Am Freitag, dem 3. März, ist Robert-Blum-Tag. Mit dem Thementag zu Robert Blum unter dem Motto „Das Wort durch die Tat bekräftigen“ stellt die Stadt Leipzig am 3. März im Alten Rathaus den ab 2024 zu vergebenden Robert-Blum-Preis für Demokratie vor. Lang hat’s gedauert, bis Leipzig so einen Preis auflegt. Und weil endlich wieder über Robert Blum geredet wird, hat der Lehmstedt Verlag die profunde Robert-Blum-Biografie erneut aufgelegt. Anlass für die LZ, auch die Rezension dazu wieder zu veröffentlichen.
Im Fokus des Thementages stehen die Revolution von 1848/49 und der Einsatz für Freiheit und Demokratie heute. Dazu ist neben Vorträgen und Rundgängen mit szenischer Führung auch eine Podiumsdiskussion geplant. Von 10 bis 14 Uhr sind alle Leipzigerinnen und Leipziger herzlich eingeladen.
Die Revolution von 1848/49 und Blums Wirken sind Anlass für die Stadt Leipzig, ab 2024 den Robert-Blum-Demokratiepreis zu verleihen. Die Stiftung des Preises soll ein starkes Zeichen für Demokratie, Friedfertigkeit, ökumenisches und kulturell vielfältiges Engagement aussenden und hierbei ganz bewusst die verantwortungsbewusste öffentliche Rede in den Fokus stellen. Der Preis wird zum Robert-Blum-Tag am 3. März im Festsaal des Alten Rathauses vorgestellt werden.
Zur Eröffnung des Tages spricht Prof. Dr. Susanne Schötz (Institut für Geschichte, TU Dresden). Anschließend folgt eine Podiumsdiskussion mit Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, Prof. Dr. Axel Körner (Historisches Seminar, Universität Leipzig), Gesine Oltmanns (Stiftung Friedliche Revolution) und Dr. Anselm Hartinger (Direktor Stadtgeschichtliches Museum Leipzig). Die Moderation übernimmt Stefan Nölke (MDR Kultur). Den Abschluss bildet eine Führung mit szenischen Darstellungen.
Die Robert-Blum-Biografie von Ralf Zerback erschien 2007, zum 200. Geburtstag von Robert Blum, – damals noch unter dem Titel „Robert Blum“ – im Lehmstedt Verlag. Binnen zwei Jahren war sie komplett vergriffen. Die Rezension dazu erschien am 5. Oktober 2007 und wurde dann – wie so manch anderer Artikel aus der Zeit – Opfer eines unerwarteten Systemabsturzes. Doch nicht alles ging verloren. Der Artikel kann in seiner ursprünglichen Form wieder online gehen, auch wenn das Buch jetzt einen neuen Titel hat und der Lehmstedt Verlag die Gelegenheit auch nutzte, noch einige kleine Fehler auszumerzen.
Die Rezension von 2007
Ein konsequentes Buch für einen konsequenten Burschen: Robert Blum
Es gibt die Robert-Blum-Tassen, -Anstecker und -Pfeifenköpfe. Der am 10. November 1807 geborene „Theaterkassierer“ und Leipziger Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung hat den Kult um seine Person nicht mehr erlebt. Zu wichtig war es den Fürsten Schwarzenberg und Windischgrätz, den Sendboten der Nationalversammlung am 9. November 1848 in der Wiener Brigittenau über den Haufen zu schießen. Ein Buch erzählt zum ersten Mal sein ganzes Leben. Konsequent.
Der Frankfurter Historiker und Journalist Ralf Zerback hat sich dieser völlig unpassenden Figur angenommen, dieses „Märtyrers der Revolution“, wie ihn Doris Mundus nennt, welche die Blum-Ausstellung zum 200. Geburtstag im Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums kuratiert hat. Eine wichtige Ausstellung. So bruchstückhaft wie das dargestellte Leben mit dem Kind armer Kölner Leute, dem gelernten Gelbgießer und dem Theaterfaktotum, das mit dem frisch gekürten Theaterdirektor Ringelhardt 1832 nach Leipzig kam. Autodidakt, Schillerverehrer, Auffinder des originalen Schiller-Urlaubsdomizils in Gohlis.
Was dem Burschen eigentlich schnurzpiepe war. Für Schillers Urlaube und Odenfreuden interessierte Blum sich eher nicht, dafür für den Freiheitsdichter, den Nationaldichter. Denn Deutschland steckte fest in der biedermeierlichen Sackgasse. Hatte die „Befreiungskriege“ 1813/1815 gewonnen. Und war doch nicht befreit. Nur „zurück-befreit“: Die alten, fast toten Mächte, die kleinen und großen Fürsten hatten wieder die Macht übernommen.
Biedermeier und Zensur
Ein Name stand für ein ganzes tapeziertes Zeitalter: Metternich. Nicht nur Heines Hauptfeind – der große Verhinderer, Verbieter, Zensierer in Wien. Deutschland war ein Flickenteppich. Und: Deutschland kuschte vor dem österreichischen Staatskanzler. Vieles, sehr vieles, was Zerback so nebenbei schildert, erinnert an ein Ländchen namens DDR. An Mief und Muff, Zensur und Untertänigkeit.
Und immer dabei: Das Grummeln zwischen den Zeilen, die scharfen Pamphlete, die Leute wie Heine und Börne schrieben aus sicherem Exil. Während drinnen in den wiederauferstandenen Monarchien die Zensoren vor- und nachretuschierten. So nachhaltig, dass selbst die Leipziger Buchdrucker sich beim König in Dresden beschwerten. Was nur zuweilen etwas nützte. Mancher Monarch war etwas gnädiger.
