Ein kleiner Verlag feiert zur diesjährigen Buchmesse in Leipzig seinen 100. Geburtstag: der Karl Rauch Verlag, der 1923 in Dessau gegründet wurde und zeitweise am Geburtsort von Karl Rauch in Markkleeberg heimisch war. Sein berühmtester Autor war und ist Antoine de Saint-Exupéry, dessen Buch „Der kleine Prinz“ dann freilich nicht mehr in Leipzig erschien. Um diesen kleinen Prinzen und seine Rose geht es in dem Buch, das der Verlag zu seinem Jubiläum veröffentlicht.
Es ist das reich illustrierte Buch „Der Prinz und die Rose. Briefwechsel 1930 – 1945“ von Antoine und Consuelo de Saint-Exupéry. Die Buchpremiere des Briefwechsels findet am 24. März in der Buchhandlung Klaus Bittner in Köln statt. Danach geht es weiter nach Leipzig. Zum Auftakt der Leipziger Buchmesse lesen am 26. April Sophie Rois und Martin Wuttke aus den Briefen. Diese Veranstaltung findet im Rahmen von Leipzig liest in der Schaubühne Lindenfels in Leipzig statt.
Saint-Exupéry in Leipzig
Nach dem Umzug nach Markkleeberg bei Leipzig 1937 begann Karl Rauch, das Verlagsprogramm auszuweiten. Er veröffentlichte zeitgenössische Autoren aus Deutschland, hinzu kamen Übersetzungen französischer Autoren – darunter 1939 mit „Wind, Sand und Sterne“ der erste Titel von Antoine de Saint-Exupéry. Der besuchte Leipzig sogar noch 1939, kurz bevor Deutschland den Zweiten Weltkrieg anzettelte.
Davon existiert leider kein Brief des Autors an seine Ehefrau Consuelo. Wohl auch, weil, dies genau in die schwierige Phase fiel, in der die beiden drei Jahre lang getrennt lebten. Erst Ende 1939 begannen sie ihre Beziehung wieder zu kitten und zueinander zurückzufinden. Gleich drei Vorworte sind diesem Briefwechsel vorangestellt, der erstmals 2021 in der Edition Gallimard in Paris erschien und damit den Briefwechsel dieses besonderen Paares erstmals so geschlossen wie möglich zugänglich machte.
Und der für alle Liebhaberinnen und Liebhaber des „Kleinen Prinzen“ eine Überraschung gewesen sein dürfte, weil er gerade in den ab 1940 geschriebenen Briefen deutlich macht, wie sehr „Der kleine Prinz“ im Grunde die komplizierte Liebesgeschichte zwischen Antoine und Consuelo erzählt, poetisch verfremdet in der Begegnung des kleinen Prinzen mit der Rose, die seine Liebe scheinbar mit Vorwürfen abwehrt und ihm Schuldgefühle macht.
Tonnio, mein fliegender Fisch …
Und die Briefe der beiden erzählen ja tatsächlich davon, wie heftig sie zeitweise aufeinander reagiert haben. Und wie schwer sie es tatsächlich oft miteinander aushielten – auch weil sie wohl auch sensibler aufeinander reagierten, als das Ehepaare für gewöhnlich tun. Als würden sie beieinander etwas suchen, was sie in der Welt schmerzlich vermissten.
Nur um dann auf die gegenseitigen Erwartungen und Irritationen hereinzufallen, die dann in Dutzenden von Briefen nachklingen und dann doch irgendwie eine Klärung finden.
Und gerade in den letzten Briefen, die dann in der endgültigen Trennung nach Antoines Abreise an die Front in Nordafrika im April 1943 geschrieben wurden, wird immer deutlicher, wie sehr sie einander vermissten und im jeweils anderen ihren Halt auf Erden sahen. Beides eigenwillige Menschen, die ihren Anspruch an Ehrlichkeit auch auf ihre Beziehung übertrugen. Dass Consuelo so lange geradezu verschwand hinter dem Mythos Saint-Exupéry, hat auch damit zu tun, dass sie selbst nicht daran dachte, die gemeinsamen Briefe zu veröffentlichen.
Einige tauchten später trotzdem auf Versteigerungen auf. Die meisten aber waren im Nachlass von Consuelo, die 1979 starb und deren Buch „Die Rose des kleinen Prinzen“ erst 2000 postum erschien.
Wikipedia nennt sie „Muse“, verfehlt aber dabei wohl ihre selbstbewusste Rolle im Leben von Antoine de Saint-Exupéry völlig. Denn was die Briefe erzählen, ist eine Partnerschaft zweier künstlerisch hochbegabter Menschen, in der Consuelo ganz bestimmt nicht die nette Schönheit war, die den Dichter zu idyllischen Geschichten anregte. Auch wenn sie seine Bücher liebte, so wie den Verfasser, und um ihn litt.
Denn schon als sie sich kennenlernten, arbeitete er ja als Pilot, anfangs in Südamerika, später in Afrika. Und noch vor der Trennung erlitt er mehrere Abstürze, war einmal sogar tagelang in der Wüste verschollen. Und da er sich mit „Südkurier“ und „Nachtflug“ längst einen Namen gemacht hatte, berichteten auch die französischen Zeitungen ausführlich über den zeitweise Verschollenen.
