Es ist die Gedankenlosigkeit der Menschen, die unsere Welt zerstรถrt. Jeder glaubt nur, sein Beitrag zur Belastung der Welt spiele keine Rolle. Sollen doch die anderen erst mal ran โ€ฆ Oder der Staat. Doch diese Gedankenlosigkeit multipliziert sich. Und wird zu einer Last, die das Leben auf der Erde systematisch zerstรถrt. Auch mit Licht, wie Lukas Schuler und Kurt Wirth in ihrem Buch zeigen.

Es ist auch ein Ratgeber. Vielleicht das zuallererst: Es ist ein Ratgeber fรผr alle, die wissen wollen, wie sie das Licht in ihrem eigenen Lebensbereich dimmen und mindern kรถnnen. Und sie erfahren auch, was das viele kรผnstliche Licht in der Nacht eigentlich anrichtet.

Man schaltet es doch nur zur Sicherheit an, damit man alles gut รผberblicken kann, oder?

Doch meist geschieht das vรถllig gedankenlos. Bis hin zu den Autoscheinwerfern, welche die Konzerne heute in die Fahrzeuge einbauen โ€“ viel zu grell und zu hell, so dass sie den Gegenverkehr und die FuรŸgรคnger blenden, statt einfach nur die StraรŸe zu beleuchten. รœberall ist es des Grellen zu viel. Bei AuรŸenbeleuchtungen an Eigenheimen, bei รผberstrahlten Alleen, Plรคtzen, Gassen.

Von Licht รผberflutete Kontinente

Lรคngst sind die Aufnahmen aus dem Weltall bekannt, die die Erde als Lichterteppich zeigen. Ballungsrรคume und GroรŸstรคdte sind als glรผhendes Netz zu sehen. Nicht nur die Rheinebene, Hamburg und Berlin. Auch Leipzig leuchtet mit grellem Strahl ins Weltall. Links oben auch noch ein extra helles โ€žLรคmpchenโ€œ: der nรคchtlich erleuchtete Flughafen, von dem im Minutentakt die Frachtflieger abheben.

Und das hat Folgen. Die ersten, deren Arbeit dadurch beeintrรคchtigt war, waren die Astronomen. Fรผr sie bedeutete das Zuschalten von immer mehr Licht auf der Erdoberflรคche, dass ihnen Aufnahmen von Planeten, Kometen und Sternen unmรถglich gemacht wurden. Sie waren es, die das Wort Lichtverschmutzung prรคgten, denn das von der Erde abgestrahlte und von Wolken reflektierte Licht machte ihre Aufnahmen unbrauchbar.

Aber lรคngst haben auch Biologen und Gesundheitsforscher Alarm geschlagen. Denn das viele Licht sorgt auch dafรผr, dass der Biorhythmus von Tieren, Pflanzen und Menschen nicht nur gestรถrt wird โ€“ sondern teilweise auch zerstรถrt. Lรคngst gibt es genug Belege dafรผr, dass auch das viel zu viele Licht dazu beitrรคgt, dass das Insektensterben in den vergangenen 30 Jahren so massiv zugenommen hat. Bestรคuberinsekten geraten vรถllig aus ihrem Rhythmus, Larven schlรผpfen zum falschen Zeitpunkt, Millionen Insekten sterben an grellen Leuchten.

Oder sind lรคngst gestorben, denn รคltere Autofahrer wissen noch, wie heftig die Menge der Insekten abgenommen hat. Sie kennen noch die Zeiten, als sie nach ihren Fahrten Scheinwerfer und Windschutzscheiben von hunderten Insekten reinigen mussten, die bei der Fahrt dagegen geprallt waren. Ein Effekt, den es praktisch nicht mehr gibt.

Aber auch Sรคugetiere und Vรถgel geraten aus ihrem Takt. Vรถgel kommen vom Kurs ab, landen in der falschen รœberzeugung, es mit spiegelnden Gewรคssern zu tun zu haben.

Gestรถrter Schlaf

Aber Schuler und Wirth schildern auch, was mit dem menschlichen Schlaf- und Wachrhyhtmus passiert, seit wir mit kรผnstlichem Licht die Nacht zum Tag gemacht haben und vรถllig aus unseren natรผrlichen Biorhythmen geraten. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen Schlafstรถrungen haben, wenn sie bis kurz vorm Schlafengehen auf grelle Bildschirme starren und viel zu viel Licht in der Wohnung haben, sodass der Kรถrper die nรถtigen Signale, zur Ruhe zu kommen, nicht empfรคngt.

