Wer Bรผcher macht โ was der Katapult Verlag in Greifswald ja nun seit Herbst in eigener Regie macht โ der denkt auch darรผber nach, wie die Bรผcher mรถglichst umweltfreundlich werden. Sollte es zumindest. Und wer das tut, denkt eben auch รผber Bรคume nach und รผber die Wรคlder, in denen sie gefรคllt werden. So denken noch nicht alle Verlage. Zeit fรผr ein Waldbuch aus Greifswald.
Den Hinweis, dass die eigenen Bรผcher komplett auf Recyclingpapier gedruckt sind, hat der Verlag von Anfang an in seine Bรผcher gedruckt. Samt der Erklรคrung, wie viel Holz dadurch gespart wird. Und damit Bรคume. Und damit Wald. Aber wer wie die Greifswalder Katapult-Truppe erst einmal รผber so ein Thema nachdenkt, der braucht nach einem Buch-Thema nicht mehr zu suchen.Denn dass die Wรคlder weltweit in Gefahr sind und fรผr wirtschaftliche Interessen abgeholzt werden, von Trockenheit, Borkenkรคfern und Feuern bedroht sind, weiร ja mittlerweile jedes Kind. Aber warum ist das so? Und warum haben auch wir Deutschen einen riesigen Anteil daran, dass die Urwรคlder in Brasilien und Indonesien gefรคllt werden und boreale Wรคlder abgesรคgt werden? Und warum hat der Grillsport deutscher Fleischesser so viel mit dem noch viel radikaleren Abholzen afrikanischer Wรคlder zu tun?
Wer sich wirklich erst einmal mit dem Thema beschรคftigt, merkt ziemlich bald, wie viel kriminelle Energie dabei ist, die uns unsere falschen Bedรผrfnisse einredet und dafรผr genau all das zerstรถrt, was die Grundlage unseres รberlebens ist. Denn die Wรคlder sind nicht nur CO2-Speicher und Sauerstoff-Quelle, sie schรผtzen Bรถden, Trinkwasservorrรคte und Artenvielfalt.
Wissen wir das wirklich alles? Und kรถnnen wir uns das wirklich vorstellen?
Manchmal hilft ein Buch, in dem die versierten Macher/-innen von Katapult das Wichtigste, was wir zu Wรคldern wissen, wieder in einfach zu lesende Grafiken packen, Karten, die deutlich zeigen, was in simplen Zahlenangaben nicht vorstellbar ist โ etwa wenn man die weltweite Waldvernichtung einfach mal auf eine Europakarte projiziert oder die monotonen Forstkulturen auf deutschem Gebiet zeigt, die jetzt allesamt Probleme bekommen, denn Forste sind keine gewachsene Wรคlder. Sie sind artenarm und anfรคllig fรผr Sturm, Dรผrre und kleine Kรคfer. Aber welche Bรคume stehen da in unseren Stรคdten und warum? Und ist Deutschland wirklich ein waldreiches Land? Im Weltvergleich รผberhaupt nicht.
Kaum noch vorstellbar, dass Europa mal ein bewaldeter Kontinent war. Ebenso, dass der Schwarzwald mal eine Berglandschaft ohne Wald war, weil alles Holz verfeuert und verbaut wurde. Seit 300 Jahren lernen die Deutschen ja gerade erst wieder, was Nachhaltigkeit ist. Und seit sehr kurzer Zeit, dass die eingeรผbte Nachhaltigkeit eigentlich auch keine ist.
Dass wirklich widerstandsfรคhig nur artenreiche Wรคlder sind, die die Chance haben, sich selbst zu entwickeln. Aber beschรคmend wenige Flรคchen Wald sind tatsรคchlich so geschรผtzt, dass sie die Chance haben, sich verschont von menschlichen Eingriffen zu entwickeln.
Wie wichtig aber intakte Wรคlder fรผr unser Trinkwasser sind, zeigt das Beispiel New York. China kรคmpft mit einem Wall aus Wald gegen die Ausbreitung der Wรผste Gobi. Und trotzdem geht in Dutzenden Lรคndern des Sรผdens das Waldfรคllen weiter, um den reichen Norden mit Soja und Palmรถl zu versorgen. All das gehรถrt natรผrlich zu unserer eigenen Bilanz der Weltvernichtung. Genauso wie der Import von Holzkohle aus Afrika.
