Schon Finale. Mit „Preis der Macht“ beendet Sabine Ebert ihre große Roman-Serie „Schwert und Krone“ über das Zeitalter Barbarossas. Am Ende ist auch Friedrich I. tot, der als Barbarossa regelrecht zur Legende in der deutschen Erinnerung geworden ist. Doch seinen Tod erleben wir nicht mit. An den erinnert sich nur Heinrich der Löwe auf seinem Totenbett. Er ist der Einzige, der alle die Helden dieser Geschichte überlebt hat. Und das Erstaunliche ist: Es gab sie tatsächlich alle.

Schon in ihren fünf „Hebamme“-Romanen, mit denen sie zur wohl berühmtesten deutschen Romanautorin im historische Genre geworden ist, hat Sabine Ebert die historische Authentizität in den Mittelpunkt gestellt, hat versucht, das Leben ihrer Romanfiguren so dicht an den belegbaren historischen Fakten und Lebensverhältnissen zu beschreiben, wie es irgend möglich ist.

Dass sie gar eine Frau in den Mittelpunkt ihrer Erzählung gestellt hat, machte ihre Romane auch aus diesem Blickwinkel besonders: Wie konnten sich (selbstbewusste) Frauen in einer Zeit behaupten, in denen Standesgrenzen fast unüberwindbar und die untergeordnete Rolle der Frau in patriarchalischen und kirchlichen Mustern vorgegeben war?

Und auch in ihrer Barbarossa-Reihe spielen Frauen eine eminente Rolle. Angefangen bei Richenza, die im ersten Band ihre Möglichkeiten nutzte, um direkt auf die Kaiserwahl Einfluss zu nehmen, bis zu Barbarossas Gefährtin Beatrix und der englischen Königstochter Mathilde, die an der Seite von Heinrich dem Löwen die Kämpfe um die Macht in Deutschland miterlebt.

Mit Hedwig, der Frau von Otto dem Reichen, Uta von Calw und Adela von Vohburg begegnen uns weitere Frauen, die historisch verbürgt sind, auch wenn sie in den Chroniken ihrer Ehemänner meist nur in der passiven Rolle auftauchen. Eine Rolle, die sie so bestimmt nicht wahrnahmen. Dazu waren sie zu gut gebildet und zu gut vernetzt. Und auch wenn Sabine Ebert vieles mit Phantasie ausfüllen muss, schafft sie mit ihren adeligen Akteurinnen dennoch ein sehr wahrscheinliches Bild der mittelalterlichen Adelswelt, die zwar dem Mann völlig hörig waren, aber in dessen Abwesenheit dennoch in der Lage sein mussten, das Land zu regieren.

Auch dann, wenn die Zweckheirat, bei der die jungen Frauen meist mit viel älteren Adelsprösslingen verheiratet wurden, nicht zu einer echten Partnerschaft wurde. Das Thema der Suche nach einer gleichberechtigten Partnerschaft beleuchtet Ebert in immer neuen Fallkonstellationen. Auch wenn Hedwig wohl in Wirklichkeit nie in Ottos Bruder Dietrich so heimlich verliebt war, wie wir es in diesem Buch erleben.

Sowieso diese Wettiner: Sie stehen noch viel mehr als Barbarossa im Mittelpunkt dieser Geschichte, mit der Sabine Ebert auch die üblichen Gewichte der Geschichtsschreibung verschiebt, die dieses 12. Jahrhundert meist nur unter dem Titel „Welfen gegen Stauffer“ behandelt und völlig ausblendet, welche Rolle eigentlich aufstrebende Adelsgeschlechter wie die der Askanier und Wettiner dabei spielten.

Eine einseitige Sicht, die auch ein wenig erklärt, warum auch Sabine Ebert vor Beginn ihrer fünfjährigen Arbeit an diesem Zyklus die Furcht hatte, sie könnte nicht genug historisch verbürgte Figuren für ihren Roman finden. Allein die Liste der historisch verbürgten Personen im Buch umfasst fünf Seiten. 20 Seiten umfasst die komprimierte Zeittafel zu den Ereignissen, die in den fünf Bänden behandelt werden. Lauter Ereignissen, die in den fünf Büchern zu Schauplätzen einer dramatischen, oft erschütternden Handlung werden.

