Augenscheinlich ist es so, dass die meisten Schweizer nicht lesen können oder wollen. Sonst hätte die Schweiz jetzt nicht solche Probleme mit der Corona-Epidemie, die durchaus dem sächsischen Drama ähneln. Nur dass der König von Sachsen inzwischen einen harten Lockdown verhängt hat, die Schweizer aber weiter Skipartys feiern. Dabei erschien im Frühjahr dort ein Kinderbuch, das alles erzählt, was man wissen muss zu König Corona. Kindgerecht. Also für Schweizer und Sachsen.
Zum Schweizer Corona-Chaos berichtete zum Beispiel Juan Moreno im „Spiegel“ am 18. Dezember. Dabei ist das mit diesem Coronavirus gar nicht so schwer. Man braucht nur ein bisschen Phantasie, um sich so einen kleinen wütenden Corona-König vorzustellen, der neidisch darauf ist, dass andere Leute viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Er ist ja winzig-klein, so klein, dass man ihn unter einem normalen Mikroskop nicht sehen kann.
Ein kleiner Wicht mit einem enormen Ego, der dabei genau auf dieselben dummen Gedanken kommt wie die großen kleinen Wichte bei den Menschen: Er schickt seine Soldaten los, um möglichst viel Unheil anzurichten. Da denken auch Kinder sehr schnell an Typen, die sie aus dem Fernsehen nur zu gut kennen – all diese kleinen Wichte, die sich als Diktatoren gebärden und mit Bosheit und Gemeinheit jede Menge Aufmerksamkeit bekommen.
Eigentlich ist Isabelle Bitterli eher Gastronomie-Autorin, erzählt in Büchern eben auch gern Geschichten über Gasthäuser. Wozu man manchmal viel Phantasie braucht, wie wir ja alle aus Wilhelm Hauffs „Gasthaus im Spessart“ wissen. Da sitzt man dann in dunklen Winternächten, draußen pfeift der Sturm und irgendwer erzählt von wilden Räubern. Oder halt von einem gemeinen König Corona.
Was ja im Frühjahr tatsächlich so war, als zumindest den phantasiebegabten Menschen endgültig klar war, dass dieser König Corona nicht mehr nur im fernen China wütete, sondern mittlerweile mit seinen Truppen längst in Italien angelangt war, im Ski-Party-Paradies Ischgl, im rheinischen Karneval und … klar: auch in der Schweiz.
Und man kann sich Isabelle Bitterli gut vorstellen, wie sie ihren Kindern die Geschichte genau so erzählte, damit sie ein Bild davon bekamen, warum dieser winzige, unsichtbare König so gefährlich ist, warum er Menschen krank macht und sterben lässt. Und warum er dabei so erfolgreich war und so viele Menschen ansteckte, immer mehr.
Aber die Geschichte wollte Bitterli nicht nur für sich behalten. Es war ja in der Schweiz ganz genauso wie in Deutschland: Nicht nur Kinder nahmen die Sache nicht so ernst. Ziemlich viele Erwachsene benahmen sich wie Kinder und tun es bis heute. Und auch die erschienen im Fernsehen und sorgten für neue Verwirrung. Was besorgte Mütter zu recht wütend machen kann. Was tun?
Sie tat sich mit dem Illustrator Werner Nydegger zusammen, der die König-Corona-Geschichte in große, farbenfrohe Zeichnungen verwandelte. Jetzt kann jeder sehen, wie dieser kleine gemeine König und seine schleimigen Soldaten aussehen.
Eben so, wie man sich kleine und gemeine Könige vorstellt. Die Bilder zeigen, wie König Coronas winzige Soldaten die ganze Welt erobern, Schlagzeilen machen und die klügeren Menschen dazu bringen, Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Denn darum geht es eigentlich. Die Kinder sollen ja begreifen, warum sie sich jetzt noch öfter die Hände waschen sollen, Abstand zu anderen Leuten halten sollen, Oma und Opa nicht besuchen dürfen und so weiter.
Ab Mai entstand gleich eine ganze Website, auf der es nicht nur um das Buch geht. Dort wird unter „Aktuelles“ auch erzählt, wie man sich gegen Corona schützen kann. Und wie eine Art Tagebuch wird erzählt, wie alles in China begann und wie die Geschichte aktuell in Europa weitergeht.
Mit zuweilen verblüffenden Nachrichten, wenn man nun weiß, dass „König Corona“ schon im Frühjahr in der Schweiz erschienen ist und eigentlich sehr anschaulich erklärt, wie die Virus-Armee um die Welt zieht und was man alles nicht tun sollte, um nicht von den kleinen fiesen Soldaten niedergestreckt zu werden. Kindgerecht.
Bis hin zu dem kleinen Mädchen, das lernt, dass man Oma jetzt wirklich nicht besuchen darf, damit sie nicht krank wird. Aber Oma weiß, wie man mit der Sache umgeht: Die Kleine soll einfach jeden Tag aufmalen, was sie in dieser komischen Zeit erlebt. Denn später wird sie selbst mal Oma sein und ihren Enkeln erzählen, wie das damals war im Corona-Jahr. Damit die Botschaft nicht verloren geht.