Man merkt schnell, dass es den Greifswalder Kartenzeichnern gar nicht so sehr um ein anarchistisches Wald-Kรคmpfer-Buch geht, auch wenn ihnen klar ist, dass es eigentlich egal ist, was eine verlogene Politik sagt, die stรคndig von den bedrohten Wรคldern redet, ihre Zerstรถrung fรผr unseren รberfluss aber billigend in Kauf nimmt.
Die Katapult-Mannschaft hat sich deshalb inzwischen selbst ein Grundstรผck mit einem alten Schulgebรคude drauf besorgt, auf dem sie jetzt Wald pflanzen will. Dabei kann man ihnen helfen, heiรt es im Buch, das sich somit auch als eine Einladung versteht an alle, die mitmachen wollen, wieder Wald zu schaffen, wo heute keiner (mehr) ist. Das Wรถrtchen illegal hat eher mit dem zu tun, was die Eichhรถrnchen und Eichelhรคher machen: die Samen der Bรคume weitflรคchig im Gelรคnde zu verteilen.
Die Tiere โvergessenโ ihre Vorratslager irgendwann (wahrscheinlich legen sie einfach sicherheitshalber mehr an, als sie zum รberwintern brauchen), und irgendwann wachsen dann neue Eichen, wo man sie zuvor nicht vermutete. Und verwilderte Flรคchen gibt es genug. Vielleicht nicht in Groรstรคdten wie Leipzig. Aber wรคhrend die groรen Stรคdte sich immer mehr verdichten und immer mehr Land fressen, verรถden drauรen die Dรถrfer und einstigen Industriereviere.
Da gibt es sehr wohl Platz fรผr jede Menge Wald. Und in der Regel wรคchst er dann auch von allein, wenn der Mensch nicht wieder mit der Axt anrรผckt. Was er meist tut, weil er nicht loslassen kann. Weil er im Kopf nicht fertigbekommt, Wildnis wieder zuzulassen, wenn die wirtschaftliche Nutzung vorbei ist. Das ist das fatale Wachstumsdenken in unseren Kรถpfen โ und vor allem der Leute, die an Immobilienbesitz hรคngen.
Und das Buch erklรคrt nicht nur kurzweilig, was fรผr Wald dann wieder wรคchst, wenn der Mensch aufhรถrt, unbedingt Forstwirtschaft betreiben zu wollen โ wie derzeit im Nationalpark Harz, wo der Borkenkรคfer nach den Dรผrrejahren richtig zugeschlagen hat. Oder auf alten Truppenรผbungsplรคtzen oder leerstehenden Industrieruinen.
Dann kommen erst die Pionierbรคume und dann setzen sich in der Regel jene Bรคume durch, die an unsere klimatischen Bedingungen am besten angepasst sind. Das Ende der monotonen Kiefernwรคlder ist jetzt schon absehbar. Was nicht bedeuten muss, dass die Waldbewirtschaftung endet. Denn natรผrlich ist Holz immer noch die bessere Alternative, wenn es um die Bindung von CO2 geht, im Gegensatz zu Beton etwa oder Plastik.
Aber natรผrlich sind viele Bรคume, die einst unsere Landschaft begrรผnten, vom Aussterben bedroht. Weniger durch die Trockenheit der letzten Jahre, als durch Parasiten, die aus Asien eingeschleppt wurden. So sterben die Ulmen und Eschen vor unseren Augen. Schlampige Globalisierung quasi zum Anschauen.
Welche Bรคume das betrifft und welche Bรคume wahrscheinlich eine Chance haben, auch kรผnftig in unseren Wรคldern und Auen zu wachsen, das erzรคhlen die Autor/-innen in einem eigenen flott beschriebenen Bรคume-Erkennungsteil. Das Buch ist also quasi schon mal ein halbes Schulbuch, das man auch im Biologieunterricht benutzen kรถnnte, wenn es da noch intensive Lernstunden zu unseren heimischen Baumarten geben wรผrde.
