In der Reihe „Sprachschätze“ erkundet der Dudenverlag den Kosmos verschiedenster Arbeits- und Lebenswelten. Emsig werden dabei möglichst viele Begriffe aus dem großen Duden zusammengetragen, die dann regelrechte Wortfelder ergeben und zeigen, wie groß nicht nur der Wortschatz einer Berufsgruppe ist, sondern auch, wie sehr er ein Teil der Alltagssprache ist. Denn über Medien redet ja jeder irgendwie.
Meist ziemlich ahnungslos, wie das meistens der Fall ist, wenn zwar die Fachbegriffe eines Metiers auch in den Allgemeingebrauch einsickern, aber dann eher gedankenlos und oberflächlich benutzt werden.
Und bei Medien wissen ja augenscheinlich eine Menge Leute mitzureden, auch wenn sie die Arbeitsweise der Medien nie wirklich interessiert hat. Medien kann doch jeder, Videos drehen, Kommentare mit der Kamera aufnehmen, sich als Experte darstellen und sich als „Bürgerreporter“ irgendwo einen getürkten Presseausweis kaufen.
Alles eine Soße?
Natürlich kann so ein Büchlein nicht die grundsätzliche Diskussion darüber ersetzen, was Medien sind, was sie tun, welche Aufgaben sie haben und welche Rolle sie im demokratischen Diskurs spielen. Darum geht es in der Reihe auch nicht.
Sie soll die Aufmerksamkeit auf die Wörter lenken, Medium zum Beispiel, die Einzahl von Medien. Denn der meistens verwendete Plural suggeriert eine Einheitlichkeit, die es gerade radikalen Sprechern erlaubt, „die Medien“ nicht nur in einen Topf zu werfen, sondern auch gleich mal als „Systempresse“ oder „Lügenpresse“ zu verunglimpfen.
Und das kommt bei etlichen Leuten an, die sich niemals Gedanken gemacht haben darüber, wie vielfältig und kontrovers unsere Medienlandschaft tatsächlich ist.
Deswegen verblüfft, dass das ins Deutsche importierte „Mainstream“ nicht ins Buch gefunden hat. Während andere Anglizismen wie selbstverständlich drin stehen – der Laptop genauso wie das Internet oder der Talk, das Team, die Story oder der Star.
Auch eine Wortauswahl erzählt eine Menge – nämlich über die Menschen, die die Worte ausgewählt haben und über ihren Blick auf Medien in diesem Fall.
Sie sind augenscheinlich viel im Internet unterwegs und schauen etliche Sitcoms, das Script aber vermisst man genauso wie die Reportage, die ein eigenes journalistisches Genre ist und in der Regel nicht von Reportern geschrieben wird (der Reporter ist drin), sondern von investigativ arbeitenden Journalist/-innen. Die Investigation sucht man genauso vergeblich wie den Scoop oder Layout.
Was nicht schlimm ist. Denn das Buch erzählt ja zuallererst davon, was den Leuten auf der Straße so alles einfällt, wenn sie sich mal etwas eingehender mit dem Thema beschäftigen – und gleich auch noch angeregt werden, über die Ursprünge der so selbstverständlich benutzen Worte nachzudenken.
Denn natürlich leben gerade Metiers wie das Medienmachen von Importen aus anderen Sprachen. Zur regelrechten Profession wurde der Journalismus ja nicht zuerst in Deutschland, sondern in Frankreich (woher der Journalismus ja seinen Namen hat) und England (woher z. B. der Reporter kommt). Auch die Entwicklungen in Radio und Fernsehen sind extrem durch Entwicklungen im englischen Sprachraum geprägt.
Als Zeitungen auch noch welche waren
Während natürlich das Ursprüngliche, worum es beim Nachrichtenverbreiten immer geht, natürlich auch in der deutschen Sprache steckt, in Schreiben und Schrift (nicht zu verwechseln mit Skript, obwohl beide dieselbe Wurzel haben), in Buch und Buchstabe (weshalb auch Rune und Raunen ins Buch gefunden haben), in Brief und … hoppla.
So manches, was uns heute als deutsches Wort vertraut vorkommt, hat in Wirklichkeit ebenfalls seinen Ursprung in anderen Sprachen – im Lateinischen zumeist. Denn die Verschriftlichung all dessen, was Menschen tun, erzählen und verbriefen, begann ja in unseren Breiten erst, als die Römer kamen und später die Klöster ihre Skriptorien eröffneten.
Aber natürlich gab es auch vorher schon Begriffe, mit denen unsere Vorfahren das Verbreiten von Neuigkeiten bezeichneten, ein Wort, das nicht weiter erläutert wird, sondern selbst zur Erläuterung dient, was denn nun zum Beispiel eine Nachricht ist. Hier müssen dann Botschaft und Mitteilung ebenfalls zur Erläuterung dienen, obwohl selbst in diesen Wörtern ganze Geschichten stecken.
Denn in der Botschaft steckt ja der Bote, der im Mittelalter die wirklich brennenden Nachrichten eilig durchs Land transportierte – zu Fuß oder zu Pferd. Und in Mitteilung steckt das Teilen: Man teilt sich Wissen, Geschichten, Neuigkeiten. Neuigkeiten, die als News heute scheinbar wie ein billiges Hochglanzprodukt daherkommen.
