Die Bรผcher des Benediktinermรถnchs Anselm Grรผn verkaufen sich wie geschnitten Brot. Als wรผrde der Mรถnch seinen Lesern Fragen beantworten, die unsere Gesellschaft nicht mehr beantworten kann oder will. Denn fรผr ihn ist es durchaus erstaunlich, wie viele Menschen sich auch mit persรถnlichsten Fragen immer noch an ihn wenden. Mรถglicherweise wohl deshalb, weil er ihnen etwas widmet, was Psychotherapeuten und Pfarrer heute kaum noch haben: Zeit und Aufmerksamkeit.

Merkmal unserer Zeit: keiner hat sie mehr

Ach ja: ร„rzte nicht zu vergessen. Wir leben in einer Zeit, in der keiner mehr Zeit hat, keiner mehr zuhรถrt, keiner mehr die Kraft hat, sich anderen zuzuwenden. Alle scheinen nur noch damit beschรคftigt, zu funktionieren und Punkte zu machen, mobil, flexibel, nie wirklich anwesend.

Selbst Pfarreien wurden zusammengelegt, sodass die Pfarrer nur noch von einer Kirche zur nรคchsten hetzen, die eigene Gemeinde im Gefolge, wenn die am Wochenende รผberhaupt noch einen Sonntagsgottesdienst erleben will. Psychotherapeuten sind รผberlastet, ihre Patienten landen auf langen Wartelisten. Und ร„rzte verbringen mehr Zeit mit Punkte-Abrechnungen fรผr die Krankenkassen als mit ihren Patienten. 5 Minuten fรผr ein Patientengesprรคch, Rezept ausdrucken, weiter geht es.

Wir leben in einer vรถllig aus dem Lot geratenen Zeit, in der vor allem eines wegrationalisiert wurde: die wertvolle Zeit fรผr Zwischenmenschliches. Das, was unsere Gesellschaft zusammenhรคlt. Wo es fehlt, fรคllt alles auseinander, vereinsamen die Menschen, werden ratlos, wรผtend, vรถllig auรŸer sich. Und wissen nicht mehr, woher all ihr Leid kommt, ihre stille Verzweiflung.

Bei Anselm Grรผn sind sie da am Richtigen, denn der Mรถnch hat nicht nur die einschlรคgige theologische Literatur gelesen, sondern auch die Werke der Weltliteratur, die sich mit dieser Vereinsamung beschรคftigen, und die Arbeiten maรŸgeblicher Psychologen, die in den vergangenen 100 Jahren versucht haben herauszubekommen, warum unsere Gesellschaft derart entgleisen konnte und was das eigentlich mit uns macht.

Am Anfang steht die Selbst-Erkenntnis

Sein Markenzeichen ist natรผrlich, dass er immer beides zu verbinden versucht โ€“ die psychologische Sicht und die spirituell-religiรถse, die ja davon so weit weg nicht ist. Wรคre die Kirche so, wie Anselm Grรผn schreibt und lebt, sie wรผrde tatsรคchlich eine wichtige Rolle spielen in unserer vรถllig aus dem Lot geratenen Welt. An zwei, drei Stellen deutet Grรผn auch in diesem Buch den problematischen Zustand โ€žseinerโ€œ Kirche an. Probleme, die man nicht ausblenden kรถnne, stellt er fest.

Aber es sind nun einmal Probleme, die genau mit den von Anselm Grรผn beschriebenen Fehlstellen unserer Gesellschaft zu tun haben. Auch โ€ždie Kircheโ€œ hat โ€“ wie all die Ratsuchenden bei Anselm Grรผn โ€“ ein gewaltiges Problem mit der Selbsterkenntnis, dem klaren Blick auf den eigenen desolaten Zustand. Ohne den aber ist Heilung und Besserung nicht mรถglich. Wer weiterhin Illusionen nรคhrt, verschlimmert den Zustand nur noch. Aber natรผrlich schreibt Grรผn nicht: โ€žDie Kirche gehรถrt in Therapie.โ€œ

Obwohl er sich das tagtรคglich hunderte Male denken muss. Denn das steht so eigentlich auch schon in jahrhundertealten Schriften, zum Beispiel beim deutschen Mystiker Johannes Tauler, einem Theologen des 14. Jahrhunderts, bei dem Grรผn einen Gesinnungsgenossen gefunden hat beim Nachdenken รผber die Verwandlungen, die der Mensch in seinem Leben durchmacht.