Und wenn es sie gibt, ist das Buch genau richtig, einfach mal loszuziehen und Bรคume an ihren Blรคttern, Stรคmmen und Frรผchten zu erkennen. Und zugleich kann man sich Gedanken darรผber machen, warum manche Bรคume uralt werden und manche schnell wachsen und frรผh vergehen.
Es ist wie eine frรถhliche Rรผckerinnerung daran, was wir alle รผber die grรผne Welt um uns wissen kรถnnen und was viele von uns einfach vergessen haben, weil man damit in der groรen Stadt scheinbar nichts mehr zu tun hat. Aber nicht nur in Greifswald hat ja mittlerweile auch die Mehrheit der Bรผrger begriffen, wie wichtig jeder einzelne Baum ist, egal, wie unspektakulรคr er aussieht.
Und einige Beispiele im Buch erzรคhlen eben sehr anschaulich, wie sich selbst das Mikroklima und der Grundwasserhaushalt (wieder) verรคndern, nachdem profitgetriebene Menschen die Bรถden ausgelaugt haben und mutige Leute wieder beginnen, Bรคume zu pflanzen. So wird sehr anschaulich, wie wir als Menschen angewiesen sind auf diesen sonst so still ablaufenden Kreislauf, in dem Wรคlder nicht wegzudenken sind.
Aber eben anders als im romantischen Sinn, als deutsche Stadtflรผchter das Wort โWaldeinsamkeitโ erfanden und die Wanderromantik des 19. Jahrhunderts, die das Gehรถlz (selbst wenn es nur ein strammer Forst war) regelrecht mythisierten โ bis hin zum Eichenpflanzen in der Nachkriegszeit, das dann bildhaft auf die DM-Geldmรผnzen kam.
So haben die Autor/-innen hier einfach mal alles zusammengetragen und phantasievoll bebildert, was sie zum groรen Thema Wald fรผr wichtig hielten. Ein echtes Einsteigerbuch fรผr alle, die schon mal die Grundlagen haben wollen, bevor sie sich in die Bรผcher von Peter Wohlleben stรผrzen oder in das โWaldbuchโ von Esther Gonstalla, die sich noch viel stรคrker mit dem Wald als Gesamtorganismus beschรคftigen.
Denn tatsรคchlich lernen und begreifen wir ja gerade erst, welche Rolle die Wรคlder in unserer Welt tatsรคchlich spielen. Und wie kleinkariert wir sie in der Vergangenheit immer behandelt und misshandelt haben. Wenn man die ersten Schritte gegangen ist, entwickelt man wohl genau jene Liebe zum neuen Wald, die die Katapult-Mann-und-Frauschaft hier unter die Menschen bringen mรถchte.
Noch mit dem Etilkett โillegalโ, weil nun einmal stimmt, dass die deutschen Waldgesetze allesamt noch den Geist eines vergangenen Zeitalters atmen, in dem Wald vor allem als Forst betrachtet wurde โ ihr Ursprung waren ja nun einmal herrschaftliche Forstgesetze. Den drรคngenden Ansprรผchen von Klimawandel und Artenverlust genรผgen diese Gesetze schon lange nicht mehr.
Aber auch das findet man im Buch: Wie viel Verรคnderung ist mรถglich, wenn allein in Deutschland 1,1 Millionen Menschen direkt und indirekt mit der Holzwirtschaft zu tun haben? Und die anderen 80 Millionen nicht mal ahnen, dass ihr Grillsteak und ihr Schweinebraten eine Menge mit den brennenden und sterbenden Wรคldern des Sรผdens zu tun haben?
Man merkt schon, dass hier Naturwissenschaftler mitgestaltet haben. Vor der Verรคnderung steht das Wissen. Und wer wissen will, hat hier die leichte, zuweilen augenzwinkernde Einfรผhrung in ein Thema, das uns nicht mehr loslassen wird.
Wie man illegal einen Wald pflanzt, Katapult Verlag, Greifswald 2021, 18 Euro.
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