In den vergangenen 15 Jahren hat das Projekt „chronik.LE“ nach eigenen Angaben rund 5.000 Ereignisse in und um Leipzig dokumentiert, die mutmaßlich oder nachweislich einen rechten Hintergrund haben. Im Zwei-Jahres-Rhythmus erscheint zudem die Broschüre „Leipziger Zustände“. Darin widmen sich Autor/-innen aktuellen Schwerpunkten. Die neue Ausgabe ist soeben erschienen.
Die „Leipziger Zustände“ waren in den vergangenen Jahren immer etwas mehr als 100 Seiten dick und bestanden aus sechs Themenblöcken mit jeweils mehreren Texten. Neonazis, Rassismus und Gewalt gegen Migrant/-innen sind Themen, die sich in jeder Ausgabe finden. Auch Sexismus und Antifeminismus bekamen in den vergangenen Jahren mehr Platz eingeräumt.
NPD, AfD und Corona-Demos
Waren noch vor zehn Jahren die NPD und andere Neonazi-Gruppen ein dominierendes Thema, spielten fünf Jahre später eher Legida und die AfD eine große Rolle. Seit der Ausgabe im Jahr 2021 stehen Corona-Demos, Verschwörungsideologien und der häufig mit beiden einhergehende Antisemitismus – auch von links – im Fokus der Autor/-innen.
Die am 19. Januar veröffentlichte Ausgabe „Leipziger Zustände 2023“ widmet sich ebenfalls wieder den Themen Rassismus, Sexismus, Neonazis und Verschwörungsmythen. Gleich zu Beginn setzt sie mit „Historische Kontinuitäten“ einen neuen Schwerpunkt.
Was das bedeutet, wird beispielsweise am Beitrag des Sozialwissenschaftlers Paul Zschocke deutlich. Dieser sucht in den 90er-Jahren nach Erklärungen für die rechten Anschläge in Grünau im vergangenen Sommer. Die Vorherrschaft von Neonazis in den 90ern habe den Stadtteil lange geprägt, erklärt Zschocke bei einer Informationsveranstaltung von „chronik.LE“ im UT Connewitz.
Grünau hat sich verändert
Aus seiner Sicht hat sich der Rassismus in Grünau verändert. Der offene, militante Rassismus würde größtenteils abgelehnt, stattdessen dominiere Alltagsrassismus. Dass sich Migrant/-innen in Grünau mehr vor Alltagsrassismus als vor organisierter Nazigewalt fürchten, entspricht auch den Eindrücken, die wir im vergangenen Oktober vor Ort gewinnen konnten. Zschocke empfiehlt zudem, die progressiven Akteur/-innen vor Ort zu stärken. Davon gebe es mittlerweile viele.
Die aktuelle Ausgabe thematisiert zudem unter anderem den Rassismus, den Menschen im deutschen Gesundheitssystem erfahren, die immer noch nicht abgeschlossene – und vielleicht nie richtig begonnene – juristische Aufarbeitung des Naziangriffs auf Connewitz, die Person Uwe Steimle und die gegen Israel gerichteten Demonstrationen in Leipzig.
Aktiv gegen Antifeminist/-innen
Ein Beitrag im Kapitel zu Antifeminismus widmet sich den Aktivitäten gegen die Fachtagung des sogenannten Bundesverbandes Lebensrecht, die im April 2022 in Leipzig stattfand. Abgesehen von den rechten Montagsdemos war die Fachtagung einer der in den vergangenen Jahren seltener gewordenen Anlässe für eine breite linke Mobilisierung in Leipzig.
Sowohl bei der Veranstaltung im UT Connewitz als auch im Broschürentext informieren Mitglieder einer Protestgruppe unter anderem über die Recherche zu dem Thema und die durchgeführten Aktivitäten. Dazu zählte neben einem Offenen Brief beispielsweise eine Demonstration mit mehreren hundert Teilnehmenden.
Wie immer ist die aktuelle Ausgabe der „Leipziger Zustände“ kostenlos erhältlich – sowohl als Download auf der Homepage als auch in Spätis und anderen Läden.
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