bekommen.

Aber ganz ohne Werbung ging es nicht. Erst recht nicht, als die Publikumszeitschriften das lesende Publikum in ihren Bann schlugen, Zeitschriften, die oft zum wichtigsten Informationsmedium über neue Bücher wurden. Hier waren nicht nur – die teils sehr textlastigen – Anzeigen der Buchhändler platziert, hier wurde auch das Genre der Buchrezension gepflegt. Ein Genre, das aber auch an seine Grenzen kam, als die Buchproduktion einfach die Grenzen des Rezensierbaren sprengten.

Werbung wirkt (nicht immer)

Und einige der beigefügten Bilder machen auch deutlicher, warum man eben nicht – wie heute – in die nächste Buchhandlung spazieren und sich aus den ausgestellte Bücher einfach das Schönste heraussuchen konnte. Denn dieses Ausstellen und Bereithalten der – schön – gebundenen Bücher kam erst im frühen 19. Jahrhundert auf. Paris und London waren die Vorreiter.

In deutschen Buchhandlungen des 18. Jahrhundert lagen die Bücher für gewöhnlich ungebunden in den Regalen – so, wie sie die Buchhändler von der Messe mitgebracht hatten. Es war der Käufer, der das Buch dann meist zum Buchbinder brachte und für sich einbinden ließ. Weshalb Marie-Kristin Hauke auch noch nichts über die Werbewirksamkeit von Bucheinbänden schreiben kann, auch wenn die Verleger ihre „Buchpakete“ und Kataloge durchaus auch schon in Papier wickeln ließen, das sie ebenfalls als Werbemedium nutzten.

Wie all diese mal mehr, mal weniger aufdringlichen Werbeformen wirkten, beleuchtet Hauke mit einigen markanten (und wahrscheinlich auch sehr zugespitzten) zeitgenössischen Zitaten. Denn für die einen war der marktschreierische Ton, den einige Buchhändler anschlugen, um in einem zusehends umkämpften Markt (von dem auch das Titelbild erzählt) ihre Ware ans Volk zu bringen, geradezu grenzüberschreitend und nervend. Andere verzweifelten darüber, dass alle ihre Werbebemühungen nicht den erhofften Erfolg hatten.

Auch das ist ja wie heute. Nur kam im Zeitalter der Aufklärung auch noch die Angst der Herrschenden hinzu, dass ihr Volk anstößige oder gar rebellische Schriften in die Hände bekommen könnte. Und so gibt es auch ein ausführliches Kapitel zur Rolle der Zensur – freilich insbesondere bei der Verhinderung von Werbung und buchhändlerischem Erfolg.

Das vergisst man so gern, wenn heute aus unbelesener Position über die negativen Folgen der Aufklärung geredet wird, dass Aufklärung immer ein auf Kommunikation und Öffentlichkeit angewiesener Prozess war und verbissene Könige in Bayern oder Preußen das Mittel der Zensur nur zu gern nutzten, um „gefährliche“ Literatur möglichst schon vor Erscheinen unsichtbar zu machen und widerborstigen Verlegern – wie Nikolai in Berlin – das Leben und das Büchermachen zu verleiden.

Suchen und finden

Wobei es nicht nur diese beiden autoritär regierten Länder waren, die ihren Buchhändlern mit Zensurverordnungen das Leben schwer machten. Auch in der seligen Bücherstadt Leipzig und in Sachsen überhaupt wurde fleißig zensiert, wenn auch meist etwas liberaler als in anderen Kleinstaaten. Dass sich einige hochtitulierte Herren geradezu danach drängten, alles zensieren zu dürfen, was gedruckt im Lande erschien, gehört zur Geschichte.

Auch das kommt einem vertraut vor, obgleich wir heute keine Zensur mehr haben. Aber Leute, die gern zensieren wollen, eine ganze Menge.

Man erfährt also mit Marie-Kristin Hauke ziemlich umfassend – und überhaupt erstmals so umfassend -, wie sich die Werbung für das Buch im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte und damit auch zum Werbevorbild für andere Branchen wurde, die später vor ähnlichen Vertriebsproblemen standen, wie sie für die Buchhändler von Anfang an (sogar in der Antike) normal waren. Man erkennt vieles wieder, was auch heute noch zum festen Werberepertoire großer und kleiner Verlage gehört.

Und man sieht sich Kapitel um Kapitel daran erinnert, wie elementar Werbung tatsächlich ist für ein Medium, bei dem sich Buch und Leser überhaupt erst einmal finden müssen. Denn wo steckt denn nun der Titel, den ich unbedingt einmal lesen wollte? Wo veröffentlicht denn mein Lieblingsautor? Welche Bücher würden mich brennend interessieren, wenn ich nur erfahren würde, dass es sie überhaupt gibt?

Und so bleibt den Verlegern nach wie vor die oft gar nicht billige Aufgabe, für ihre Buchproduktion auch gehörig die Trommel zu rühren und vor allem die richtigen Werbekanäle zu finden. Denn noch tragischer ist ja, wenn die Werbung an falscher Stelle völlig verpufft und das so liebevoll gemachte Buch einfach keine Öffentlichkeit bekommt.

Und dieser Werbemarkt ist ganz offensichtlich heute noch immer genauso unberechenbar wie zu Zeiten der Herren Bertuch, Cotta und Weidmann.

Marie-Kristin Hauke „In allen guten Buchhandlungen ist zu haben …“ Lehmstedt Verlag, Leipzig 2023, 68 Euro.

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