Warum zerstört der Mensch seine Lebensgrundlagen? Und kann – obwohl er es weiß – einfach nicht damit aufhören? Ist der Mensch von Natur aus ein zerstörerisches Wesen? Oder hat er irgendwo in seiner Geschichte die falsche Abzweigung genommen? Das sind im Grunde die Fragen, mit denen sich der Kulturgeograf und Alpenforscher Werner Bätzing in diesem Riesenessay beschäftigt. Bei dem er vor allem eins macht: Er schaut sich das menschliche Dilemma einmal von außen an.
Denn die meisten Historiker machen den grundlegenden Fehler, dass sie sich die menschliche Geschichte vom Ende her erklären. Also von dem Punkt, an dem sie selbst sich gerade befinden. Dann sieht Geschichte immer logisch aus. Sie musste ja an diesen Punkt führen. Was dann zum Zirkelschluss führt: Die aktuelle Gesellschaft ist das gesetzmäßige Ergebnis einer logischen Geschichte. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung. Und Geschichte ist ein einziger Prozess zu immer höheren Höhen.
Falscher geht’s nimmer.
Aber das ist die übliche Geschichtserzählung. Bei der man dann gar nicht merkt, was alles weggelassen wurde, wie viele Sackgassen, Katastrophen, Rückschritte und Wiederholungen. Und vor allem stimmt das wichtigste Mantra nicht: Dass dem Menschen der Platz an der Spitze der Evolution gehört. Nichts ist leichter, als diesen Platz zu verlieren und eine vom den vielen ausgestorbenen Arten zu werden, die es leider, leider nicht geschafft haben.
Wir sind gerade dabei.
Denn was wir zerstören, ist weder die Erde noch die Natur. Die werden auch ohne Menschen allerbestens klarkommen. Wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen. Und das vor allem, weil wir an einer entscheidenden Stelle unserer Geschichte aufgehört haben, uns als Teil der belebten Natur zu begreifen und uns um den Erhalt unserer natürlichen Lebensbedingungen zu kümmern.
Eine Tierart ohne eigenen Lebensraum
Und Bätzing kann recht genau einkreisen, wann das passiert ist. Und warum. Und warum das eine Menge mit unserem fragilen Charakter als vernunftbegabte Spezies zu tun hat. Und dazu geht er zurück in die Räume der Entstehung des vernunftbegabten Affen, der wir sind. Doch irgendwann vor 8 Millionen Jahren landeten unsere tierischen Vorfahren in einer Grauzone, einem Lebensraum, an den sie nicht angepasst waren.
Während unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, in den Wäldern blieben, an die sie bestens angepasst waren, muss es damals eine radikale Veränderung im Lebensraum unserer Vorfahren gegeben haben, ein trockener werdendes Klima, bei dem sich große Teile der afrikanischen Wälder in Savannen verwandelten.
Und auf einmal steckten unsere Vorfahren in einer Landschaft, in die sie eigentlich nicht gehörten. Und in der sie völlig neue Strategien entwickeln mussten, um darin zu überleben. Und sie steckten, wie Bätzing schreibt, ziemlich lange in dieser Übergangszone.
Wo sich der aufrechte Gang herausbildete und die menschliche Hand und irgendwann auch dieses zunehmend komplexere Gehirn, das diese im Randbereich gelandeten Kreaturen brauchten, um mit den Herausforderungen eines Lebensraumes fertig zu werden, an den sie nicht angepasst waren.
Und noch etwas kam hinzu, stellt Bätzing fest: das ausgeprägte Sozialverhalten dieser im Randbereich gestrandeten Affen. Denn nur in der Gruppe konnten sie überleben und sich gegen die durchaus verfressenen Räuber in der Savanne behaupten. Nicht alles ist archäologisch nachweisbar. Das gibt auch Bätzing zu. Aber es gibt genug Indizien – auch in unserer heutigen Körperlichkeit –, die darauf hindeuten, dass es ungefähr so gewesen sein muss. Jahrmillionen führten unsere teils noch äffischen Vorfahren so ein prekäres Dasein.