Und vor denen viele Menschen Angst haben, viele fรผrchten sich gar davor und verweigern diese so wichtigen Verรคnderungen im Leben. Und leiden dann natรผrlich darunter. Denn fรผr Anselm Grรผn ist das eine der wichtigsten Erkenntnisse in seinem langen Leben: Glรผcklich werden wir nur, wenn wir im Einklang mit uns leben, mit unseren Wรผnschen, Fรคhigkeiten, Gefรผhlen.

Aber auch im Einklang mit dem Lebensrhythmus, der uns als Geborene prรคgt. Wir kรถnnen gar nicht anders. Kindheit, Jugend, Alter sind keine leeren Begriffe. Sie erzรคhlen von unserem Wachsen, unseren erworbenen Fรคhigkeiten und unseren kรถrperlichen Mรถglichkeiten. Wir sind an den Rhythmus von Tag und Nacht, an den Kreislauf des Jahres und den ewigen Lauf von Werden und Vergehen angepasst.

Wir sind vergรคnglich. Das will so Mancher nicht wahrhaben.

Die Lebenslรผgen einer โ€žperfekten Gesellschaftโ€œ

Nur suggeriert unsere hektische, auf Effizienz und permanente Geschรคftigkeit getrimmte Welt, dass uns das alles nichts mehr angeht, dass uns Technik und Wohlstand unabhรคngig gemacht haben von all dem. Und so gehen ja viele von uns auch mit sich selbst und ihrem Kรถrper um, trimmen sich auf Leistungsfรคhigkeit und Perfektion. Und merken oft viel zu spรคt, dass ihre Seele da nicht mithalten kann โ€“ und brechen zusammen, brennen aus, geraten in Verzweiflung und Depression und wissen nicht, woher das alles kommt.

Wer Anselm Grรผn liest, merkt, dass er einem nicht als spitzfindiger Theologe kommt, sondern stets als er selber spricht โ€“ mit seinen eigenen Lebenserfahrungen als Mรถnch, als Sohn, als Werdender. Denn auch wenn einem das Leben als Mรถnch von auรŸen einfรถrmig und ungestรถrt erscheint, nimmt dennoch jeder, der sich fรผr den Weg ins Kloster entscheidet, sich selbst mit โ€“ als ganzer Mensch.

Mit allen Sorgen, Leidenschaften, Wรผnschen und Versagensรคngsten. Was ja selbst all jene erfahren, die sich einfach nur mal eine Auszeit im Kloster nehmen, sich auf die spirituelle Begegnung mit sich selbst einlassen.

Was ja fรผr viele รผberhaupt das erste Mal an einem Ort ist, an dem sie zur Ruhe kommen, zur Stille und zu sich โ€“ und das kann richtig hart und heftig werden. Denn dann meldet sich all das Unerfรผllte, Ungelebte, so gern Verdrรคngte mit aller Macht zurรผck. Dann schaut man in diesen Abgrund, nรคmlich in sich selbst. Dorthin, wo Anselm Grรผn Gott sieht.

Das ist seine Interpretation. Aber sie hat etwas fรผr sich. Denn wie anders sollte man Kontakt zu diesem Anderen finden, wenn man betet? Das, was wir sind und wollen, das steckt in uns selbst, das macht uns aus. Oder mit den Worten Grรผns: โ€žWenn ich ganz ich selber bin, dann bin ich frei von dem Druck, mich vor den anderen gut darzustellen, ihnen imponieren zu wollen oder mich vor ihnen beweisen zu mรผssen.โ€œ

Man muss loslassen kรถnnen, um selbst zu sein

Dieser Druck lastet ja auf unserer ganzen Gesellschaft. โ€žWer krampfhaft er selbst sein will, wer stรคndig an seiner Selbstoptimierung arbeitet, der macht nicht den Eindruck eines gelassenen Menschenโ€œ, schreibt Grรผn. โ€žGelassen werde ich, wenn ich mein Ego loslasse.โ€œ

Was eben auch bedeutet: Es sein zu lassen โ€“ so sein zu lassen, wie es ist, wie wir geboren und geworden sind. Gelassen werden wir nur, wenn wir uns selbst aushalten. So wie wir eben sind, mit allen Fehlern, aller Reue, allen Verlusten und allen Unzulรคnglichkeiten.

