Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich in unserer Gesellschaft und auch in der Politik die Verachtung für Menschen festgesetzt hat, die anderen Menschen helfen. Und dass das von so vielen Wählern auch noch goutiert wird, obwohl sie alle wissen, dass sie auf helfende Hände angewiesen sind. Nicht mal erst im Notfall, sondern auch vorher. Sonst funktioniert in diesem Land nämlich nichts mehr. Ein Kinderbuch zeigt jetzt, wer da alles hilft – oft schlecht oder gar nicht bezahlt.
In der Corona-Zeit wurden einige dieser Menschen einmal kurz ins Scheinwerferlicht geholt. Es durfte geklatscht werden. Kurz redete man über „systemrelevante Berufe“. Und dann ging man wieder zum alten, üblichen „Leistungsträger“-Geschwafel über. Womit Leute gemeint sind, die viel Geld verdienen. Aber was leisten sie? Vor allem zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft?
Eine offene Frage. Es könnte aber ein „nichts“ als Antwort kommen.
Es ist aber die Kernfrage unserer Gesellschaft: Wer hält den Laden eigentlich am Laufen? Wer ist da, wenn’s brennt? Wer schlägt sich für unsere Gesundheit die Nächte um die Ohren? Usw.
Es geht immer um Menschen
Und so ist dieses Kinderbuch ein Blick in das, was unsere Gesellschaft in Wirklichkeit noch ein bisschen menschlich macht. Es zeigt jene Menschen, die sich einbringen und aufreiben, weil es ihnen auch ein tiefes Bedürfnis ist, Menschen zu helfen. Denn sonst landet man nicht in Berufen wie Pflegekraft, Feuerwehrmann/-frau, Pychotherapeut/-in, Erzieher/-in oder auch Polizist/-in. Was auch Polizisten oft vergessen, weil sie glauben, sie müssten es verbissenen und freudlosen Innenministern recht machen.
Aber es geht immer um Menschen. Und zwar unterschiedslos. Auch das erzählt dieses Buch, auch wenn es die arrogante Denkweise unserer Gegenwart, Menschen wären unterschiedlich viel wert, nicht gesondert benennt. Aber es schwingt mit, wenn die 25 Menschen und ihre Tätigkeiten hier mit einem kleinen Fragenkatalog vorgestellt werden, zu dem auch Fragen nach dem Schönsten und dem Traurigsten gehören, was den Befragten in ihrer Arbeit passiert ist, nach den Schwierigkeiten und dem Spaß an der Arbeit.
Da haben selbst Müllwerker etwas dazu zu sagen, die – ganz ähnlich wie Feuerwehrleute und Rettungssanitäter – erleben, wie rücksichtslos viele Verkehrsteilnehmer inzwischen geworden sind. Da wird beleidigt, gedrängelt, gemeckert. Manchmal wird die ganze Verachtung der ach so wichtigen „Leistungsträger“ den Müllwerkern gleich vor die Füße gekippt.
Augenscheinlich sorgen auch die PS unter der Motorhaube überzüchteter Autos dafür, dass ihre Besitzer glauben, auf andere Menschen herabschauen zu können; etwas Besseres zu sein. Und so ungemein wichtig, dass alle Menschen, die sie am Wichtigsein behindern, aus dem Weg verschwinden sollen. So wird in diesen Fragen auch sichtbar, warum so ein Buch jetzt überhaupt nötig wurde. Eben weil eine zunehmende Zahl von Menschen angefangen hat, ihre Ellenbogenmentalität auch im Umgang mit den Helferinnen und Helfern auszuleben.
Geld macht nicht glücklich
Dahinter steckt natürlich ein Wohlstandsdenken, eine Haltung nach dem Motto „Ich kann mir alles leisten, ich brauche von niemandem Hilfe.“ Aber auch: „Was geht mich denn diese Gesellschaft an? Oder gar die Probleme der anderen?“
Und da sich solche Haltungen inzwischen auch in Medien und „social media“ gegenseitig bestätigen, bekommen das längst auch Rettungsschwimmer ab, Lehrerinnen, Erzieher in der Kita. Die Menschen, die man sieht, und die dann von gedankenlosen Zeitgenossen verantwortlich gemacht werden für Missstände, unter denen wir alle leiden. Denn dass Neid und Ignoranz derart dominieren, hat auch mit der Philosophie dahinter zu tun, dem Denken einer reichen Schicht, die jeden Euro für Sozialausgaben für pure Verschwendung hält, und ihre Art, die Armen und Malochenden zu betrachten, zum Vorbild für die ganze Gesellschaft gemacht hat.
Und das bekommen dann auch all jene zu spüren, die sich – meist gar nicht bezahlt – helfend einbringen: eine Bergretterin, die im Buch vorgestellt wird, die Mitarbeiter in den Tierheimen, aber auch die Klima-Aktivisten, die den Beratungsresistenten in ihren Autos klarmachen wollen, wie gefährdet unsere Welt inzwischen ist durch den durch unser Verhalten getriebenen Klimawandel.