Der vierte Band endete ja mit der gewaltigen Seuche, die das Heer Kaiser Barbarossas in Rom dezimierte und auch diesen Italien-Feldzug im Fiasko enden ließ. So wie auch den nächsten. Ganze Fürstenhäuser sind beim Feldzug in Rom erloschen. Das gesamte Machtgefüge im Heiligen Römischen Reich kommt ins Wanken. Und immer mehr erweist sich Friedrichs Freundschaft zu Heinrich dem Löwen als Belastung für das ganze Reich. Denn er hat den Löwen immer wieder bevorzugt und beschenkt, sodass der am Ende so stark ist, dass er nicht nur sämtliche Fehden anderer Fürsten mit militärischer Gewalt abwehren kann, sondern auch Barbarossa jede Unterstützung verweigert.

Und gerade mit den beiden Markgrafengeschlechtern im Osten – den Askaniern und den Wettinern – hat sich Heinrich der Löwe immer wieder angelegt. Verständlich, dass sie sich wehren. Seit über 20 Jahren gärt der Konflikt, der immer wieder zu Verwüstungen und Überfällen führt. Und je mächtiger Heinrich wird, umso mehr macht er sich die anderen deutschen Fürstenhäuser zum Feind. Nur Barbarossa will das lange nicht einsehen – bis zu dem Tag, an dem ihn Heinrich offen brüskiert, weil er glaubt, dass ihn dieser geschwächte Kaiser zu nichts mehr zwingen kann.

Sabine Ebert hat nicht ohne Grund dieses 12. Jahrhundert zum Schauplatz von zehn ihrer Romane ausgewählt. Es ist ein entscheidendes Jahrhundert, in dem man regelrecht zuschauen kann, wie Machtbesessenheit, Stolz, Intrige und Selbstüberschätzung einiger weniger Männer den Lauf der Geschichte verändern. Im Zentrum immer wieder Friedrich I. und Heinrich der Löwe, die sich benehmen, als könnten sie einfach mit Gewalt alles erreichen, was sie wollen. Die sich weder von ihren Kanzlern noch von Verbündeten wirklich raten lassen.

Sabine Ebert hat den Vorteil: Sie darf Partei ergreifen. Wenn auch in aller Zurückhaltung. Sie muss die Ereignisse und die Ergebnisse nicht „objektivieren“, wie das langweilige Geschichtsbuchschreiber meistens tun. Weshalb Geschichte selbst im Schulunterricht ziemlich automatisch dröge, zäh und langweilig wird. Als würden da irgendwo tatsächlich nüchterne Gesetze wirken und Menschen am Ende doch machen, was „die Geschichte“ von ihnen verlangt.

Gerade „Schwert und Krone“ zeigt, dass dem nicht so ist und Historiker gut daran tun würden, wieder mit Herzblut zu schreiben. Der Rahmen für das, was im 12. Jahrhundert in Deutschland und Italien geschah, war zwar gesetzt. Doch Geschichte ist kein Schachspiel, in dem auf Zug A zwangsläufig Zug B folgt. Menschen handeln gefühlsgetrieben und oft auch geradezu irrational.

Weswegen eigentlich nicht Barbarossa und Heinrich die eigentlichen Fixpunkte dieser Geschichte sind (dazu handeln sie viel zu impulsiv und besessen vom Geist der Macht), sondern dieser nüchterne Dietrich von Landsberg, der – anders als seine Brüder Otto und Gero – eher nach seinem Vater Konrad kommt.

Er handelt rationaler, selten einmal so impulsiv wie die anderen Akteure in diesem großen Spiel, in dem es nicht nur um die Kaiserkrone geht, sondern auch um ganz irdische Besitztümer. Bis hin zum Zugriff auf die Silbergruben bei Goslar, die am Ende dieses Buches zerstört werden, sodass der Weg frei ist für die Goslarer Bergleute, um im sächsischen Christiansdorf neu zu beginnen, dem großen Silberfundort, der bald schon zur Stadt Freiberg werden wird.

Auf einmal öffnet sich die viel zu enge Welfen-Stauffer-Geschichtserzählung und wird der Blick frei auf die sächsische Geschichte, die in diesem Fall freilich noch die Meißnische ist. Den Titel des Sachsenherzog trägt ja – bis zu seiner Entmachtung und Verbannung – noch Heinrich der Löwe. Aber mit der Aufteilung seines Herzogtums beginnt ja der Sachsentitel zu wandern – erst zu den Askaniern, später dann nach Meißen.