Meine kleine Consuelo, mein Kaninchen …
Doch das hielt ihn nicht ab, immer wieder ins Flugzeug zu steigen oder sich 1942 wieder als Pilot für die in Nordafrika stationierten Luftstreitkräfte zu bewerben, was ihm – trotz seiner 42 Jahre – tatsächlich gelang. Selbst sein Abschied von den USA, wo beide nach Hitlers Überfall auf Frankreich Zuflucht gefunden hatten, war Thema in den großen Zeitungen. Da auch etliche Briefe aus der Zeit davor erhalten sind, bekommt man ein Gefühl für die Komplikationen dieser Beziehung, die eine gewaltige Bandbreite zwischen großem Nähebedürfnis und heftigem Verletztsein aufweist.
Aber gerade deshalb mitreißt und einen zutiefst emotional daran erinnert, dass Liebe genau das anrichten kann. Und dass man ausgerechnet mit dem Menschen, der einem am vertrautesten ist, genau solche Extreme erlebt.
Extreme, bei denen man sich jedes Mal wünscht, man möge doch endlich alt und abgeklärt und dickfellig werden. Doch das war beiden nicht vergönnt. Sodass sie unter der Trennung noch viel heftiger litten als unter den komplizierten Versuchen, ihre beiden Leben irgendwie zusammen zu organisieren. Aber umso deutlicher wird, wie sehr „Der kleine Prinz“ eben diese Liebesgeschichte verwandelt, geschrieben noch in New York, vor Antoines Weg an die Front. Das Buch erschien kurz nach seiner Abreise, nur zu sehen durfte er es nicht bekommen, weil es augenscheinlich die Militärzensur zurückhielt.
Denn parallel zu seinem schriftstellerischen Schaffen war de Exupéry auch noch als Autor für Zeitungen aktiv und äußerte sich mehrfach deutlich Kritik gegen den aufkommenden Gaullismus, der ihm als Befürworter eines freien und vielfältigen Frankreich zutiefst suspekt war. Doch bei seinem Aufenthalt in Nordafrika begegnete er wohl gerade diesen Hardlinern, die ihm das Leben dort gewaltig bitter machten.
Und seine Einsamkeit verstärkten, die er in den Briefen an Consuelo immer wieder schildert. Teilweise sogar im Tonfall seiner zutiefst poetischen Flieger-Romane.
Bin wieder Pilot …
Und auch als man ihm nach einem Flugunfall das Fliegen erst einmal strikt untersagte, kämpfte er weiter darum, doch wieder abheben zu dürfen – immerhin in der amerikanischen „Lightning“, dem damals schnellsten Kampfflugzeug im Einsatz. Seine Vorgesetzten müssen des Öfteren schon geflucht haben, ob sie diesen Burschen, um den eine wachsende Leserschar bangte, überhaupt noch in ein Flugzeug lassen dürften.
Auch in den Briefen thematisiert Antoine mehrfach den möglichen Tod im Einsatz – den er freilich nicht fürchtet, manchmal sogar herbeisehnt, weil er die Einsamkeit und die eisige Atmosphäre bei den Truppen nicht aushält.
Gleichzeitig sucht er in den intensiven und sehr emotionalen Briefen Consuelos Halt, genauso wie sie in seinen, wobei beide darunter leiden, dass scheinbar monatelang keiner von beiden schreibt. Die Postsendungen waren teilweise auf abenteuerlichsten Wegen unterwegs – und die Militärzensur las wohl auch immer mit. Was einige der Verzögerungen erklärt.
Fast vergisst man dabei, dass Antoine in dieser Zeit tatsächlich noch ein Werk schrieb, den postum erschienenen Roman „Die Stadt in der Wüste“ („Citadelle“). Eine Wunschliste an Consuelo verrät, wie er sich mit genug Schreibmaterial versorgen ließ, um weiter arbeiten zu können. 5.000 Blatt Papier erzählen nun einmal nicht von einem Mann, der sich nur noch deprimiert in der Mannschaftsbaracke versteckt.
Ich habe viele Abenteuer in der Luft erlebt …
Consuelo hat später noch einmal geheiratet, aber die Briefe der beiden zeigen, wie innig ihre Beziehung war – trotz aller Konflikte und Komplikationen. Und dass der kleine Prinz Antoine – trotz aller Seitensprünge und „Frauengeschichten“ – zu niemandem ein so intensives, von Gefühlen durchtobtes Vertrauensverhältnis hatte wie zu Consuelo. Und je länger sie voneinander entfernt waren, umso intensiver wurden die Briefe und umso stärker beider Gefühle, verwaist zu sein.
Man bangt mit ihnen, obwohl man im Hinterkopf weiß, dass sie sich am Ende nicht wiedersehen werden. Außer vielleicht auf dem Planeten des kleinen Prinzen. Wo dann die Geschichte dieser beiden eigensinnigen Geschöpfe weitergeht bis in alle Ewigkeit. Jedenfalls so lange „Der kleine Prinz“ in immer neuen Auflagen erscheint und sich Menschen mit verträumten Augen fragen, ob Liebe tatsächlich jedes Mal so heftig und verletzend sein muss.
Zwischen zwei so freiheitsliebenden Menschen, wie es Antoine und Consuelo waren, wohl unbedingt. Und durch die Briefe erfährt man, dass es noch viel heftiger war als in „Der kleine Prinz“. Über den sich Antoine grämte, weil er ihn nicht ganz selbstverständlich Consuelo gewidmet hat.
Antoine & Consuelo de Saint-Exupéry „Der Prinz und die Rose. Briefwechsel 1930 – 1944“, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 2023, 30 Euro.
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