Rücksichtslosigkeit macht krank
Wer Menschen helfen möchte, taucht heute meist genau an den Stellen auf, an denen Politik und Wirtschaft versagen und sich dann in lauter blöde Sprüche flüchten nach dem Motto, man könne da nichts machen. Wohinter meist die Haltung steckt: „Was gehen uns andere Menschen an?“
Egoismus in politische Phrasen gegossen. Aber keine Solidarität. Aber es gibt eben auch die gar nicht so wenigen, die diese unsolidarische Haltung nicht verstehen können und lieber mit kargen Mitteln da helfen, wo Hilfe dringend gebraucht wird: als Seenot-Retterin, Krankenhaus-Clown, Integrationshelferin oder Flüchtlingshelfer, Mitarbeiter in der Bahnhofsmission oder Beraterin bei der „Nummer gegen Kummer“.
Eine Nummer, die Kinder anrufen können, wenn sie zu Hause Konflikte erleben, die sie selbst nicht lösen können. Aber auch im Gespräch mit dem Kinderpsychotherapeuten wird klar, wie stark der Bedarf an Menschen gewachsen ist, die einfach zuhören, den kleinen Menschen das Gefühl geben, dass ihre Sorgen berechtigt sind und sie dennoch ganze, liebenswerte Menschen sind.
Und auch die größte Helferin von allen kommt ins Bild, weil sie überall da einspringt, wo unsere Gesellschaft sich „gesundgespart“ hat und Eltern dringend Unterstützung brauchen: Oma. Und das Schöne ist: Oma macht das Helfen sogar Spaß. Auch weil sie mit den Enkeln noch einmal jung und verspielt sein darf.
Fragt nach den Kindern!
In jedem der kleinen Porträts (hinter denen eigentlich noch viel mehr befragte Helferinnen und Helfer stecken) wird natürlich nach den Kindern gefragt. Auch das unterlässt unsere Politik viel zu oft, weil die egoistische Rotzlöffelbrigade Kinder und Arme und Behinderte und Ausländer und Kranke und Alte und Schwache verachtet. Zutiefst verachtet.
Diese Typen werden hier zwar nicht erwähnt, aber man spürt ihren eisigen Atem im Nacken, wenn man von den vorgestellten Helferinnen und Helfern auch erfährt, was sie traurig macht, was ihre Arbeit unnötig erschwert … Und dazu gehört auch das Zähe, das Unveränderliche. Denn wenn immer wieder gerade an den Mitteln für die Hilfebedürftigen gespart wird, weil man mit denen keinen Profit machen kann, dann ändert sich ja nichts. Dann füllen sich die Wartelisten für die Psychotherapie weiter, stehen immer mehr Obdachlose am Duschbus an, müssen Lehrerinnen Probleme lösen, die eigentlich nichts in der Schule zu suchen haben usw.
Nicht jeder Beruf, der hier vorgestellt wird, ist tatsächlich ein Beruf. Aber auch diese Mischung zeigt, wie sehr das Menschliche auf Hilfe und Solidarität angewiesen ist. Und dass Solidarität nichts mit Reichtum oder Hautfarbe oder Herkunft zu tun hat. Denn hier geht es um die Seele unserer Gesellschaft. Das, was dieses Land eigentlich aushaltbar macht. Und was immer ein Gegenbild zum radikalisierten Egoismus ist, der derzeit augenscheinlich alle Wahlen gewinnt und sich geriert, als hätte er schon durch seine Schnösel-Existenz die Welt gerettet.
Respekt für die Helferinnen und Helfer
Obwohl der gefeierte Egoismus genau da immer wieder versagt und die Gelder streicht, wo unser Land einmal Herz und Wärme zeigen könnte. Aber lieber wird über die Helfer und Aktivisten hergepöbelt, als wäre selbst das bisschen Anstand vergessen, das Menschen demütig macht und machen sollte – denn verletzlich und gefährdet sind wir alle. Die Helferinnen und Helfer wissen das. Sie haben genug Tragisches erlebt. Manchmal auch Schönes, das sie wieder daran erinnert hat, dass nicht alle Menschen Egoisten sind. Und dass ihr Einsatz manchmal auch belohnt wird – durch ein Dankeschön, Blumen oder ein herzliches Kinderlachen.
Denn Kinder sind noch unverstellt und ehrlich und zeigen ihre Gefühle. Und spielen vor allem nicht immer den rücksichtslosen Macker, dem alle aus dem Weg zu gehen haben, weil er so wichtig ist.
Man blättert sich mit diesen 25 witzig bebilderten Porträts quasi durch die andere Seite unserer Gesellschaft, die so gern verächtlich gemacht wird, wo aber all jene Menschen aktiv sind, die nie vergessen haben, dass alle Menschen Respekt, Zuneigung und Hilfe brauchen. Und dass es Hoffnung nur gibt, weil Menschen einander beistehen und Verantwortung übernehmen. Und zwar nicht nur fürs eigene Konto, sondern für diese Gesellschaft und diese Welt und ihre mögliche Zukunft. Da wird dann auch klar, warum Klima-Aktivisten mit hineingehören. Auch wenn sie jede Menge Aggressivität und juristische Klagen erfahren. Und da taucht dann auch die wichtige Aussage auf: „Es hat einen tiefen Sinn.“
Darum geht es in allen 25 Porträts, die auch den jungen Buchbetrachtern zeigen, dass der Sinn unseres Lebens im zutiefst Menschlichen liegt. Da, wo wir einander beistehen und uns einbringen. Und eben auch wahrnehmen, was all die meist bescheidenen Helferinnen und Helfer jeden Tag leisten, damit es für uns alle weitergeht.
Rike Drust, Horst Klein „Alle helfen. 25 Berufe, die die Welt besser machen“, Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2023, 18 Euro.
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