Irgendwann vor 3 Millionen Jahren traten dann die ersten deutlich menschlichen Merkmale auf. Nach und nach zeigen die archäologischen Fundstellen, wie dieses Wesen zunehmend seine Umwelt gestaltete, auch wenn es vor allem zu Waffen und Werkzeugen behauene Steine sind, die man findet. Doch diese Werkzeuge wurden immer filigraner, zeigen, dass ihre Schöpfer dazulernten. Und dass sie vor allem ihr Wissen weitergaben.
Anders als heutige Menschenaffen, die zwar individuell durchaus in der Lage sind, Dinge aus ihrer Umwelt zum Werkzeug zu machen. Aber sie können ihr Wissen nicht weitergeben, es nicht zum Allgemeingut der ganzen Gruppe machen. Doch genau das konnten unsere Vorfahren. Was eben auch bedeutet: Sie konnten abstrahieren, wie es Bätzing durchaus mit Betonung nennt.
Denn die Fähigkeit zur Abstraktion ist unsere Mitgift – im Gutem wie im Schlimmen. Denn ein Wesen, das von der Welt um sich herum abstrahieren kann, kann sie auch formen und verändern und beeinflussen.
Zwei historische Irrtümer
Und das tat der Mensch wohl schon sehr früh – zum Beispiel mit Feuer, mit dem er nicht nur Raubtiere vertrieb, sondern auch seinen Lebensraum veränderte, seinen Bedürfnissen anpasste. Und diese Fähigkeit, die Welt um sich herum zu verändern, sodass er darin überleben konnte, hat der Mensch dann immer mehr forciert. Wobei Bätzing die Geschichte in etwas andere Epochen einteilt, als es die meisten Historiker sonst tun.
Damit wird deutlicher, in welchen Stufen sich der Mensch dabei der Natur entfremdete. Denn fremd blieb ihm die Natur im größten Teil seiner Existenz nicht. Selbst noch vor wenigen Jahrhunderten war ihm seine tiefe Abhängigkeit von einer lebendigen Umwelt bewusst. Die ursprünglichen Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften lebten sogar in enger Verbindung mit der Natur, kannten die darin lebenden und für sie wichtigen Spezies genau und hatten, wie ja u.a. Gräber- und Höhlenfunde zeigen, ein geradezu magisches Verhältnis zur Natur.
Wobei Bätzing gerade an dieser Stelle mit zwei historischen Irrtümern aufräumt, die bis heute die Hirne der Philosophen und Ökonomen vernebeln. Beide in der Zeit der Aufklärung entstanden. Die erste von Thomas Hobbes, der in seinem „Leviathan“ behauptet, der ursprüngliche Naturzustand des Menschen sei ein „Krieg aller gegen alle“ gewesen. Eine These, auf die sich seine bis heute virulente Staatstheorie genauso bezieht wie das neoliberale Denken vom Markt.
Die gegenteilige These formulierte 100 Jahre später Jean-Jacques Rousseau: „Der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben“, schrieb er. Und schrieb die Grausamkeiten der von ihm erlebten Gesellschaft der Kultur zu, der Ungleichheit und der Rücksichtslosigkeit der herrschenden Eliten. Das Privateigentum nicht zu vergessen, denn mit dem ersten abgezäunten Stück Land begann die Teilung der Welt in Habende und Besitzlose.
Die Welt in unseren Köpfen
Doch beide Thesen beantworten die Frage nicht wirklich, wie der Mensch überhaupt dazu kam, Vorstellungen von Macht und Herrschaft, Eigentum und Unterordnung zu entwickeln. Alles Dinge, die es Jahrmillionen lang nicht gab. Oder einmal so formulietr: Auf solche Einfälle musste einer erst mal kommen.
Denn es sind reine Abstrakta. Sie funktionieren nur, weil sie in unseren Köpfen stecken und wir sie für Realien nehmen. Was eben auch heißt: Der Mensch erzieht sich zum Menschen. Er schafft sich seine Kultur, in der eben nicht nur Wissen weitergegeben und geteilt wird, sondern auch Vorstellungen von der Welt gebildet werden. Vorstellungen, die sich schon deutlich änderten, als die ersten Menschen anfingen, Ackerbau zu betreiben und Tiere zu domestizieren. Das ist das Kapitel der „Egalitären Bauerngesellschaften“, die vor einigen Jahrtausenden völlig unabhängig voneinander auf den verschiedensten Erdteilen entstanden.