Denn nichts ist so dumm wie Vergesslichkeit, wenn es um so elementare Dinge geht wie ein ansteckendes Virus. Und man ist beim Betrachten der märchenhaften Zeichnungen durchaus verblüfft, dass eigentlich alles, was wir wissen mussten, im Frühjahr schon klar war. Und dass wir alle eigentlich nur danach hätten handeln müssen. Aber irgendwie fehlt einigen Leute so jegliche Phantasie, sich die Folgen einer Epidemie wirklich ausmalen zu können.
Was wahrscheinlich eng damit zusammenhängt, dass sie nicht lesen können oder wollen. Und dass sie nicht mit Kinderbüchern aufgewachsen sind. Denn die wichtigsten Geschichten, die einem die Ungewissheiten im Leben erklären, lernt man nun einmal mit den Märchen der Kindheit. Aber nicht mit den überdrehten Kinderfilmen im Fernsehen. Denn für Phantasie und das wirklich ernsthafte Nachdenken über das Mögliche und Wahrscheinliche braucht man ein Köpfchen mit Phantasie.
Das ist die Voraussetzung dafür, sich zu wappnen und kluge Vorkehrungen zu treffen, damit Dinge nicht so schlimm kommen, wie sie meist werden, wenn gedanken- und verantwortungslose Leute einfach so tun, als wäre das Leben eine ewige Party. Ist es aber nicht. Außer für die Viren, die sich richtig austoben können, wenn sie auf dumme und phantasielose Menschen treffen.
Das Buch ist so aktuell wie im Frühjahr. Und man kann es sich auch nach Weihnachten noch schenken, wenn alle wieder darüber nachdenken, ob das nun alles bald vorbei sein wird. Aber das wird es noch lange nicht, auch wenn jetzt endlich die ersten Impfungen beginnen. Vorsichtig sagen ja die Mediziner, dass es im Sommer endlich ruhiger werden könnte.
Bis dahin gelten alle kleinen Regeln, die Isabelle Bitterli ihren Kindern mitgegeben hat und die in diesem Buch so schön anschaulich erklärt werden.
Isabelle Bitterli König Corona, Kobold Books, Olten (Schweiz) 2020, 19 Euro.
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Es gibt 3 Kommentare
Lieber Detlev, die meisten Menschen scheinen eine Corona-Infektion gut zu überstehen. Laut einer Metastudie von Prof. John Ioannidis, veröffentlicht von der WHO, liegt die Infektionssterblichkeit weltweit gesehen zwischen 0,00 und 1,63 Prozent. Bei Menschen unter 70 Jahren beträgt die durchschnittliche Rate sogar nur unter 0,025 Prozent.
Problematisch ist also Corona vor allem größtenteils für Menschen über 70. Darum ist die Sterblichkeit in Ländern, wo es nur wenige alte Menschen gibt, niedrig. Und in Ländern, wo es viele ältere Menschen gibt, höher.
Daher wäre es in Ländern, wo es viele ältere Menschen gibt, sinnvoll, diese Menschen zu schützen, die besonders gefährdet sind. So, und da kommt nun die Sache mit der Herdenimmunität ins Spiel. Ich glaube, von allein dauert das ein paar Jahrhunderte, bis so eine Herdenimmunität erreicht ist. Wenn Mensch das Ziel schneller erreichen will, fängt er an, zu impfen. Wenn man es mit einer ganz schlimmen Krankheit zu tun hat, die große Teile der Bevölkerung dahin rafft oder schädigt, wären Massenimpfungen auch irgendwo gedanklich nachvollziehbar.
Das macht aber Corona nicht – zwar sterben auch jüngere Menschen, aber viele “überstehen” die Krankheit, teilweise, ohne es überhaupt zu merken (eine Krankheit ohne Krankheitswert oder Leidensdruck ist vielleicht nicht mal eine richtige Krankheit). Ja, es gibt wohl hier und da Folgeschäden bei jüngeren Menschen, aber da bleibt es zu warten, ob die nicht doch auch wieder verschwinden. Ein häufiger Folgeschaden ist der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinn. Was aber bei vielen anderen Erkältungskrankheiten auch so ist – und da kommen diese Sinne irgendwann wieder. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe schon lange, lange vor Corona bei Erkältungen usw. regelmäßig in Folge den Geruchs- wie auch den Geschmackssinn verloren. Genaueres wird man aber erst in der Zukunft dann genauer wissen.
Ob und welche möglichen Folgeschäden eine Corona-Impfung hat oder eben auch nicht, kann man derzeit auch nicht wissen. Woher soll man das auch wissen können? Man kann versuchen, abzuschätzen und dann überzeugt sein. Aber Wissenschaftler waren vor ca. 100 Jahren davon überzeugt, das Radioaktivtät sehr gesund ist und man hat sehr viel radioaktives Wasser als Gesundheitsprodukt verkauft. Es gab sogar radioaktive Zahncreme, wurde verkauft unter dem Slogan “Erzeugt im Munde natürliche Frische”. Heute weiß man, dass das keine besonders gute Idee war. Sicher kann so eine Corona-Impfung langfristig völlig unbedenklich sein – wir wissen es aber im Endeffekt nicht genau.
