Wenn man so seine Liste der fertiggestellten Bücher liest, dann hat der fränkische Autor Willi Weglehner wohl jahrelang nichts anderes getan, als einen Roman nach dem anderen in die Tasten zu hauen, bevor er daranging, für die Bücher auch Verlage zu suchen. Einige dieser Bücher hat der Leipziger Einbuch-Verlag in sein Programm aufgenommen. Die „Republik am See“ ist das fünfte, geschrieben, wenn man so auf Weglehners Liste schaut, schon 2007. Ein Jahr, in dem er sich mit '68er-Bissigkeit der deutschen Elite widmete.
Jener Elite, die nicht nur in der Politik gern die erste Geige spielt, sondern auch im Staatsapparat gern die Leitungsposten besetzt, jene, wo die Gelder verteilt werden, wo der richtige Titel und ein wohlklingender Arbeitsbereich genügen, um Geldströme in Gang zu setzen und für die wildesten Ideen, die Millionen abzuzweigen.
Wo man mit Beamtensalär sowieso schon für alle Zeiten ausgesorgt hat und nie ein Minister auf die Idee käme, die Abteilung zu schließen, wenn sie sich als völlig überflüssig erwiesen hat. Im Gegenteil: Keine Abteilung lässt sich schwerer schließen als eine, die sich mit kreativer Langeweile ein Betätigungsfeld ausgesucht hat, von dem kein Mensch wirklich weiß, was dahintersteckt.
So viel zumindest zu „Die Geschäftsstelle“.
In „Republik am See“ begegnen wir einigen dieser Typen, die durchaus auch in „Die Geschäftsstelle“ gepasst hätten, lauter älteren Pensionären, Amtsträgern a. D. oder i. R., die sich auf dem Campingplatz am Niederndorfer See einen ruhigen Lebensabend gönnen, gemeinsam im Gasthaus feiern oder auch mal Karten spielen.
Mittendrin der Held der Geschichte, Sixty-Six, der seine Pappenheimer zwar kennt, es aber für gegeben nimmt, dass die Herren wohl allesamt so ihre dunklen Vergangenheiten und versteckten Ersparnisse haben. Er ist so eine Art Konfliktlöser, wohl auch, weil er mit seiner Leidenschaft fürs Glücksspiel eher zu den harmloseren unter den älteren Herren gehört. Außerdem hat er so einen gut gepflegten Helferkomplex, mit dem diese Geschichte ins Rollen kommt. Denn schon allein die Vermutung, dass sein Freund ME zwosechszwo in finanziellen Kalamitäten stecken könnte, bringt ihn dazu, unter den Honoratioren des Campingplatzes eine Hilfsaktion zu starten.
Doch man wäre nicht unter deutschen Honoratioren, wenn daraus nicht sofort wieder eine lukrative Geschäftsidee werden würde, frei nach dem Brecht-Motto aus der „Dreigroschenoper“: „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“
Nur dass in Willy Weglehners Buch die Grenzen verschwimmen. Denn sein Held hegt auch noch warmherzige Verbindungen in das wirkliche (klein-)kriminelle Milieu. Und einige Figuren, denen wir begegnen, könnten durchaus auch in der „Dreigroschenoper“ auftauchen. Den ersten Schritt ist ja Brecht schon gegangen, als er die Handlung von John Gays „The Beggar’s Opera“ von 1728 ins halbseidene Unternehmermilieu der 1920er Jahre verlegt hatte. Aber was passiert mit einer Gesellschaft, in der das Spekulanten-Denken nicht nur diverse Manager dubioser Konzerne erfasst, sondern auch ihre Kumpel und Freundschaftsdienstleister in Ämtern und Ministerien?
Dann bekommt man genau diese älteren Herrschaften, die von der Idee, eine eigene Privatbank zu gründen und ihr einen sozialen Anstrich zu geben, zutiefst bezaubert sind. Denn damit lässt sich ja das eh schon schwarz beiseite geschaffte Geld mustergültig vermehren, erst recht, wenn es nach Schweizer Vorbild auch noch gelingt, die zwielichtigsten Geldanleger aus aller Welt anzulocken.
Schon in diesem Teil der Geschichte schwelgt Weglehner geradezu darin, seine honorigen Ex-Richter, Ex-Unternehmensberater, Ex-Ministerialräte in ausschweifenden Reden ihre Art der Wortakrobatik vorzuführen, mit der auch noch der schlimmste Egoismus und die kriminellste Energie zu einer Wohltat für die Allgemeinheit verwandelt werden. Zumindest verbal.
Was wir ja nur zu gut kennen. Denn Weglehner schrieb die Geschichte ja genau in dem Jahr auf, als einem die enthemmten Manager, Finanzberater und Politiker noch wärmstens Aktien und Anleihen aufschwatzten, obwohl in den USA die Subprime-Krise schon längst ausgebrochen war.
Weglehners Buch ist ein Porträt dieser Elite, die gelernt hat, ihre Gier als soziale Wohltäterschaft zu verkaufen. Und in der es auch zu den guten Gepflogenheiten gehört, dass ein Ganove versucht, die anderen Ganoven auszutricksen und den Reibach der so wohltätigen Unternehmung aufs eigene Konto zu schaufeln. Tatsächlich trauen sich die Herren gegenseitig nicht.
Und das Misstrauen ist nur zu berechtigt, wie auch Sixty-Six bald merkt. Wo der Mammon lockt, werden bei solchen Leuten alle kriminellen Energien geweckt. Dann beginnt das Zocken und die Sache wird immer größer, weil immer mehr dubiose Gestalten angelockt werden.
Am Ende wird der Campingplatz geradezu überrannt von Glücksrittern, die die Botschaft sehr wohl vernommen haben, dass hier jemand das Rezept zum Geldscheffeln gefunden hat. Und dass es dazu eigentlich keine Ausbildung braucht, noch das richtige Kauderwelsch (gern auch Kaderwelsch), das merkt auch Sixty-Six, als er sich das moderne Managergeschwafel aus einem BWL-Lehrbuch aneignet und die ganze Bande der Honoratioren überrascht, die nur allzu schnell überzeugt sind, dass Sixty-Six jetzt tatsächlich der Profi ist, der sie selbst nicht sind.
Denn das Geniale an diesem Managersprech ist: Nicht einmal die Leute, die es benutzen, können einen Dumpfbeutel tatsächlich von einem unterscheiden, der wirklich versteht, was er da redet.
Bevor die Politiker angefangen haben, entleerten Unfug zu reden, haben das die Vertreter des Business-Sprech schon lange gekonnt. Blenden ist alles. Und es funktioniert in der zunehmend von Misstrauen und Heimtücke heimgesuchten Camping-Gesellschaft so lange, bis sich die Herren in ihrem Größenwahn völlig übernehmen und gleich noch eine eigene Republik ausrufen und quasi durchexerzieren, was wir jüngst erst mit dem Brexit erlebten.
Nur dass die Möchtegern-Republik der gierigen Strolche an einem fränkischen See nicht wirklich mit England vergleichbar ist. Am Ende rückt das SEK an und macht dem Spuk, der nur äußerlich ein wenig der Freien Republik Wendland ähnelt, kurzerhand ein Ende.
Denn zwielichtige Banken werden ja auch in Deutschland lieber verschont. Oder gar mit Steuermilliarden gerettet, wie wir das ab 2009 erlebt haben. Abtrünnige Landesteile aber kann auch eine sonst eher tatenunlustige Kanzlerin nicht dulden. Da wird durchgegriffen. Bert Brecht hatte recht. Daran hat sich seit 1931 nichts geändert. Wobei die honorigen Herren in dieser Geschichte am Ende ebenfalls relativ ungeschoren davonkommen.
Es liegt halt nicht im Staatsinteresse, so halbkriminelle Herren öffentlichkeitswirksam vor Gericht zu stellen. So entfleuchen sie in alle Welt. Und auch Sixty-Six bricht mit seinem Kumpel ME zur Weltreise auf. Denn der hat bei der Gelegenheit ja auch genug Geld beiseitegeschafft, um sich endlich mal was gönnen zu können.
Denn seltsamerweise taucht bei solchen Fällen das entwendete Geld nie wieder auf, ist verschwunden in dunklen Kanälen. Schlich sich beiseite und die ehrenwerten Herren können weiter das Lied vom Anstand singen. Es ist zwar keine wahre Geschichte, die Willy Weglehner hier geschrieben hat, aber eine, die einem nach allerlei Bankenskandalen (auch gern mit honorigen Landesbanken) nur zu bekannt vorkommt.
Genauso wie die Reden, die Weglehners Helden schwingen, schönster moralischer Sermon, wie wir ihn von ehrenwerten Amtsträgern nur zu gut kennen. Heiße Luft mit Pathos. Und es bleibt das Gefühl, dass sich diese Art Reden und Denken wie Schaum auf unsere Gesellschaft gelegt hat und manche Amtsträger nicht einmal mehr merken, was für ein hohler Stuss es ist, den sie reden. Aber er findet trotzdem den Beifall von Publikum und Reportern, denen längst das So-scheinen-als-ob wichtiger ist als das, was die feinen Herren tatsächlich sagen. Ganz zu schweigen von dem, was sie tun.
Willi Weglehner Republik am See, Einbuch Buch- und Literaturverlag, Leipzig 2019, 14,40 Euro.
Wat denkste, Karfunkel? Willy Weglehners augenzwinkernder Roman über einen alten 68er
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