Bätzings These – die aber durch archäologische Funde gut untermauert ist: Es war gar nicht die Aussicht auf volle Scheunen und ein Leben im Überfluss, die die Menschen zu Bauern machte, sondern es war die Religion, also eine Komponente der menschlichen Kultur, die die ersten Menschen bereit sein ließen, für etwas völlig Neues – nämlich den zentralen Tempel – richtig zu schuften. Aber gemeinsam.
Der Tempel war das neue Zentrum ihrer Welt – und der erste Speicher für landwirtschaftlich erzeugte Produkte.
Der Blick auf die menschliche Gesellschaft ändert sich, wie man sieht, deutlich, wenn man die Entwicklungen nicht vom Ende her betrachtet, sondern aus den Artefakten heraus versucht zu verstehen. Denn was daraus werden würde, konnten die Menschen vor 10.000 Jahren noch nicht wissen.
Auch nicht, welche Folgen es hat, wenn man auf einmal Überschüsse produziert und es einen Ort gibt, wo auf einmal Reichtümer angehäuft werden. Was eben auch bedeutet: Menschen wissen überhaupt nicht, was sie mit ihren Neuerungen bewirken.
Sie wissen auch nicht, wie sich diese Neuerungen verändern im Lauf der Geschichte und aus Tempelpriestern auf einmal Könige werden, aus den Mauern der Tempelbezirke Stadtmauern und aus den ersten Städten Orte, in denen Menschen auf einmal auf das Land außerhalb der bewirtschafteten Agrarfläche schauen und dort nur noch Wildnis und Barbaren sehen.
Fragile Reiche
Bätzing versucht möglichst konkrete archäologische Fundstättenbeschreibungen zu vermeiden. Das Konkrete verstellt oft nur die Sicht. Er versucht, die Befunde zu abstrahieren. Natürlich. Aber nur so wird das Gemeinsame sichtbar, das, was Menschengemeinschaften weltweit passiert ist und was die menschliche Geschichte eigentlich bis in die Neuzeit bestimmte.
Auch wenn es in der Geschichtsschreibung meist wie ein chaotisches Aufkommen neuer Reiche, ihrem Untergang, der Blüte neuer Kulturen und dem Siegeszug der großen Weltreligionen aussieht.
Das ist jene Epoche, die Bätzing unter „Stadtstaaten und Großreiche“ beschreibt, die zwar durchaus schon ihre Umwelt veränderten (man denke nur an die gewaltigen Bauten der Römer), die aber die Umwelt nur erst punktuell zerstörten, sie aber in der Regel kultivierten, weil die kultivierte Natur im Grunde bis vor 150 Jahren das Überleben auch der scheinbar abgesonderten Städte sicherte.
Der mächtig aufgetürmte Staat konnte untergehen. Die Bauerngesellschaften außerhalb der zerfallenden Städte existierten weiter und sicherten das Überleben der Menschen. Und das eben auch, weil sie die Landschaft nicht übernutzten. Denn eine intakte Natur sicherte nun einmal auch den Bauern das Überleben.
Was sie übrigens bis heute zu einer zutiefst konservativen Gesellschaftsgruppe macht, die den Moden, Übermütigkeiten und liberalen Experimenten in den Städten mit größtem Misstrauen begegnet.
Der Glaube an die Kraft der Vernunft
Selbst wenn Bätzing mit Lust und Laune auf der abstrakten Ebene bleibt, merkt man, wie viel Freude es ihm bereitet, unsere durchaus komplizierten menschlichen Gesellschaften derart mit neuem Blick von außen zu betrachten und Dinge zu sehen, die wir in unserem wilden Schnattern auf allen Kanälen einfach übersehen. Eben weil wir mittendrin stecken und sich kaum noch jemand die Mühe macht, dieses wilde menschliche Treiben einmal von außen zu betrachten. Und nach Ursachen zu suchen, die erklären, warum wir so handeln.
