Was ist eigentlich Geld? Eine schรถne Fiktion, wie alle wissen, die immer wieder vor einem leeren Sparschwein sitzen. Eine Fata Morgana, eine Illusion. Und nichts, was man essen kann. Aber man kรถnnte sich was zu Essen davon kaufen, wenn manโ€™s hรคtte. In diesem Bรผchlein geht Alexander Rudow auf die Reise in die nicht einmal 3.000 Jahre alte Geschichte des Geldes. Zumindest der nachweisbaren.

Denn Geld ist eine vergรคngliche Sache. Zumindest, wenn es nicht als harte Mรผnze aus Gold, Silber oder Kupfer gestanzt wurde, die Schatzgrรคber so gerne finden, wenn sie in Wald und Dickicht auf die Suche gehen. Museen zeigen die goldenen Denare, Dukaten und Florentiner ja zu gerne in ihren Vitrinen.

Da staunen die Leute, lassen sich vom Goldglanz blenden und verschwenden keinen Gedanken daran, warum Geld eigentlich funktioniert. Und warum Leute รผberhaupt auf die Idee kamen, man kรถnnte ja auch kleine Silberlinge tauschen, wenn man eine neue Kuh haben mรถchte oder hundert Ellen glรคnzender Seide.

Rudow erklรคrt in diesem Bรผchlein, wie es โ€“ wahrscheinlich โ€“ dazu kam. Denn natรผrlich liegt โ€“ weder in der Tรผrkei (wo einst das schรถne Lydien blรผhte), noch in Griechenland oder Rom irgendwo ein Patentbrief im Tresor, mit dem sich ein antiker Schlaukopf die Erfindung des Geldes patentieren lieรŸ. Vielleicht merkten die Leute auch gar nicht, als es so weit war, weil sie sowieso schon vorher allerlei Kerbhรถlzer und Zรคhlsteine entwickelt hatten, mit denen sie ihre Tauschgeschรคfte versuchten handhabbar zu machen.

Am Anfang war der Tausch

Denn am Anfang war der Tausch. Der prรคgte Jahrtausende der menschlichen Geschichte und wurde auch im europรคischen Mittelalter wieder zur รผblichen Art, wie Menschen miteinander handelten. Tausch braucht die kurze Distanz. Er hat seine Blรผtezeit dann, wenn die groรŸen Handelswege (und die groรŸen Reiche) zusammengebrochen sind und die meisten Menschen ihr Fleckchen Erde zeitlebens kaum verlassen.

Dann zahlen sie auch ihre Abgaben an den Grundherrn in Naturalien โ€“ also Eier, Getreide, Vieh, je nachdem, was der gnรคdige Herr so verlangt. Und in Arbeitskraft, genannt Frondienst.

Geld braucht man erst, wenn der รผberregionale Handel wieder floriert, mรคchtige Herrscher ein ordentliches Steuersystem einfรผhren und mehr zu finanzieren ist als eine poplige Ritterburg. Weshalb die Geschichte der Staaten seit dem alten Lydien vor 2.700 Jahren immer auch eine Geschichte des Geldes war. Der schรถnen Moneten, deren Name โ€“ wie man bei Rudow erfรคhrt โ€“ von der mahnenden Gรถttin Juno Moneta stammt.

Was dann gleichzeitig daran erinnert, dass Geld immer etwas mit Schulden zu tun hat. Da muss gemahnt und erinnert werden. Und wurde gemahnt und erinnert, denn Geld funktioniert nur, wenn ein mรคchtiger Landesherr dafรผr einsteht, dass es seinen Wert bekommt und behรคlt. Und Schuldner auch belangt werden kรถnnen. Geld beruht auf Vertrauen.

Weshalb in der Regel alle Versuche, Geld zu privatisieren, in der Geschichte gescheitert sind. Und deshalb sind auf alten Mรผnzen โ€“ zum Glรผck fรผr die Archรคologen โ€“ auch die Herrscher fein abkonterfeit, die das Geld prรคgen lieรŸen. Die Nase auf der Mรผnze garantiert, dass die Mรผnze als regulรคres Zahlungsmittel funktioniert. Auch wenn es nur Heller und Pfennige sind, die heute so verรคchtlich klingen, im Mittelalter aber mal das einzige Geld waren, das normale Dorf- und Stadtbewohner zeitlebens in die Hand bekamen.

Was sie auf dem Markt dafรผr kauften, kostete auch nur Heller und Pfennige. Zumindest sehr lange Zeit.

Denn solche Inflationen und Geldentwertungen, wie sie die Deutschen im 20. Jahrhundert erlebten, waren in der Frรผhzeit โ€“ zumindest bis zur Kipper-und-Wipper-Zeit โ€“ unbekannt. Fรผr Teuerungen sorgten da vor allem Missernten. Spekulieren konnte mit Hellern und Pfennigen niemand, bevor die Cleverles unter den Kaufleuten die Bรถrse erfanden. Von der Alexander Rudow erstaunlicherweise nicht erzรคhlt. Vielleicht schreibt er darรผber ein weiteres Bรผchlein.