Im Nachwort fasst Anselm Grรผn das Anliegen seines neuen Buches noch einmal zusammen: โ€žIn diesem Buch ist die zentrale Aussage รผber das Ziel der Verwandlung: immer mehr zu sich selbst zu werden, immer mehr meine ureigenste Identitรคt zu finden, das einmalige Bild in mir zu verwirklichen, das Gott sich von mir gemacht hat.โ€œ

Wer nicht an Gott glaubt, steht vor demselben Dilemma. Spรคtestens dann, wenn er in ein psychologisches Loch fรคllt, weil er in seinem Lebensrennen vรถllig abgekommen ist von dem, was er selbst tatsรคchlich ist, wรผnscht und will. Denn das ist in uns allen angelegt, auch wenn wir alle spรคtestens in der Jugend beginnen, recht hektisch danach zu suchen. Wobei zur Wahrheit auch gehรถrt: Die ganzen Verzweiflungen beim โ€žEintritt ins Lebenโ€œ kommen daher, dass wir eigentlich wissen und spรผren, was wir einmal werden wollen, denn das ist in jedem von uns angelegt.

Aber was die Gesellschaft dann von uns will und verlangt, damit wir in Beruf und Status akzeptiert werden, das hat praktisch nichts mehr mit unseren zutiefst menschlichen Wรผnschen zu tun.

Die Angst vorm Sich-Entscheiden

Und nicht nur Jugendlichen fรคllt es schwer, an dieser Stelle die richtige Wahl zu treffen. Und viele weichen lieber aus, verweigern die Entscheidung, wรคhlen den scheinbar leichteren Weg โ€“ und verpassen dabei, selbst zu reifen, selbst zu werden, was sie eigentlich werden mรถchten. Das sind die Fluchttendenzen, die Anselm Grรผn schon bei Tauler gefunden hat.

Und sie passen auf jedes persรถnliche Schicksal genauso wie auf das Schicksal von Kirchen: โ€žDie erste Fluchttendenz: Statt mich zu verwandeln, mรถchte ich die anderen รคndern, die Umgebung, die Gesellschaft. Denn die sind angeblich schuld, dass ich in eine Krise geraten bin.โ€œ

Das war jahrzehntelang der Reflex, mit dem nicht nur die Katholische Kirche auf die Ermahnungen reagiert hat, sich zu รคndern, moderner und menschlicher zu werden. Natรผrlich sind auch all die Institutionen, die Menschen sich geschaffen haben, genauso โ€žPersรถnlichkeitenโ€œ, die unter demselben Verรคnderungsdruck stehen wie die Menschen selbst. Wie kann es anders sein? Wenn Menschen sich verรคndern, muss sich auch die von ihnen geschaffene Welt รคndern. Dass sie dann freilich mit der Flucht in Verweigerung reagieren, ist auch menschlich. Bringt aber nicht weiter, sondern lรคsst nur noch ratloser zurรผck.

Flucht als Null-Lรถsung

Die zweite Flucht ist dann die permanente Anpassung der Verhaltensweisen an den Zeitgeist โ€“ die aber am Wesentlichen nichts รคndert. ร„uรŸerlich ist der Mensch stรคndig in Bewegung โ€“ aber innerlich ist er der alte geblieben. Und sogar vรถllig hilflos, denn sich selbst verliert er ja, wenn er stรคndig versucht, in den Augen anderer perfekt zu sein.

Und dann gibt es noch den starren Konservatismus, den man in Sachsen auch sehr gut kennt, dieses sture Beharren auf dem โ€žIch will so bleiben, wie ich bin.โ€œ Das fรผhrt, wie Anselm Grรผn feststellt, โ€žzur inneren Erstarrungโ€œ. Und zur Unfรคhigkeit, die รผberfรคlligen Verรคnderungen anzupacken. Und zur Angst โ€“ vor Verรคnderungen und dem Leben. Denn Leben ist permanente Verรคnderung.