Und zu den Ursachen gehört auch das, was Bätzing im Kapitel „Hirtennomadismus und ‚Achsenzeit‘“ betrachtet. Denn hier begegnet man dem zweiten großen Schritt im Denken von „abstrakten Abstrakta“: der Imagination einer Welt im Jenseits. Den ersten taten die Griechen in jener Blütezeit der ersten Demokratie, die aus der Spätsicht wie ein Experiment wirkt in einer Welt, die dafür überhaupt noch nicht reif war, die Vernunft zum Maßstab des Regierens und des persönlichen Verhaltens zu machen.
Das gehört immer wieder zusammen, auch wenn das heute genauso gern vergessen wird.
Die Ethik des Staatswesens hängt direkt zusammen mit der Ethik des sich seiner Vernunft bedienenden Bürgers. Womit man schon merkt, dass das nicht voneinander gelöst werden kann. Dann wird es nämlich gefährlich.
Und Bätzing sieht es auch so: als drei Stufen, in denen vor allem die Europäer begannen, ihr Handeln zunehmend zu abstrahieren und an abstrakten Werten auszurichten. Die einzelnen Stufen sind nach der griechischen Antike die europäische Renaissance und dann die europäische Aufklärung. Die dann endgültig das theoretische Gerüst baute, auf dem dann all das fußte, was im 19. Jahrhundert seinen Siegeszug begann.
Nämlich mit den schon rücksichtslos die natürlichen Ressourcen ausnutzenden Industriegesellschaften, die auch den Blick auf die Natur noch einmal radikal veränderten. Denn war Natur bis dahin das Ungezähmte und Unzähmbare, das den Menschen Grenzen setzte, trat jetzt ein Typ von Macher auf den Plan, der verinnerlicht hatte, dass die Natur nur eine riesige – scheinbar unendliche – Rohstoffquelle wäre, die es auszubeuten gelte.
Die Zerstörung der Natur
Die tatsächliche Zerstörung der Natur begann genau hier – mit den in Europa und den USA entstehenden Industriegesellschaften und dem entfesselten Kapitalismus. Der an dieser Stelle erwähnt werden muss, weil ja unsere feinen Denker von heute gern so tun, als wäre das nur eine Erfindung von Karl Marx gewesen und wir lebten trotz des Dr. Marx in der besten aller Welten. Aber das tun wir nicht. Denn die neue, kapitalgetriebene Gesellschaft, hat ein Grundproblem.
Das ist ihr eingebauter Zwang zum Wachsen. Und zwar zum unendlichen Wachsen. Angetrieben vom größten aller abstrakten Werte: dem Geld. Und zwar nicht dem Geld, das jeder in der Tasche mit sich herumträgt, sondern dem Geld von Morgen und Übermorgen.
Diese Gesellschaft entfaltet ihre gewaltige Wucht dadurch, dass sie immerfort auf Pump an der Zukunft lebt. Nur so entstehen die gigantischen Geldsummen, die die Maschine am Laufen halten. Aber auch die Krisen und die Fragilität dieser Gesellschaft, die um 1970 herum dann endgültig zur Dienstleistungsgesellschaft wurde und sich regelrecht globalisierte.
Das heißt: Heute ist kein einziges Land mehr aus diesem Wahnsinn des entgrenzten Wirtschaftens ausgenommen. Es bestimmt unser Denken und das Handeln unserer Politiker. Und es funktioniert nur, weil wir uns als Menschen daran gewöhnt haben, in Abstrakta zu denken. Und damit die Verbindung zur lebendigen Welt und ein Verständnis für ihren Erhalt verloren haben.
Das reicht bis in unser individuelles Leben, bis in unsere unwirtlichen Städte, wie sie Alexander Mitscherlich genannt hat, die von Städteplanern abstrakt nach Nutzungen konstruiert werden, die sich räumlich alle weit voneinander entfernt befinden. Mit drastischen Folgen für eine umweltzerstörende Mobilität. Obwohl Menschen sich in so einer Stadt gar nicht heimisch fühlen, weil diese Städte selbst das so wichtige soziale Miteinander verunmöglichen.
Zusätzlich zur längst weit aufgerissenen Kluft zwischen Stadt und Land. Und die zunehmenden psychischen Probleme der Stadtbewohner belegen es ja, dass sie darunter leiden, dass alle Zusammenhänge mit einer reichen sozialen Umgebung und einer lebendig erfahrbaren Natur zerrissen sind.
