Bananen sind ein Politikum. So harmlos, wie sie aussehen, wie sie da liegen, gleich als billige Begrüßungsfrucht im Supermarkt. Fast wartet man darauf, dass Carola Ruff auch das berühmteste Bananen-Bild der Republik erwähnt, das 1989 auf dem Cover des westdeutschen Satire-Magazins „Titanic“ erschien: „Zonen-Gaby (17) im Glück (BRD): Meine erste Banane“. Auf dem natürlich keine Banane zu sehen ist.
Das Bild steht bis heute für so ziemlich alles, was seit 1989 schiefgelaufen ist. Nicht ganz grundlos verlinkt der Wikipedia-Eintrag zur „Zonen-Gabi“ gleich auch auf den Beitrag „Diskriminierung Ostdeutscher“. Und auf „Zoni“.Das sagt zwar heute keiner mehr, weil „die Zone“ ja keine Zone, also Besatzungszone, mehr ist. Dafür steht der „Ossi“ im Raum, genauso verniedlicht, gelabelt und verachtet. So gesehen, hat das Jahr 1900 nicht viel geändert. Nur Bananen gibt es jetzt auch in den ostdeutschen Kaufhallen das ganze Jahr, die seitdem Supermarkt oder Discounter heißen.
Meist in zwei Preisklassen, denn inzwischen hat sich auch beiderseits der einstigen Zonengrenze herumgesprochen, dass es die billigen Bananen nur gibt, weil dafür die Bananenbauern und die Umwelt in den Lieferländern ausgebeutet werden.
Ganz zu schweigen vom massiven Pestizideinsatz auf den riesigen Plantagen und der Gefährdung der einzigen noch weltweit großflächig angebauten Bananensorte Cavendish, die gerade von der Pilzkrankheit Tropical Race (TR4) zerstört wird, gegen die es derzeit kein Mittel gibt. Auch hier fällt der modernen Agrarindustrie mit ihren riesigen Monokulturen genau diese Praxis der Eintönigkeit auf die Füße.
Guter Rat ist teuer, andere Bananensorten sind dringendst gesucht. Sonst sieht es in den Supermärkten bald aus wie einst in den Kaufhallen, wenn die DDR mal wieder keine Devisen hatte, um Bananen aus Vietnam oder Kuba einzukaufen. Was selten genug war. Aber gerade diese Seltenheit macht die Frucht auch wertvoll: Man schätzt nur, was es nicht immer und überall billig zu kaufen gibt.
Postkolonialismus schön billig
Die „Zonen-Gabi“ bringt einen schon auf Gedanken, aber auf andere als in der Redaktionskonferenz der „Titanic“. Denn natürlich zeigte auch dieses Cover-Bild, dass es den Spaßmachern beim besten Willen nicht gelingen wollte, sich in die Rolle der anderen zu versetzen. Und das Erstaunliche ist: Es ist den meisten Wortmächtigen im Westen bis heute nicht gelungen. Weil sie auch die Tomaten vor den eigenen Augen nicht sehen.
Und auch nicht – Carola Ruff schildert es ganz komprimiert – wie sehr der Bananen-Anbau Teil des modernen (Post-)Kolonialismus ist, mit riesigen Kühlschiffen überhaupt erst ermöglicht. Selbst für die alte Bundesrepublik ein Politikum, denn um die gelbe Frucht billig in die westdeutschen Discounter zu bekommen, machte sich 1957 Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der EWG dafür stark, die Zölle auf Bananen zu senken.
Das war die Zeit des „Wirtschaftswunders“. Und man kann davon ausgehen, dass sich die meisten Westdeutschen damals genau so gefühlt haben wie die „Zonen-Gabi“ – mit ihrer ersten Banane stolz im Einkaufskorb: Man war wieder wer. Und konnte sich was leisten.
Und da all die Segnungen eines zunehmenden Wohlstands auch in den Osten irrlichterten, gehörte dort die Banane auch bald zum Wünsch-dir-was. Was dann, so schreibt Carola Ruff, 1972 das „SED-Regime“ auf den Plan rief, das „‚den Import von Bananen zur kontinuierlichen Versorgung der Bevölkerung’ zur geheimen Ministerratssache“ machte.
„Regime“ ist zwar nicht falsch an dieser Stelle, denn es ist ja überhaupt erst einmal nur ein Begriff für Regierungsform, ganz wertfrei. Nur wertfrei wird das Wort im allgemeinen Sprachgebrauch nicht verwendet, schon gar nicht in Bezug auf die DDR. Was dann schon die beiden Pole beschreibt, die auch Carola Ruff anklingen lässt, wenn sie die Geschichte der Bananen-Politik zusammenfasst: ein Land zwischen „SED-Regime“ und Bananen-Republik.
Billige Bananen und Bananen-Republiken
Obwohl mit Bananen-Republik ja vor allem jene mittelamerikanischen Staaten bezeichnet wurden, die sich durch den Bananen-Anbau extrem abhängig von ihrem Hauptabnehmerland USA und dessen mächtigen Konzernen gemacht haben.
Das bekannteste Buch zu dieser Bananen-Politik gab es übrigens auch in der DDR zu kaufen: Gabriel Garcia Marquez’ „Hundert Jahre Einsamkeit“. Ein Buch, das auch im Jahr 2021 nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Denn natürlich beschreibt es in magischer Dichte, wie ein Land verwüstet wird, wenn gnadenlose Konzerne einfach ihre „Marktmacht“ nutzen, um möglichst billig an die Produkte zu kommen, mit denen dann in den reichen postkolonialen Staaten die Empfangsregale im Supermarkt gefüllt werden. Die den Käufern dann weismachen, es gäbe alle Produkte der Welt zu einem „unschlagbar günstigen Preis“.