Die beiden Autoren erklรคren natรผrlich auch, warum das so ist und wie unser Kรถrper an den natรผrlichen Rhythmus der Jahreszeiten und von Tag und Nacht angepasst ist, wie unsere Kรถrperaktivitรคten direkt mit dem Tageslauf der Sonne gekoppelt sind. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Menschheit begonnen hat, diesen natรผrlichen Rhyhtmus zu verlassen und die Nรคchte mit kรผnstlichem Licht zum Tag zu machen. Fรผr junge Menschen durchaus verkraftbar.

ร„ltere merken ziemlich bald, wie ihr Kรถrper schlapp macht, wenn er dauerhaft aus seinem nartรผrlichen Verhalten gedrรคngt wird. Denn die direkte Folge sind Erschรถpfungszustรคnde. Man kann sich nicht mehr regenerieren. Und der รผbermรผdete Kรถrper wird anfรคlliger fรผr eine ganze Reihe von Krankheiten.

Gesetzgeber wissen das eigentlich und haben in Deutschland, ร–sterreich und der Schweiz schon lange Gesetze erlassen, welche die Nachtruhe schรผtzen sollen โ€“ gegen Lรคrm aller Art genauso wie gegen รผbermรครŸiges Licht und stรถrende Leuchtwerbung. Die es trotzdem noch im รœbermaรŸ gibt. Und auch deshalb immer mehr gibt, weil Leuchtmittel im Lauf der Zeit immer billiger geworden sind und mit den stromsparenden LED-Leuchten sogar noch mehr Leuchtkraft mit weniger Strom erzeugt werden kann.

Und das wird dann von etlichen Zeitgenossen auch gedankenlos so installiert. Auch an sie wendet sich das Buch eigentlich. Denn natรผrlich muss das Gefรผhl dafรผr, was zu viel Licht anrichtet, erst einmal wachsen. Was im Gesetz steht, muss noch lange nicht gute Praxis fรผr Installationsfirmen, Kommunen und Privatleute sein.

Wie sagt manโ€™s dem Nachbarn?

Aber natรผrlich fรคngt das Umdenken damit an, dass man รผberhaupt erst einmal einen Sinn dafรผr entwickelt, was kรผnstliches Licht รผberhaupt anrichtet, wie es die Lebenszyklen der Tiere und Pflanzen vรถllig durcheinander bringt, wie es fรผr sie Sonne und Mond imitiert. Und damit zur Falle wird. Wie es aber auch Menschen blendet, aus dem Schlaf reiรŸt, stรถrt.

Manchmal hilft da wirklich das klรคrende Gesprรคch. Eine kleine, aber nicht unwichtige Bemerkung, wenn Schuler und Wirth darauf eingehen, wie man daran gehen kann, stรถrendes Licht in der Nachbarschaft zu thematisieren. Im besten Fall gewinnt man sogar neue Mitstreiter, wenn man Nachbarn mit stรถrender Beleuchtung die Lage sachlich erklรคrt, statt sofort Polizei und Behรถrden anzurufen. Und man schafft Aufmerksamkeit fรผr ein Problem, das ja tatsรคchlich viele Menschen nicht sehen, weil sie sich noch nie damit beschรคftigt haben.

Und wenn man es รผberhaupt erst einmal thematisiert hat, geht es ja um Lรถsungen, die es nicht immer fertig im Baumarkt zu kaufen gibt. Dort gibt es leider โ€“ so die beiden Autoren โ€“ ziemlich viel billige Beleuchtung zu kaufen, die alles andere ist als nรผtzlich, hilfreich und umweltschonend. Das beginnt bei den Strahlern, die selbst noch in den Himmel leuchten, obwohl nur ein FuรŸweg in Licht getaucht werden sollte, und Rundumleuchten, die gleich noch die ganze Nachbarschaft blenden, obwohl es nur um einen Hauseingang geht.

Auf Lumen achten statt auf Watt

Die beiden Autoren geben โ€“ nachdem sie kenntnisreich ins Thema eingefรผhrt haben โ€“ jede Menge Tipps, wie man die Beleuchtung um das Haus und auch im Haus optimieren kann, sodass tatsรคchlich nur das beleuchet wird, was man auch erhellen will. Und das auch noch in einer Lichtfarbe und einer Leuchtstรคrke, die nicht blenden und die Lichtverschmutzung ringsum verstรคrken.