Wandel, so wie es Anselm Grรผn in den Titel geschrieben hat. Darum geht es im ganzen Buch. Wir sind Lebewesen, die nur dadurch, dass sie sich fortwรคhrend (ver-)wandeln, sie selbst werden. Denn wir selbst sind wir nur, wenn wir werden, was wir sind. Also auch aus dankbarem Herzen sagen kรถnnen: Mein Leben, das bin ich selbst. Ich wurde nicht von anderen gelebt. Ich habe ein Stรผck weit mich selbst gefunden und das Beste draus gemacht.

Ob das am Ende zu 100 Prozent geklappt hat, weiรŸ auch Anselm Grรผn nicht. Er sieht sich selbst auch noch als Suchenden, Unfertigen. Was auch damit zu tun hat, dass es ein Fertigwerden im Leben nicht gibt. Jedes Lebensalter erfordert von uns neue Verรคnderungen. Wir mรผssen jedes Mal neu lernen, damit umzugehen. Und werden todunglรผcklich, wenn wir versuchen, diese Verรคnderungen zu ignorieren.

Oder Zustรคnde, aus denen wir herausgewachsen sind, irgendwie am Leben zu erhalten. Was auch auf Partnerschaften zutrifft, die sich verรคndern, auch dann, wenn wir das nicht wollen. Aber wenn wir uns an ihnen festklammern, verweigern wir nicht nur den Partnern ihre Freiheit, sondern uns auch. Und wir verpassen die Chance, etwas Neues draus zu machen. Loszulassen, auch uns selbst.

Manche Leute umklammern ihr kleines altes Selbst so fest, dass sie kochen vor Wut und Verzweiflung.

Das falsche Versprechen von Sicherheit

Denn zur Gelassenheit gehรถrt eben auch โ€“ wie Anselm Grรผn ganz selbstverstรคndlich feststellt โ€“ das Loslassen. Wer das nicht kann oder will, der landet in drei weiteren Fallen, die unsere moderne Gesellschaft eifrig aufgestellt hat, um die Fliegen darin zu fangen: ร–konomisierung (alles wird nur noch nach seinem Geldwert beurteilt), Verrechtlichung (Alles muss abgesichert werden.) und Infantilisierung: โ€žIch weigere mich, fรผr mein Verhalten Verantwortung zu รผbernehmen.โ€œ

Und auch wenn Anselm Grรผn gerade im letzten Kapitel besonders auf die Gleichnisse in der Bibel โ€“ genauer: dem Neuen Testament โ€“ verweist, in denen Weg und Wandel als Gleichnis thematisiert werden, weiรŸ man an der Stelle eigentlich schon, dass diese biblischen Gleichnisse allesamt auch wieder Spiegel unserer menschlichen Wirklichkeit sind.

In den Gleichnissen zeigen sich dieselben psychologischen Probleme, die es auch zu den Zeiten Jesus schon gab und die Menschen Rat und Trost suchen lieรŸen. Auch so lรคsst sich Jesus interpretieren: Als Angebot eines Mannes, der zuhรถrte und versuchte, Bilder fรผr die Ratlosigkeit der Ratsuchenden zu finden.

Da muss nicht erst Wasser in Wein verwandelt werden, damit deutlich wird, dass unser Leben aus sich selbst heraus immerfort Wandlung bedeutet. Und dass wir uns dem nicht verweigern kรถnnen, denn dann werden wir krank. Dann meldet unser Kรถrper von ganz allein, dass er sich unverstanden und ungehรถrt fรผhlt. Dann lรคuft unsere Seele Amok. Denn wenn wir uns selbst nicht leben, merken wir das.

Fehler sind menschlich

Wahrscheinlich liegt man gar nicht so falsch, sรคmtliche sogenannte โ€žZivilisationskrankheitenโ€œ genau hier zu verorten: in der Angst davor, die Herausforderungen des eigenen Lebens wirklich anzunehmen. Und sich selbst, das, was im kirchlichen Kontext dann meist als Schuld und Reue thematisiert wird. Und was auch in der Psychologie eine Rolle spielt, wie Anselm Grรผn berechtigt feststellt.

Denn wenn wir nicht zulassen kรถnnen, dass wir Fehler gemacht haben, uns irren kรถnnen, geliebte Menschen verletzt haben, Dinge unterlassen haben, auch versagt haben an wichtigen Stellen in unserem Leben, dann finden wir nie ein gelassenes Verhรคltnis zu uns selbst.