Und mittendrin Blum, für den selbstverständlich war, dass dieser Flickenteppich eine Republik werden musste, mit repräsentativem Parlament, Verfassung und Redefreiheit. Da war er nicht allein. Die Ideen gärten im Land. Das wusste auch der Kanzler in Wien. Und verpasste auch Blum einen eigenen Aufpasser, einen Spitzel namens Singer, der Metternich haarklein berichtete, was der redegewandte Blum in Leipzig tat und sagte und vollbrachte.
Selbst fasziniert von dieser Gestalt, der es gelang, Tausende in seinen Bann zu schlagen. Ein geborener Redner. Der sogar – mit geliehenem Geld – ein Haus kauft in Leipzig, um Stadtrat werden zu können. Zutiefst überzeugt, dass man nicht nur reden darf, sondern handeln muss.
Das Brodeln der Demokratie
Blum tritt den Freimaurern bei, knüpft Kontakt zu den süddeutschen Liberalen und gründet einen Literatenverein, um die Kräfte zu sammeln. „Selbstbewusste Individualisten allesamt“, schreibt Zerback, „Querschädel und Quadratdenker“. Es ist 1840. Leipzig hat gerade 50.000 Einwohner. Eine Kleinstadt nach heutigen Maßstäben. Aber 1839 war gerade die erste deutsche Ferneisenbahn nach Dresden eröffnet worden. In dieser Kleinstadt steckte das ganze kommende Zeitalter wie in einer Nussschale: nicht nur die Harkort, List, Mendelssohn-Bartholdy und Schumann, die sich da alle über den Weg laufen mussten.
Allein in Blums Literatenverein trafen sich Männer wie die Schriftsteller Marggraff und Herloßsohn, Ernst Keil, der später die „Gartenlaube“ herausgeben sollte, Robert Schumann war da und Albert Lortzing, nicht zu vergessen Gotthard Oswald Marbach, der ab 1843 die „Leipziger Zeitung“ herausgab, die älteste Tageszeitung Deutschlands.
Jede neue Runde ein Baustein für Blum, den Ideen eines demokratischen Zeitalters Gehör zu verschaffen. Zerback spürt seinen Wegen nach. Und gerade bei dieser aufmerksamen Spurensuche merkt man, wie der Mann immer deutlicher wurde, der am Ende vielleicht als Einziger das Zeug gehabt hätte, der erste deutsche Präsident zu werden. Er wurde es nicht. Denn auch das wird sichtbar: Wie die deutsche Linke, die sich seinerzeit noch als liberal und demokratisch definierte, zerstritt. Wie das Alte, in Angst erstarrte, Fehler macht. Wie 1845, beim „Leipziger Gemetzel“, bei dem Blum nicht dabei ist. Das ihn aber endgültig zu einem Mann macht, an dem in Leipzig keiner mehr vorbeikommt.
Das Ende in Wien
Eigentlich ist es seine Zeit, die da anbricht. Und mit Eugenie hat er eine Frau gefunden, die das auch so akzeptiert. Doch es ist – das muss er dann in der Frankfurter Paulskirche erfahren – auch das Ende seiner Zeit, das Versagen der ersten deutschen Nationalversammlung. Man ahnt, wenn Zerback die Ereignisse schildert, wie konsequent Blum sein Leben lebt. Wie konsequent er auch meint, was er sagt. Was ihn schon zeitlebens von manchen seiner Weggefährten scheidet. Und was ihn gerade dann noch zum Handeln treibt, als sich in Frankfurt alles festfährt, als nichts mehr geht.
Da will er nach Wien, wo der Aufstand wieder aufgebrochen ist. Wien rebelliert. Und Blum weiß genau, dass sich da alles entscheidet. Dass er sterben wird, weiß er nicht. Wie hätte er auch ahnen können, welche Akten die Herren da über ihn schon angelegt hatten, den Volksredner, den Nimmermüden, der noch Koalitionen zu schmieden versuchte, als sich die deutsche Linke komplett und für alle Zeiten zerstritten hatte.
Zerback gelingt es, die unermüdliche Konsequenz in diesem Leben zu schildern. Das am 9. November 1848 nicht hätte enden müssen. Aber nicht nur das Gespann Windischgrätz-Schwarzenberg spielt da eine dubiose Rolle, auch der sächsische Gesandte Rudolf von Könneritz, der gar nicht einsieht, sich für den inhaftierten Abgeordneten einzusetzen.
Es ist eine alte, flüssig und spannend geschriebene Geschichte. Und sie erinnert nicht nur an einer Stelle sehr fatal an sehr moderne Zeiten. Und wenn sich die Demokraten von heute zerraufen, welches Stück Straße sie nun dem Herbst ’89 widmen, kommt schon so ein „Aber!“ hoch: Aber stellt doch einfach diesen Blum in die Leipziger Rabatten. Der steht für alles, für den kompletten Leipziger Mut zu Demokratie und Freiheit. Dem kann man auch eine Schärpe umbinden mit dem Slogan „Leipziger Freiheit“ drauf. Und es stimmt.
Und es ist mehr als ein umbenannter Platz und ein nettes Straßenschild. Und selbst wenn man diesen Blum nur am Goerdelerring an den Straßenrand stellt. Selbst das ist mehr: Es ist die stille Gewähr dafür, dass zuweilen auch ein Theaterkassierer mehr Mumm im Frack hat als eine komplette Nationalversammlung.
Ralf Zerback „Robert Blum. Eine Biografie“, Lehmstedt Verlag, Leipzig 2007.
Der aktualisierte Buchtitel:
Ralf Zerback „Einigkeit und Recht und Freiheit. Das Leben des Robert Blum“, Lehmstedt Verlag, Leipzig 2023, 25 Euro.
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