Bätzing beschreibt die Malaise noch viel detailreicher. Was er gerade deshalb kann, weil er die Dinge eben nicht für gegeben hält, sondern für geworden, konstruiert von Menschen, die glaubten, sie könnten die Welt in Abstrakta verwalten, konstruieren und beherrschen.
Wo sind unsere Grenzen?
Was aber ganz offensichtlich auf mehreren Ebenen gerade richtig in die Hose geht – in der Natur genauso wie in der Gesellschaft und der Wirtschaft. Das Fazit ist bekannt: In einer endlichen Welt ist ein entgrenztes Leben und Wirtschaften nicht möglich. Weshalb sich viele frühere Gesellschaften dadurch auszeichneten, dass die Menschen sich selbst Grenzen setzten, Regeln auferlegten und damit Dauerhaftigkeit. So sind auch die Religionen entstanden.
Natürlich fragt Bätzing am Ende nach der „Zukunft der modernen Welt“. Und er versucht auch ein paar Antworten, wissend darum, dass wir in den Zustand früherer, naturverträglicher Gesellschaften nicht wieder zurückkommen. Wir müssen lernen, in unseren heutigen Verhältnissen wieder Grenzen zu setzen. Und das könnte sehr herausfordernd werden, stellt Bätzing gerade in Bezug auf die sichtbare Erfolglosigkeit heutiger Umweltbewegungen fest.
Denn diese können nur innerhalb der Regeln der gerade herrschenden Gesellschaft agieren, also bestenfalls Kosmetik betreiben. Wenn wirtschaftliche und Besitzinteressen tangiert werden, scheitern sie regelmäßig, bekommen eine kleine Spielwiese, wo sie austoben dürfen, ohne am großen Ganzen etwas ändern zu können.
An den wesentlichen Pfeilern einer völlig entgrenzten Wirtschaftsweise, die unsere Lebensgrundlagen zerstört, dürfen sie nicht rütteln. Da bekommen sie es mit der Polizei zu tun.
Die Grenzen der Freiheit
Bätzings Anregungen können nur Einladungen zum Nachdenken sein. Aber sie eröffnen ein Diskussionsfeld, das jetzt überfällig ist. Denn deutlich hat er gezeigt, wie fragil unsere heutige Gesellschaft ist und wie abhängig von Grundlagen, die wir gerade systematisch aushöhlen. Das Stichwort bei Bätzing lautet ganz einfach: „kulturelle Selbstbegrenzung“. Was eigentlich logisch ist. Wenn wir nicht lernen, uns in unserem Handeln selbst zu begrenzen, war’s das.
So schließt sich auch der Kreis dieses großen Essays, denn da der Mensch kein an einen einzigen Lebensraum optimal angepasstes Wesen ist, ist er in der Lage, unbegrenzte Befürfnisse zu entwickeln. „Deshalb ist er in der Lage, seine Lebensgrundlagen, seine Umwelt und sich selbst durch seine Grenzenlosigkeit zu zerstören“, schreibt Bätzing. „Um dauerhaft leben zu können, muss sich der Mensch daher permanent selbst begrenzen.“
Denn die völlige Entgrenzung einer vom unendlichen Wachstum besessenen Gesellschaft sieht nur auf den ersten Blick wie die Verwirklichung der absoluten Freiheit aus. Doch das ist ein Trugschluss. Denn wirkliche Freiheit haben wir Menschen nur da, wo unserer tatsächlichen Bedürfnisse erfüllt werden. Die Verwirklichung von Freiheit in völlig entgrenztem Konsum ist eine Fiktion, eine Fata Morgana. Die unser Dasein am Ende in Bergen von Müll erstickt und uns eine völlig ausgeplünderte Erde hinterlässt.
Es ist ein Buch, das geradezu lustvoll dazu einlädt, den Blickwinkel zu verändern und auf unser Gewordensein als Mensch einmal mit Distanz zu schauen. Und mit Aufmerksamkeit für die Dinge, die wir durchaus einmal klug gelöst haben, bevor wir begannen, über die lebendige Welt nur noch in fleischlosen Abstrakta zu denken.
Werner Bätzing „Homo Destructor. Eine Mensch-Umwelt-Geschichte“, C.H. Beck, München 2023, 32 Euro.
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