Essen hat etwas mit Zaubern zu tun. Erst recht dann, wenn Kinder sich gern darauf konzentrieren, was sie eigentlich nicht so gern essen – zum Beispiel, weil es so gesund ist. Aber erfahrene Eltern haben da längst Rituale entwickelt – mal abgesehen von der fantasievollen Gestaltung des Kindertellers, die Saskia Pape hier gleich mal zum Gestaltungselement für ein ganzes Buch gemacht hat.
Ein Buch, das zu den beliebtesten aus dem Klett Kinderbuch Verlag gehört. Denn 2012 ist es erstmals erschienen, hat also schon mehrere Jahrgänge kleiner skeptischer Küchentischbesucher dazu animiert, es vielleicht doch mal mit Möhrchen, Gürkchen und Apfelschnitzeln zu probieren. Oder gar Spinat und Grünkohl, diesen komischen Sachen, die Mama auf den Teller getan hat, wo doch eigentlich nur Schokis und Gummibärchen hingehören.
Aber lustige Sprüche zum Essen haben sich schon seit Generationen dabei bewährt, den Fokus der Kleinen wegzulenken von der strengen Bewertung „Ess ich/Ess ich nicht“, hin zum fröhlichen Einfach-Loslegen. Denn wenn man den grünen Paps links auf dem Teller nicht so toll findet, kann man ja mit dem gelben Paps rechts davon anfangen. Oder mit den Croutons oder den Erbsen. Einfach loslegen. Denn wenn Kinder erst mal am Futtern sind, ist die wichtigste Schwelle überwunden.
Essen oder doch lieber nicht verputzen?
Eine Schwelle, die uns ja eingebaut ist, machen wir uns nichts vor. Wir sind allesamt Nachkommen von Überlebenden, die vor Jahrmillionen skeptisch und misstrauisch das Zeug in der wilden Natur angeschaut haben, ob’s denn nun essbar sein könnte oder man doch lieber die Finger davon lässt. Das ist also ein ganz natürlicher Überlebensinstinkt, der da bei den Kleinen durchkommt. Und natürlich hat es auch bei uns Großen manchmal lange gedauert, bis wir uns einigen wirklich seltsamen Dingen auf dem dargebotenen Teller vorsichtig angenähert haben.
Aber wie gesagt: Wenn man stattdessen mit lustigen Sprüchen übers Essen anfängt, holt man auch sehr, sehr skeptische Kinder meistens ab und bringt sie dazu, lieber nach essbaren Dingen auf dem Tisch Ausschau zu halten. Wobei da heutzutage wohl eher die Mamas und die Papas skeptisch sein dürften, wenn auf einmal Würste mit zwei Zippeln und Schinken mit vier Ecken auf dem Tisch stehen. Das ist gleich der erste lustige Spruch im Buch. Und er erinnert uns doch sehr daran, dass wir vor elf Jahren noch ganz und gar nicht so intensiv über Fleischverzehr, Massentierhaltung und deren Klimafolgen nachgedacht haben.
Darf man sich da so ernsthafte Gedanken machen? Das entscheiden dann wohl eher die erfahrenen Eltern, die wissen, ob sie Würstchen aus dem Glas und Schinken tatsächlich noch einkaufen müssen, um die Kleinen damit zu locken.
Es geht ja eher darum, den Appetit zu wecken und die Runde fröhlich einzustimmen. Auch wenn das durchaus auch abgründige Reime nach sich ziehen kann wie in „Piep, Piep, Piep“, wo die Kleinen ermahnt werden, ja nicht ihre Nachbarn am Tisch zu verspeisen, auch wenn man sie zum Fressen gernhaben sollte. Oder zum Anbeißen süß findet.
Manierliche Menschenfresser
Wobei: Ein echter Menschenfresser kommt auch vor im Buch. Das ist dann wohl für die ganz abgebrühten Kinder, die sich vor gar nichts mehr gruseln, aber schon gelernt haben, wie man sich am Tisch benimmt – und in welcher Hand man Gabel bzw. Messer hält.
Also fein manierlich sitzt man da. Aber nicht steif. An diesem Tisch darf es lustig zugehen, darf der Vater auch mal Sachen machen, die den Kindern Freude machen. Welche, verraten wir hier lieber nicht.
Dafür darf ruhig verraten werden, dass es bei Papes auf dem Tisch nicht jeden Tag dasselbe gibt. Die beliebten Spaghetti mit Tomatensoße sind genauso dabei wie das leckere Hasenfutter, kleine Fische, Käse und Wurstbrote. Und auch an das Nachher ist gedacht – das kleine Dankeschön zum Beispiel und das Gefühl, dick wie eine Tonne zu sein. Was ja meistens dann passiert, wenn Mama oder Papa tatsächlich das allerliebste Lieblingsgericht gekocht haben.
Essen muss Spaß machen
Das steht zwar nicht im Buch, denn das ist ja in jeder Familie ein völlig anderes. Aber darum geht es ja auch nicht. Sondern darum, das gemeinsame Essen wieder zu einem schönen, lustigen Ereignis zu machen, bei dem alle gern dabei sind. Und auch mal alle ihre Sorgen vergessen, die sich am Tag so angesammelt haben – bei den Großen ja genauso wie bei den Kleinen. Und für Familien, die eben noch keine lustigen Reime zum Reinhauen haben, ist das Buch der richtige Einstieg. Vor allem auch, weil es die Kinder da abholt, wo ihr Fantasie sowieso schon durch die Wildnis trabt – egal, ob als hungriges Krokodil oder als vor Hunger brummender Bär. Oder gar als Räuberbande, die erschrocken auf die leeren Teller blickt.
Und so ganz nebenbei kriegen die kleinen Räuber auch noch mit, wie frech Reime sein können und wie lustig unsere Sprache: „Wer Hunger hat, reimt mit …“
Darf man denn frech sein?
Gute Frage.
Aber die Erfahrung sagt: Wo man nicht lustig und frech sein darf, schmeckt auch das Essen nicht. Da kriegt man keinen Bissen runter und merkt, wie der Kloß im Hals sitzt und im Bauch. Essen sollte Spaß machen. Und da hilft ein fröhlicher Spruch am besten, bevor alle loslegen und sich die Bäuche füllen.
Und wenn der Spruch richtig gut ist, werden auch die gesunden Dinger vom Teller verputzt. Erst recht, wenn sie so drollig drapiert sind wie auf den Illustrationen von Saskia Pape.
Saskia Pape „Lirum Larum Lecker! Reime zum Reinhauen“, Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2023, 14 Euro.
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