Sie gehören regelrecht zur Weihnachtszeit: Apfelsinen, Mandarinen, Clementinen, Orangen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die leckeren Früchte Jahr für Jahr in unseren Supermärkten auftauchen. Dabei sind auch sie Spätankömmlinge auf unserem Gabentisch. Noch übers 18. Jahrhundert hinaus waren es fast ausschließlich Fürsten, die sich frische Zitrusfrüchte leisten konnten. Direkt aus ihren Orangerien.

Die natürlich deshalb diesen Namen bekamen, weil darin – vor frostigen Temperaturen geschützt – die Orangenbäume standen, die den Gebäuden ihren Namen gaben. An diversen deutschen Schlössern kann man diese Orangerien heute noch bewundern, auch wenn sie inzwischen allesamt nicht mehr ihrem einstigen Zweck dienen und auch die Damen und Herren von und zu sich ihre Zitronen und Orangen heute liefern lassen.

Die Geschichte, wie die diversen Zitrusgewächse überhaupt erst nach Europa kamen, erzählt Grit Nitzsche natürlich auch. Die Geschichte dessen, was wir essen, ist nun einmal auch Menschheitsgeschichte und viele Exoten erzählen davon, wie einstige Handelsbeziehungen entstanden und Kulturen einander bereicherten. Wahrscheinlich ist die Heimat der Zitrusgewächse wohl irgendwo in Nordostindien und Südostchina zu suchen. Über Persien, Ägypten und Griechenland kamen die Pflanzen dann auch in den Mittelmeerraum. Aber richtig aufmerksam wurden die Nordeuropäer erst, als die Araber auch ihre Gartenkultur mit auf die Iberische Halbinsel brachten.

Verwirrende Verwandtschaften

Die beginnende Kolonialisierung machte Orangen und Zitronen dann auch zur begehrten Handelsware in den Niederlanden, wo begabte Künstler die Früchte in farbenfrohen Stillleben festhielten. Es ist ja nicht nur die Orangerie, die ihren Namen von der saftigen Orange hat, es ist auch die Lieblingsfarbe der Holländer. Erst die Frucht brachte auch den Farbnamen in unsere Sprache.

Und der Rest ist dann eine knifflige Verwandtschaftssuche. Denn wenn Grit Nitzsche die wichtigsten bei uns erhältlichen Zitrusfrüchte vorstellt, kann sie natürlich auch erzählen, wie einige dieser Berühmtheiten aus Kreuzungen verschiedener Sorten hervorgegangen sind. Die Vielfalt in den Auslagen der Obsthändler ist erst durch menschliche Beihilfe entstanden. Manchmal stehen sogar noch die alten Namen an der Kiste, obwohl das Original schon lange nicht mehr im Handel auftaucht – so wie die Pampelmuse, an deren Stelle in der Regel Grapefruits angeboten werden.

Und wer noch nicht wusste, was die Limonade ursprünglich mal mit Zitronen zu tun hatte, erfährt es genauso. Jede Sorte bekam ihr eigenes kleines Porträt samt Angaben zu den besonders wertvollen Inhaltsstoffen und der üblichen Verwendung der Früchte. Und auch wer sich ein Zitrusgewächs selbst ins Haus holen möchte wie einst die reichen Fürsten, bekommt Tipps, worauf er zu achten hat.

Wohin mit der schönen Pflanze?

Wobei der Erwerb schön anzusehender Zitruspflanzen in Kübeln nicht das Problem ist. In jedem gut bestückten Baumarkt kann man sie finden. Aber für die durchaus lichtdurstigen und Staunässe fürchtenden Pflanzen muss man auch einen Platz finden, an dem sie sich tatsächlich wohlfühlen und den Winter überstehen. Da wird es mit einer Mietwohnung schon schwer, erst recht, wenn man kein Gartenstück hat, auf das man die lichthungrige Pflanze hinausschieben kann, wenn es draußen wärmer wird.

Und auch das mit der eigenen Mandarinenernte ist nicht so ganz einfach, obgleich der Klimawandel auch bei uns die Temperaturen steigen lässt. Aber die durchschnittliche Sonnenscheindauer genügt in der Regel nicht, den Früchten den letzten Kick zu geben, damit sie so saftig wie die aus dem Süden werden.

Was die Freude an den vitaminreichen Früchten nicht mindern dürfte. Und auch die Entdeckerlust nicht bremsen muss, wenn man durch das Büchlein auch mal auf Limetten, Pomeranzen, Pomelos und Kumquats aufmerksam gemacht wird.

Ausprobieren lohnt sich, meint die Autorin. Und lässt es sich auch nicht nehmen, den Leser/-innen des kleinen Büchleins ein paar Rezepte mitzugeben, die zeigen, dass Zitrusfrüchte auch in der herzhaften Küche eine Rolle spielen können, wenn man sie lässt. In der Linsen-Orangen-Suppe etwa, dem fruchtigen Winterauflauf oder den Spaghetti mit Garnelen in Zitronensoße. Und wie man Zitronat und Orangeat selbst herstellt, erfährt man genauso, wie man erklärt bekommt, warum nur Brotaufstrich mit Zitrusfrüchten drin Marmelade genannt werden darf. Was einen ja nicht hindern muss, sich die eigene Orangenmarmelade selbst anzufertigen.

Auch zu Aromen und Düften und Verwendung der Früchte in der Industrie erfährt man so einiges, sodass man am Ende zumindest eine gewisse kleine Kennerschaft in Sachen Zitrusfrüchte und Zitrusgewächse hat. Und wieder mal tagelang mit der Sehnsucht nach Ländern herumläuft, wo für gewöhnlich die Zitronen blühen.

Grit Nitzsche „Das Zitrusfrüchte-ABC“, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2022, 5 Euro.

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