Erfinderische Geldmacher

Denn mit dem Geld allein erzรคhlt er ja schon die Geschichte eines erstaunlichen menschlichen Produkts, in dem schlichtweg der Glaube daran, dass der Taler oder die Mark dann vom Hรคndler auch als solche akzeptiert werden, dafรผr sorgte, dass Geld in unserer Gesellschaft so eine groรŸe Rolle zu spielen begann. Und das Spielen und Tricksen mit Geld.

Denn wo man sich Kaufkraft einfach durch das Fรคlschen und Nachmachen der fรผrstlich genehmigten Wรคhrungen erzeugen konnte, blรผhten auch immer die Fรคlscherwerkstรคtten. Das ist bis heute so.

Und es blรผhten auch die Fantasien von Finanzfachleuten aller Art, wie man am fรผrstlichen Monopol bzw. Regal vorbei zusรคtzliches Geld โ€žerschaffenโ€œ kรถnnte. Eine Welt, die sich geradezu auftat, als Aktien erfunden wurden. Auch das ja eigentlich nur bunte Papiere, die ihren Kรคufern einen Geldwert suggerierten, der sich freilich beim nรคchsten Bรถrsencrash in Nichts auflรถsen konnte.

Wobei Rudow auch die schรถne Frage ausspart, was eigentlich in solchen Fรคllen mit dem Geld passiert. Denn irgendwie ist ja die Eigenschaft solcher fiktiven Geld-Werte die, dass sie dann trotzdem nicht verschwunden sind, nur das Konto und den Besitzer gewechselt haben.

Mit dem Ergebnis, dass Billionen-Summen fiktiver Gelder ganz real um den Globus geistern und รถkonomische Kreislรคufe fรผttern oder zerstรถren und Staaten in den Kollaps treiben kรถnnen, wenn nur ein einflussreicher Aktien-Zocker beschlieรŸt, einem Land (man nehme als Beispiel Griechenland) einfach mal die persรถnliche Bonitรคt zu entziehen.

Alles nur Einbildung

Diese Abgrรผnde des Geldes schafft man natรผrlich auch nicht, in so einem Bรผchlein auszuloten. Das braucht viel dickere Bรผcher. Aber Rudow gibt seinen Leserinnen und Lesern zumindest einen ersten Eindruck vom seltsam fiktiven Charakter des Geldes, seinen Wandlungen von kleinen goldenen Mรผnzen hin zur Mรผnzen- und Papiergeldwelt, in der wir aufgewachsen sind.

Und die von einigen Cleverles schon wieder abgeschafft werden soll, weil Plastikkรคrtchen und digitale Wรคhrungen nach ihrer Ansicht das Herumtragen von Mรผnzen und Scheinen ablรถsen sollten. Oder gar neuerliche Erfindungen wie die Bitcoins.

Was zumindest erklรคrlich ist. Denn wenn man glauben kann, dass man mit einem 100-Euro-Schein tatsรคchlich Waren im Wert von 100 Euro kaufen kann, dann muss man auch irgendwie Vertrauen darin haben, dass die Zahlen auf dem digitalen Konto ebenso echte Kaufkraft bedeuten und der Automat an der Kasse das auch akzeptiert.

Denn das ist nach diesem kurzen Ausflug in die Geldgeschichte zumindest klar: Geld ist eine Sache der Vereinbarung und des Vertrauens. Es funktioniert so lange, solange niemand daran herumpfuscht oder gar beginnt, Wetten gegen Banken und Staaten abzuschlieรŸen, wie wir das 2008 so herrlich erlebt haben.

Beschenken wir uns doch

Denn wo sich die kleinen Leute immer (und wohl zu Recht) vor Inflation und Geldentwertung fรผrchten, haben Zocker aller Art ihren SpaรŸ daran, die Geldgrundlage ganzer Staaten zu zerschieรŸen โ€“ und dabei gewaltigen Reibach zu machen. รœbrigens eine Frage, die auch einen schwerkรถpfigen Philosophen wie Martin Heidegger bewegte, mit dessen Satz Rudow sein Bรผchlein beginnt: โ€žWarum ist รผberhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?โ€œ

Was natรผrlich explizit aufs Geld zutrifft. Weshalb Rudow die Frage abwandelt: โ€žWarum ist รผberhaupt Geld? Warum beschenken wir uns nicht?โ€œ

Natรผrlich beschenken wir uns trotzdem. Und wie Tauschhandel funktioniert, wissen wir auch alle. Wir kรถnnen quasi รผber Nacht wieder zum Tauschhandel รผbergehen, wie die Nachkriegszeit im 20. Jahrhundert gezeigt hat. Dann treten ganz schnell wieder Zigaretten, Schuhe und Schinken an die Stelle des Geldes. Und wir lernen unsere Tauschpartner wieder kennen. Und auch den wahren Preis, den sie fรผr ihren Schweineschinken haben wollen.

Ein sehr kurzweiliges, locker erzรคhltes Bรผchlein fรผr alle, die sich noch nie mit dem sehr virtuellen Charakter des Geldes beschรคftigt haben.

Alexander Rudow โ€žGeld-Geschichte(n)โ€œ Buchverlag fรผr die Frau, Leipzig 2023, 6 Euro.

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