Während anderswo die Landschaften verwüstet werden, die Gifte die Artenvielfalt vernichten und die Bananenbauern mit Hungerlöhnen abgespeist werden.
Und wer genauer hinschaut, sieht, in was für einem unlösbaren Spagat das „SED-Regimne“ da steckte: Wie stellt man eine Bevölkerung ruhig, der über das Westfernsehen immerfort neue Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte eingeredet werden? Die die Schöpfer der „Zonen-Gabi“ für normal hielten.
Was sie aber auch 1989 in der alten Bundesrepublik nicht waren. Man sieht die postkoloniale Ausbeutung nicht, wenn man den Werbeflyer des Discounters für ein ehrliches Produkt hält. Und die Preise im Markt für eine wirklich stimmige Abbildung der Erzeugerpreise.
Sie ist keine Amerikanerin
Wobei das alles nicht gegen die Banane spricht. Sie ist gesund, auch Kinder lieben sie. Und die Märchen vom Dickmacher Banane stimmen natürlich auch nicht. Was drinsteckt, erzählt Carola Ruff natürlich auch, bevor sie zu den Rezepten kommt, die den Liebhabern dieser Frucht zeigen, was man alles draus machen kann.
Und wer nun denkt, das köstliche Früchtchen käme ganz naturgemäß aus Costa Rica und Kolumbien, der erfährt hier auch, dass die Banane gar keine Pflanze aus Amerika ist, sondern einst von den Arabern in den Handel gebracht wurde und die Frucht in Europa über Jahrhunderte nicht zu bekommen, weil es schlicht keine Transportmöglichkeit gab, sie gekühlt in den Norden zu bringen.
Der ganze kleine Vorspann zum Buch ist im Grunde eine freundliche Einladung, diese exotische Frucht wieder schätzen zu lernen und ihren Hintergrund mitzudenken beim Einkauf. Was da im Laden so leicht verfügbar und billig aussieht, ist nicht nur exotisch, sondern kostbar.
Mal abgesehen davon, dass noch niemand eine Lösung hat für die Zeit nach Cavendish. Also vielleicht sollte man deshalb extra bewusst einkaufen und genießen. Bevor uns die gelbe Köstliche verloren geht. Abwaschen nicht vergessen! Gerade die besonders billigen sind besonders stark mit Pestiziden belastet. Da sollte man auch die Schale auf keinen Fall braten oder kompostieren. Die ist Müll, eigentlich Sondermüll.
Eine wertzuschätzende Frucht
Wobei Carola Ruf nicht ganz so heftig klingt. Sie öffnet einfach den Blick auf unsere Bananenwelt und ein Stück weit auf das, was wir nicht sehen. Und – wenn es nach den interessierten Konzernen und Handelsketten geht – auch nicht sehen sollen und auch nicht lernen. Denn in der Banane steckt natürlich auch der ganze Irrsinn eines „Marktes“, der immer jene bevorteilt, die die miesesten und schlimmsten Produktionsbedingungen hat. Das wird sich ändern, ganz bestimmt.
Denn genau dieses Denken in „viel und billig“ macht unsere Welt kaputt. Auch das steckt in der Geschichte. Leider. Denn tatsächlich ist die Banane nicht nur süß, sondern tatsächlich gesund. Nachzulesen auf den Seiten 28 bis 32, bevor es an die Tipps geht, wie man Bananen frischhalten kann. Und dann kommen sowieso schon die Rezepttipps, die zum Teil auch sichtbar machen, wie lange die Banane schon zur Küchenkultur der US-Amerikaner gehört, die schon Bananenbrot buken, als die Europäer noch von Bananen träumten.
Zwei berühmte Bananenbrot-Liebhaberinnen werden erwähnt, ihre Rezepte sowieso. Und danach dürften auch alle auf Ideen gebracht werden, die Bananen bislang immer nur roh verputzt haben, ohne auch nur darüber nachzudenken, wie man daraus leckere Konfitüre machen kann, sogar herzhafte Gerichte wie Bananen im Speck, Suppen und Dipps, Salate, Aufläufe, Reisgerichte usw.
Ein wenig ist es auch eine kleine Reise in die Küchen jener Länder, in denen die Banane schon seit Jahrhunderten zu Hause ist. Und gekrönt wird die Rezeptauswahl natürlich durch allerlei süße Desserts und Drinks. Vielleicht Rezepte, die in künftigen Zeiten tatsächlich richtig exotisch wirken werden, wenn es nicht gelingt, die Banane zu retten vor dem Pilz.
Was dann freilich wieder mit unserem Denken in Monokulturen zu tun hat und unserem Nichtwissen darum, wie auch das gefährdet ist in unserer Ernährung, von dem wir eben noch – zusammen mit „Zonen-Gabi“ – glaubten, es wäre selbstverständlich.
Doch auch die Wohlstandsgesellschaft, in die wir uns 1990 haben aufnehmen lassen, ist weder selbstverständlich noch für die Ewigkeit. Es hat nur eben 30 Jahre gedauert, bis wir alle merkten, wie gefährdet ihre Grundlagen sind und wie blind sie gegenüber den Folgen des eigenen Wirtschaftens ist.
Am besten fangen wir wirklich damit an, die Banane wertzuschätzen. Und achtsam zu behandeln. Die Zeiten des (Bananen-)Slapstick sind vorbei. Es wird Zeit für Achtsamkeit und Nachdenklichkeit und eine echte Sorge um den Zustand unserer Welt.
Carola Ruff Bananen, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2021, 5 Euro.
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