Wenn Sabine Ebert wollte, könnte sie ihr gewaltiges Geschichtsepos einfach weiterschreiben. Es gibt genug Ansätze für neue, ebenso imposante und personenreiche Stränge durch den farbigen Teppich der deutschen Mittelaltergeschichte. Mit den „Hebamme“-Romanen ist „Schwert und Krone“ sowieso schon eng verknüpft.

Aber man übersieht auch nicht, dass sie ganz bewusst den Wettiner/Askanier-Anteil an der großen Barbarossa-Geschichte endlich einmal in all seiner Wucht beschreiben wollte. Was übrigens auch eine zutiefst ostdeutsche Sicht auf Geschichte ist. Ohne diese Entwicklungen in den jungen Markgrafschaften an der Elbe ist die deutsche Geschichte des 12. Jahrhunderts nicht denkbar. Hier eroberten sich zwei Adelsgeschlechter eine dauerhafte Position, die künftig nicht mehr wegzudenken waren aus der deutschen Geschichte.

Und nachdem Sabine Ebert die Zeit der Völkerschlacht tatsächlich direkt aus ihrer Schreibstube in Leipzig beschrieb, zog sie zur Arbeit an „Schwert und Krone“ extra nach Dresden, um direkt an den Quellen zum wettinischen Teil dieser Geschichte zu sein. Von dort sind die Wege nach Freiberg, Nossen und Meißen nicht weit. Man reist dort auf historischem Grund, auch wenn natürlich von den Städten und Burgen der Zeit Otto des Reichen heute nicht mehr viel zu sehen ist. So wenig wie vom damals abgebrannten Halberstadt und der alten Welfenburg Haldensleben, die mehrfach vergeblich belagert wurde, bis sie Wichmann, der Erzbischof von Magdeburg, unter Wasser setzte.

Aber zur historischen Genauigkeit bei Sabine Ebert gehört auch ihr Wissen um die Lebensbedingungen ihrer Heldinnen und Helden. Prachtvolle Gewänder kontrastieren mit nur kärglich beheizten Burgen und Zelten, mit unhygienischen Bedingungen und der Allgegenwart eines frühen, oft gewaltsamen Todes. Auch Dietrichs Sohn Konrad stirbt früh – bei einem Turnierunfall. Viele Geburten lassen selbst Königinnen und Fürstinnen früh altern. Beatrix muss auf Friedrichs Feldzügen mit und hat irgendwann einfach die Nase voll von diesem ständigen Auf-dem-Pferd-Sitzen. Sehr anschaulich erzählt Ebert, wie sehr sich dieses immer von den Witterungen abhängige Leben von unserem bequemen Leben heute unterschied. Da bleibt nichts mehr übrig von der Glorifizierung des Mittelalters, wie man sie in alten Ritterromanen immer wieder finden kann.

Aber dadurch rücken uns die Protagonisten dieser Geschichte näher, hören sie auf, einfach nur edel oder heroisch zu sein, sondern werden Menschen, die genauso von persönlichen Motiven getrieben werden wie wir heute, die an die Zukunft ihrer Kinder und ihres Landes denken, fehlbar sind, manchmal auch einfach dumm und ignorant. Manche lieben das Spiel mit der Macht, ganz so wie die Karrieristen von heute, und sie sind genauso bereit, dafür auch Gesetze und Grenzen zu übertreten, ohne die geringste Vorstellung davon, was ihr Vorgehen eigentlich alles auslösen wird.

Und so wird auch Geschichte fassbarer als Ergebnis von Übermut, Machtwille, Improvisation, undurchdachtem Handeln und Zufall. Nichts, was im Jahr 1195 so war, wie es Heinrich der Löwe auf seinem Sterbebett erinnert, hat so kommen müssen, auch wenn einige wenige Akteure – wie Kaiser Friedrich und Heinrich selbst – natürlich deutlich mehr Einfluss auf die Entwicklung hatten als etwa Dietrich oder Pfalzgraf Otto von Wittelsbach.

Aber selbst sie stießen an ihre Grenzen, mussten erleben, dass sie mit ihrer Sturköpfigkeit scheiterten. Mal unterschätzen sie die Kraft ihrer Gegenspieler, mal mussten sie den Elementen Tribut zollen. Mal erlebten sie, dass selbst der stolzeste Kaiser scheitert, wenn er seinen eigenen Papst küren lässt.