Während es schon lange einer Erklärung bedarf, was Zeitung einstmals bedeutete, bevor daraus der Begriff für die gedruckten Nachrichtenblätter der Neuzeit wurde. Denn die handelten anfangs (im 17. Jahrhundert) von „eingehenden Zeitungen“, was man heute mit eintreffenden Nachrichten übersetzen würde.
Und auch dabei belassen es die Autoren des Bandes natürlich nicht, denn viele Worte reichen ja in ihren Ursprüngen tief ins Griechische oder Lateinische und verraten damit, welche Gedankenwelten ursprünglich mit diesen Wortfindungen verbunden waren.
Dass in der Chronik noch das lateinische chrónos, also Zeit, steckt, bekommt man noch schnell heraus, dass der Stil aber etwas mit dem lateinischen Schreibgerät, dem stilus (zu Deutsch: Griffel) zu tun hat, fällt eher erst bei näherer Betrachtung auf.
Dass in Publikation das Publikum, also „das gemeine Volk“ aus dem Lateinischen, steckt, ahnt man freilich. Aber dass in Text der griechische Zimmermann (tékton) steckt, dürfte auch die Autoren verblüffen, die sich – ganz im lateinischen Sinn – nur zu gern als Urheber und Schöpfer betrachten.
Fakenews, Enten und die Rolle der Medien
Es wird, wie man sieht, ganz schön grundlegend. Und es macht Freude, in den kleinen Artikeln zu den ausgewählten Wörtern eben auch in die Wortgeschichte einzutauchen und in die Geschichte der Dienstbarmachung für ein Metier, das heute unseren Alltag durchdringt.
Denn natürlich wird auch jeder, der selbst Nachrichten und Kommentare verzapft und einer kleineren oder größeren Leserschaft mit einem Klick zur Verfügung stellt, zum „Medienmacher“. Was natürlich die Gewichte verschoben hat und leider auch viele Standards untergraben, die sich die klassischen Medien im Lauf der Zeit gegeben haben, um Fakenews (nicht im Buch), Verleumdungen und Enten (findet man auf Seite 30) möglichst zu verhindern.
Denn das Wichtigste an gut funktionierenden Medien sind nicht die Meinungen (nicht im Buch vertreten), sondern die Fakten (auch nicht drin). Meinungen hat jeder und posaunt sie auch alle naselang heraus. Fakten aber muss man recherchieren, einordnen und erklären.
Was die Arbeit des Redakteurs natürlich wesentlich umfangreicher macht, als dass er nur Texte redigieren muss. Das Buch dürfte jedem eine Freude machen, der sich noch gar nicht so sehr Gedanken darüber gemacht hat, wie das Erzählen wichtiger oder einfach nur sensationeller Neuigkeiten seit Jahrtausenden der Kitt jeder menschlichen Gesellschaft gewesen ist (im Buch sichtbar mit Stichworten wie Sage, Epos und Mär(chen)), denn zu jeder Zeitung gehört immer auch einer, der sie in Empfang nimmt.
Netze in dem Sinn von Informationsnetzen gab es schon immer. Nur brauchte man dazu einst keine Computer, Mäuse (tatsächlich, die Maus ist drin) oder Tabletts, sondern meist nur reisende Leute, einen Markt, einen Brunnen und Menschen, die es immer für selbstverständlich hielten, alle anderen Leute an ihrem Wissen teilhaben zu lassen.
Beschleunigte Informationen
Ein Prozess, der sich mit Buchdruck, Tageszeitung, Radio und TV schon rasend beschleunigt hat und auch deshalb eine professionalisierte Gruppe von Menschen brauchte, die den Nachrichtenstrom kanalisierten, sortierten und ihm eine Struktur gaben.
Denn wenn heute alle Welt über die Informationsüberflutung stöhnt, hat das nichts mit der Menge an Informationen zu tun, die von allen Seiten hereinströmen, sondern sehr viel mit ihrer Beliebigkeit und Strukturlosigkeit, sodass selbst noch das Banalste, Überflüssigste und Erlogenste mit einem Alarmismus auf alle Geräte strömt, der diesem Spam (kommt natürlich vor im Buch) eine Wichtigkeit zuschreibt, die er gar nicht hat.
Denn zur Qualität einer gesellschaftlichen Diskussion gehört natürlich die Qualität der verfügbaren Informationen. Und da schaue nur jeder beim Stichwort „informieren“ und warum das Wort Form darin steckt, das übrigens genauso in den Worten Format, Formulierung und Formatieren steckt. Gutes Zeitungmachen ist nun einmal auch das Gegenstück zu Chaos und Gleich-Gültigkeit.
Nur um auch das noch anzumerken. Das darf auch zitiert werden, gern genau so, wie Zitieren auch im Lateinischen schon gemeint war. Der kleine Absatz, der das Buch beschließt, erinnert ja daran, dass es beim Zitieren auch ums Herbeirufen geht, was mit Bewegung zu tun hat.
Gute Journalisten erkennt man nämlich auch an ihren abgelaufenen Schuhsohlen.
„Sprache & Medien“, Dudenverlag, Berlin 2022, 10 Euro.
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