Aber selbst wenn ein Staat es darauf ankommen lassen will und einfach mal entschließen würde, alle zu impfen, geht das nicht, weil auch gar nicht genug Impfstoff da ist.
Weiterhin ist nicht mal klar, ob ein gegen Corona geimpfter Mensch nicht doch Corona weiterverbreiten kann – das ist noch nicht erforscht. Wenn die Corona-Impfung keine sterile Immunität hervorruft, macht das erst Recht keinen Sinn, pauschal alle impfen zu wollen.
WENN die Impfung funktioniert und Menschen vor einem schweren Erkranken durch Corona schützt, wäre es daher logisch, v.a. die zu impfen, bei denen die Gefahr am größten ist, dass sie schwer an Corona erkranken – ich fände es aber unethisch, nun die alten Leute zwangszuimpfen, sie sollten dies selbst entscheiden. Folgeschäden, die erst in ein paar Jahren auftreten, wird ein 85jähriger größtenteils so oder so nicht mehr erleben, aber vielleicht lebt er immerhin ein, zwei, drei Jährchen länger und stirbt dann eben nicht an Corona, sondern an einer normalen Lungenentzündung, an einem Krankenhauskeim oder sonst was.
Dann reicht man auch mit den vorhandenen Impfdosen aus.
Wer ansonsten Angst vor Corona hat, kann sich sicher irgendwann freiwillig impfen lassen. Das ist sogar gut, wenn Menschen dies tun, weil man daran dann erforschen kann, ob es Folgeschäden gibt. Aber man muss auch nicht alle Menschen in Leipzig (was ja gar keinen Sinn macht, weil wir keine hermetisch abgeriegelte Stadt sind!) oder weltweit sofort impfen wegen Corona – erstens, weil man es gar nicht kann und zweitens, weil man es gar nicht muss.
Schön zusammengefasst hat das Sahra Wagenknecht hier:
https://www.youtube.com/watch?v=OskHcSVvIY4
Was ist eigentlich aus dem einst heiß diskutierten Thema Herdenimmunität geworden?🤔
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann kann das Impfzentrum Leipzig 1000 Personen am Tag impfen. Da jeder zweimal geimpft werden muss, sind es netto nur 500 Personen. In Leipzig wohnen ca. 600T Personen. 600T / 500 sind wieviele Tage? Bis dahin haben wahrscheinlich alle Covid gehabt. Und was ist mit dem Leipziger Umland?🤔
Oder kann ich nicht rechnen und alles ist viel besser?
Die Schweizer können schon lesen. Die sind auch nicht dumm. Sie haben sich schlicht eben für eine andere Lösung entschieden und schützen vor allem langfristig ihre Wirtschaft und die jüngeren Generationen. Man muss es nicht gut finden, dass dafür in der Schweiz sehr viele v.a. alte Menschen sterben. Aber wenn sich ein Land so entschieden hat, sollte man deren Entschluss akzeptieren und sie nicht als dumm bezeichnen. Vielleicht finden ja auch die Schweizer die Deutschen gerade dumm und lachen uns hinterher aus, wenn in Deutschland Heere von jungen Arbeitslosen entstanden sind, die dann zwar nicht Corona krank geworden sind, sondern unter den Folgen der Armut.
“Erika Biehn, stellvertretende Sprecherin des europäischen Armutsnetzwerks (EAPN), wies anlässlich der Generalversammlung der EAPN in Berlin auf den Zuammenhang zwischen Armut und Gesundheit hin: „Nach unseren Schätzungen haben arme Menschen ein zehnmal höheres Gesundheitsrisiko als Nicht-Arme.“ Im „European Health Report 2002“ der WHO wird Armut als größte Einzelbedingung für einen schlechten Gesundheitszustand bezeichnet. „Armut ist mit einer geringeren Lebenserwartung, höherer Kindersterblichkeit und einem höheren Ansteckungsrisiko bezüglich Infektionskrankheiten, vor allem HIV und Tbc, assoziiert“, heißt es in dem Report.
Finanziell schwierige Situationen führen zu weiteren Belastungen: So nimmt zum Beispiel der psychosoziale Stress zu, wodurch das subjektive Wohlbefinden armer Menschen weiter belastet wird. Durch das schlechtere psychische Allgemeinbefinden wird ein breites Spektrum von Krankheiten begünstigt. Die WHO nennt in diesem Zusammenhang Bluthochdruck und Magengeschwüre als direkt von Armut verursachte Krankheiten und spricht in ihrem europäischen Gesundheitsreport von einem „Teufelskreis aus Armut und schlechter Gesundheit“. Die Ursachen für Armut werden sowohl von WHO als auch EAPN vor allem in der Arbeitslosigkeit gesehen. Arbeitslose sind besonders anfällig für Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Arbeitslosigkeit macht krank”
https://www.aerzteblatt.de/archiv/34553/Sozialmedizin-Armut-bedroht-die-Gesundheit
Das ist eben alles nicht so einfach!