Und mittendrin lässt Sabine Ebert natürlich auch wieder ihre ganz und gar nicht adeligen Figuren auftreten, die der Geschichte ja erst jene zusätzliche Dimension geben, die alte Chroniken nie zeigen. Denn was passiert eigentlich mit den einfachen Mägden, Knappen, Spielleuten, Bauern, Bergleuten, Stadtbewohnern, wenn die übergroßen „Helden“ der Geschichte ihre blutigen Feldzüge machen? Wer bringt den verdünnten Wein, schleppt die nassen Zelte, hilft den Schwangeren oder den müden, todkranken Helden, von welch letzteren wir eigentlich fast alle sterben sehen.

Mit Heinrichs Tod geht tatsächlich ein Zeitalter zu Ende, weshalb Sabine Ebert die Saga mit dem fast schon zufriedenen alten Haudegen und seinen Erinnerungen ausklingen lässt. Seine geliebte Mathilde ist schon sechs Jahre zuvor gestorben, Kaiser Friedrich 1190 auf dem Dritten Kreuzzug im Gebiet der heutigen Türkei. Dietrich starb sogar schon 1185.

Aber vielleicht erklärt gerade das das Ungestüm, mit dem Männer wie Heinrich der Löwe versuchten, ihre Interessen um jeden Preis durchzusetzen. Sie kannten noch keine Geschichtsbücher, ließen selbst nur ruhmreiche Chroniken über ihre Heldentaten schreiben. Sie wussten um die Kürze des Lebens und seine Gefährdungen. Alles, was zu erreichen war, musste in dieser Lebensspanne erreicht werden.

Und sie hatten alle vier große Träume, als wir sie im ersten Band der Reihe kennenlernten als junge Ritter: Friedrich, Heinrich, Dietrich und der dänische Königsanwärter Knut, der schon im Vorgängerband eines gewaltsamen Todes gestorben ist. In gewisser Weise haben wir mit ihnen exemplarisch einen Typus vor uns, der gelernt hat, dass Gewalt ein legitimes Mittel ist, jedes Ziel zu erreichen.

Und dass nur mit blanker Gewalt auch Interessen durchgesetzt werden können. Danach handeln zumindest drei von ihnen. Und Sabine Eberts Sympathie für diesen eher zurückhaltenden Dietrich ist unübersehbar. Gerade indem er darauf verzichtet, sich mit Gewalt zu profilieren, wird er zum Gegenbild seiner einstigen Jugendgefährten.

Und wer die vier ersten Bände kennt, weiß auch schon, wie sehr Sabine Ebert das filmische Erzählen liebt. Jedes ihrer mit berühmter Personage aufgeladene Kapitel wirkt wie die vorbereitete Szene für eine regelrechte Filmserie über das Zeitalter Barbarossas. Und eigentlich wäre es eher verwunderlich, wenn kein begabter Regisseur diesen Stoff für sich entdeckt. Eine Regisseurin würde auch nicht überraschen. Denn indem Sabine Ebert den Berühmtheiten dieses Zeitalters Leben einhaucht, macht sie diese alle zu erlebbaren Charakteren, Typen, die einem nicht mehr fremd und kolossal vorkommen, sondern zutiefst menschlich.

Mit all ihren Fehlern, Verletzlichkeiten, selbst dem Unbehagen an einer von Zeit und Moral vorgegebenen Rolle. Man fühlt mit ihnen, wenn sie frieren, im Feldlagermatsch stecken, Angst um ihre Liebsten haben oder in Situationen landen, in denen jedes falsche Wort den Tod bedeuten kann.

Der fünfte Band vollendet eine dichte und farbenreiche Reise in ein Zeitalter, das auf seine Weise faszinierend ist. Aber halt auch auf eine Weise faszinierend, dass man beim Zuschlagen des Buches heilfroh ist, in einem späteren Jahrhundert gelandet zu sein.

Sabine Ebert Preis der Macht, Knaur Verlag, München 2020, 19,99 Euro.

Herz aus Stein: Ein neues Kapitel im großen Barbarossa-Panorama mit starken Frauen, blutigen Kriegen und hartherzigen Herrschern

Herz aus Stein: Ein neues Kapitel im großen Barbarossa-Panorama mit starken Frauen, blutigen Kriegen und hartherzigen Herrschern

 

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar