Im vergangenen Jahr feierte die Straße der Romanik ihren 25. Geburtstag. Sie hat sich in dieser Zeit zu einer der bekanntesten Tourismus-Straßen in Deutschland entwickelt, auch weil sie mit eindrucksvollen Bauwerken der Romanik jenes Zeitalter lebendig macht, in dem sächsische Könige und Kaiser jenes Land formten, aus dem im Lauf der Zeit unser heutiges Deutschland wurde. Und das ausgerechnet in Sachen-Anhalt.

Könnte man so sagen, wenn man die Vorurteile der Gegenwart in die Vergangenheit projizieren möchte. Aber wenn man genauer hinschaut, dann wird mit den Ottos und Heinrichen auch etwas sichtbar, was dem heutigen Deutschland so sichtlich fehlt: der Wille, die widerstreitenden Interessen von lokalen Fürsten und Landesteilen zusammenzubinden unter einer großen, vereinenden Idee. Einer Idee, die sich auch in den Bauten dieser Zeit verkörperte, von denen es gerade in dieser Region an Saale und Elbe besonders viele prächtige Zeugnisse zu sehen gibt, denn hier bauten die Ottonen ihre prächtigen Pfalzen, Burgen und Dome, schufen sich auch architektonisch markante Orte, mit denen sie ihre Macht demonstrierten. Und die zentrale Rolle von Glauben und Kirche.

Wofür ja gleich der Auftakt dieser Bilderreise durch das 10., 11. und 12. Jahrhundert steht – die Ruinen des Klosters Memleben. Der südliche Teil der Straße der Romanik ist ja von Leipzig aus leicht erreichbar. Auf diesem Südteil der Route liegen so attraktive Reiseziele wie das alte Kloster Schulpforta, der Dom in Naumburg, die Neuenburg bei Freyburg, das Kloster auf dem Petersberg oder die mächtige Burg Querfurt.

Natürlich sind es aus Stein gebaute Burgen, Klöster und Kirchen, die man heute noch besichtigen kann, jene Bauten der Macht und des Glaubens, die aus haltbarem Material gebaut wurden. Von den Profanbauten jener Zeit existiert ja kaum noch etwas, da sie aus Holz und Lehm und Stroh gebaut wurden. Andererseits waren auch die Bauten der Mächtigen stets gefährdet, wurden ebenso Opfer von Bränden, Kriegen, Verwüstungen.

Kurz geht der Kulturhistoriker Michael Pantenius darauf ein, wie viele Burgen allein auf sachsen-anhaltinischem Gebiet einst existiert haben müssen. Er geht von rund 1.000 nachweislichen Burgen aus, von denen aber gerade einmal noch zwei Dutzend besichtigt werden können. Wobei der emsige Burgenreisende weiß, dass das nur die gut erhaltenen sind. Wer sich auch mit schnöden Ruinen zufrieden gibt, findet noch etliche mehr.

Und zwar auch da, wo sie vor über 1.000 Jahren von den sächsischen Königen oder ihren Vasallen gebaut wurden, um das Reich gegen Osten abzusichern. Denn bis weit ins 12. Jahrhundert hinein galten die östlich von Elbe und Saale lebenden Slawen als unbefriedet, wagten mächtige Slawenfürsten immer wieder den Aufstand, was auch die Bischöfe zwang, immer wieder auch ihren Bischofssitz zu verlegen – im Buch erwähnt an den Fällen Havelberg und Zeitz/Merseburg.

Es war keine friedliche Zeit, diese Zeit der Romanik, in der Otto I. die Stadt Magdeburg zu seiner Vorzeigestadt machte. Logisch, dass man in Magdeburg allein vier Zeugen der Romanik besichtigen kann, als größten natürlich den Magdeburger Dom mit der Skulptur Ottos und seiner ersten Gemahlin Editha. „Überhaupt die Frauen der Ottonen …“, seufzt Pantenius auf Seite 90 dieses überarbeiteten Reisebuches zur Straße der Romanik, um dann auf die erstaunliche Rolle der byzantinischen Prinzessin Theophanu zu kommen, der jungen Gemahlin Otto des Zweiten, die nach dessen Tod für den noch minderjährigen Sohn das Reich regierte.