Wir sind nicht perfekt. Wer das von sich behauptet, der lรผgt. Der belรผgt sich vor allem selbst. Wir sind fehlbar. Und wir werfen uns selbst ein Leben lang vor, wenn wir falsch gehandelt haben. Und das kappt unsere Lebenskraft, nimmt uns auch den Mut, weiterzuwachsen, die nรคchsten Herausforderungen anzunehmen und mit der Zeit โ€žfreier, authentischer, gelassener und hoffnungsvollerโ€œ zu werden.

Denn Freiheit beginnt nun einmal auch damit, dass wir uns selbst wie allen anderen Menschen Verletzlichkeit und Fehlbarkeit zugestehen. Und eben nicht richten und urteilen. Keinen ersten Stein werfen. Und auch keinen zweiten und dritten.

Man muss sich ja nur umschauen in der Welt, um zu sehen, wie viele von uns nicht bei sich sind, immer nur fixiert auf โ€ždie anderenโ€œ. Als kรถnnten sie dadurch, dass sie mit dem Finger immer auf andere Schuldige zeigen, ihr eigenes Leben รคndern, gar selbst lebendiger werden. Das schafft man nur, wenn man sich den eigenen ร„ngsten und Nรถten stellt. Und bereit ist, sich selbst zu wandeln. Das zu werden, was man eigentlich sein kann und sein mรถchte.

Authentischer werden

Das ganze Buch ist eine Ermutigung, sich dieser Wandlung zu stellen und sein Leben genau so zu begreifen: als permanente Verwandlung, in der wir selbst herausgefordert sind, immer wieder zu dem zu werden, was wir wirklich sind. Authentischer, wie es Anselm Grรผn nennt. Aber immer bewusst dessen, dass das nur wir selbst kรถnnen. Dass wir uns verlieren, wenn wir versuchen, uns den Erwartungen Anderer anzupassen.

So wie Gegor Samsa in Kafkas Erzรคhlung โ€žDie Verwandlungโ€œ, der alles darauf gesetzt hat, ein perfekter Handlungsreisender zu werden โ€“ und zu einem hilflosen Kรคfer wurde, den nicht einmal mehr seine Verwandten als Lebewesen akzeptieren kรถnnen.

Da sind wir immer auf uns selbst zurรผckgeworfen. Geschenkt wird einem da nichts, wie Anselm Grรผn betont: โ€žNicht nur unser Handeln ist gefragt, damit Verwandlung hin zum Guten geschehen kann, sondern eben auch Haltungen, die wir fรผr diesen Prozess benรถtigen und die uns Halt geben, damit das Leben um uns herum nicht zu Wildwuchs wird.โ€œ

So gesehen erstaunt es schon, wie viele Theologen und Mystiker sich im Lauf der Geschichte mit den eigentlichen spirituellen Seiten des Menschen und seinem Weg zu sich selbst beschรคftigt haben. Worin das Christentum ja deutliche Parallelen auch zu anderen Religionen hat. Es sind die uralten Fragen, die immer wieder neu beantwortet werden mรผssen โ€“ von jedem Einzelnen. Das nimmt einem niemand ab.

Aber wenn man Glรผck hat, hรถrt einem einer zu und ermuntert einen, den Weg weiterzugehen โ€“ zu sich selbst, zu mehr Gelassenheit und auch zum Zulassen von Krisen, ohne die es im Leben nicht geht, von Verlusten, Abschieden und Neuanfรคngen, die wir uns oft nicht zutrauen, bevor wir nicht den ersten Schritt getan haben und wieder merken: Alles ist Verwandlung.

Und nur wer sich den Herausforderungen stellt, verwandelt sich โ€“ wird ein Anderer und damit ein Stรผck mehr er selbst. Das hat viel mit Loslassen zu tun, wie Grรผn schreibt: โ€žUnd genauso brauchen wir auch die Fรคhigkeit, in uns das Wachsen und Reifen geschehen zu lassen.โ€œ

Und dazu darf man sich auch vom neuen Buch Anselm Grรผns ermutigen lassen.

Anselm Grรผn Im Wandel wachsen, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2022 2021, 20 Euro.

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