Denn viel zu viele Leuchten, die es im Handel gibt, sind fรผr ihre Zwecke viel zu leuchtstark. Wir sind gewรถhnt daran, beim Leuchtenkauf auf die Wattzahl zu achten. Aber das ergibt keinen Sinn mehr, wenn man mit viel weniger Stromverbrauch viel mehr Licht erzeugen kann. Deswegen ist es besser, auf die Lumen-Zahl zu achten und damit die Lichtmenge zumindest zu รผberschlagen, die man tatsรคchlich braucht. Und die ist natรผrlich fรผr jeden Zweck eine andere.

Am Schreibtisch im Arbeitszimmer braucht man eher eine Beleuchtung, die dem Tageslicht entspricht, im Schlafzimmer aber eher ein gedimmtes, wรคrmeres Licht, das dem Kรถrper auch das Signal gibt, dass er jetzt zur Ruhe kommen darf.

Und wenn die Leuchten dann auch noch richtig angebracht sind, sodass sie wirklich nur beleuchten, was erleuchtet sein soll, spart man nicht nur Strom, sondern wird sich auch wohler fรผhlen in den eigenen Wรคnden.

Im Garten und auf dem Hof gilt dasselbe. Mit wenigen Verbesserungen kann man auch einfallslose Baumarktlampen so verรคndern, dass sie ihren Zweck besser erfรผllen, ohne damit den Nachbarn zu blenden oder noch mehr zum nรคchtlichen Insektengemetzel beizutragen. Dazu gehรถrt meist auch eine ร„nderung der Lichtfarbe. Denn besonders blendend sind die blauen Lichtanteile.

Die verschwundene MilchstraรŸe

Etliche Fotos zeigen, wie Beleuchtung intelligent an Hรคusern installiert werden kann. Ein paar Beispiele gibt es auch fรผr die nicht so intelligenten Lรถsungen โ€“ zum Beispiel jene Architekten, die glauben, sรคmtliche Rรคume im Haus mit Glaswรคnden versehen zu mรผssen, damit es drinnen heller wird. Dafรผr wird es nรคmlich nachts drauรŸen heller und jeder Vorbeigehende kann den Bewohnern beim Leben zuschauen.

Auch das ein Aspekt, den die Liebhaber von Glaswรคnden ignorieren: Wie viel gibt man eigentlich vom eigenen Leben preis, wenn man scheinbar so luxuriรถs hinter offenen Glasfronten lebt?

Dass zu viel Licht auch keineswegs hilft, mรถgliche Einbrecher abzuhalten, erwรคhnen die beiden Autoren natรผrlich auch noch. Wรคhrend sie den Part der รถffentlichen Lichtbetreiber weitgehend auรŸen vor lassen. Fรผr die gibt es zwar Regeln und Gesetze, aber viele tun sich trotzdem schwer, die nรคchtliche Lichtmenge so weit zu verringern, dass der Zweck der Beleuchtung erreicht wird, aber die enorme Lichtabstrahlung in die Umwelt und ins Weltall aufhรถrt.

Viele Kommunen lassen eher zu viel Licht in die Nacht hinaus als zu wenig, weil sie lieber auf Nummer sicher gehen. Aber das kann nicht wirklich die Lรถsung sein. Schon gar nicht, wenn man die Schรคden fรผr die belebte Umwelt รผberhaupt einmal minimieren will. Von der Lichtverschmutzung, die den Mitteleuropรคern praktisch unmรถglich macht, des Nachts รผberhaupt einmal die MilchstraรŸe zu sehen, ganz zu schweigen.

Aber wahrscheinlich gilt auch hier: Es muss im Kleinen anfangen, bei allen, die zumindest schon einmal darรผber nachgedacht haben, was Licht eigentlich anrichtet in unserer Umwelt. Und wieviel Licht wir tatsรคchlich brauchen und wie wir es selbst so organisieren, dass wir uns in unserer eigenne Umgebung wieder wohler fรผhlen. Und ein wenig verbundener mit dem natรผrlichen Rhythmus des Lebens.

Lukas Schuler, Kurt Wirth โ€žMein Haus, mein Licht, unsere Umweltโ€œ, Haupt Verlag, Bern 2023, 28 Euro.

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