Das Buch ist ein Klassiker im Programm des Mitteldeutschen Verlages. Aber so wie die Straße der Romanik immer neue restaurierte Kleinode dazu bekommen hat, hat das Buch neue, regelrecht dramatische neue Fotos bekommen, in denen Sebastian Kaps versucht, die eindrucksvollen Schauplätze verbürgter deutscher Geschichte auch ebenso eindrucksvoll ins Bild zu setzen. In Bildern , die nachempfinden lassen, wie sich die Menschen vor 1.000 Jahren möglicherweise gefühlt haben mögen beim Durchschreiten der klösterlichen Kreuzgänge, beim Aufsuchen ölfunzelerhellter Krypten oder beim Gottesdienst in den romanischen Kirchenräumen.

Und es sind nicht nur die Dome der Mächtigen, die ins Bild kommen. In vielen Gemeinden des Bundeslandes haben sich auch steinerne Dorfkirchen aus dieser Zeit erhalten, unverändert in ihrer äußeren Gestalt, trutzig auf Hügeln über der Landschaft stehend, die ältesten noch mit starkem Westwerk, natürlich nach Westen gerichtet, dorthin, wo in der Himmelskunde des Christentums die Finsternis waltet, während das Licht aus dem Osten kommt und die Altäre beleuchtet.

Das Buch ist kein richtiger Reiseführer, auch kein Stationenbuch für die Straße der Romanik. Wer sich wirklich alle Orte auf dieser Achter-Route anschauen wollte, wäre Wochen und Monate unterwegs, würde hinterher aber den größten Teil Sachsen-Anhalts wie seine Westentasche kennen. Pantenius’ Text ist eher eine kulturhistorische Empfehlung, die sich die wichtigsten Glanzstücke herauspickt, die Orte, die man unbedingt gesehen haben muss, um ein richtiges Bild des ottonischen Zeitalters für sich zu gewinnen. Dazu gehören die berühmte Stiftskirche in Gernrode genauso wie Quedlinburg mit dem geschichtsträchtigen Schlossberg, der Dom zu Halberstadt und die Burg Falkenstein. Die alte Pfalz Tilleda wird berührt und mit Beuster der nördlichste Punkt auf der Route erreicht.

Eine Karte im Buch zeigt, was man sonst noch so finden kann, wenn man sich wirklich richtig viel Zeit mitnimmt und auch ohne die Empfehlungen von Pantenius auf die Reise geht. Man kann ja immer wiederkommen und sich dann ganze Gegenden vornehmen, um dort die Zeugnisse des Hochmittelalters zu suchen und zu bestaunen. Und die Auswahl, die Pantenius und Kaps getroffen haben, macht ganz bestimmt neugierig auf diese architektonische Zeitepoche, deren steinerne Bauten noch heute vom Empfinden der damaligen Menschen erzählen.

Und da Pantenius auch die architektonischen Befunde kennt, kann er so manches erzählen, was überrascht. Etwa über die einstige Farbenpracht in heute weiß getünchten Kirchen, die Symbolik von alten und neuen Fabelwesen oder den Ort, wo der Minnesänger Heinrich von Veldeke sang. Und Pantenius kann es den Besuchern von Burg- und Mittelalterfesten nur zu gut nachempfinden, dass sie immer wieder eintauchen wollen in die Welt eines doch eher fiktiven Mittelalters. Denn die Pracht der steinernen Bauten erzählt natürlich nichts über das wirkliche und harte Leben in dieser Zeit, als die benachbarte Markgrafschaft Meißen noch großflächig von Wald bedeckt war und deutsche Könige noch mit Heeresgewalt für Frieden sorgen mussten in einem Reich, in dem sich die Fürsten nur allzugern stritten und rauften. Was ja bis heute so ist. Irgendwie kommt einem da manches sehr vertraut vor.

Sebastian Kaps; Michael Pantenius Die Straße der Romanik, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2019, 16 Euro.

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