Schon 2014 wies Wolfgang Brune mit seinem Buch „Physikalische Klimamodelle“ darauf hin, dass man beim Thema Erderwärmung nicht nur auf das Treibhausgas CO2 schauen sollte, der Einfluss des Wasserdampfes in der Stratosphäre sei noch viel wirksamer. Aber sein neues Buch ist diesmal kein Warnbuch. Der Eneregietechniker ist zutiefst überzeugt davon, dass die Menschheit lernt, das Erdklima zu regeln.

Denn Einfluss auf das Klima nimmt der Mensch schon seit dem Zeitpunkt, als er begann, sich das Feuer dienstbar zu machen. Und auch Untersuchungen zu den Klimaentwicklungen der letzten 10.000 Jahre deuten darauf hin, dass selbst der Mensch der Steinzeit schon spürbar in die Klimaentwicklung eingriff – nämlich ab dem Zeitpunkt, als er begann, flächendeckend Wälder zu roden.

Die komplette Zivilisationsgeschichte rund ums Mittelmeer ist eine Geschichte der gerodeten Wälder. Sie wurden gefällt, um Platz für Weidetierhaltung und Ackerbau zu bekommen, aber auch, um die Menschen mit Bau- und Brennholz zu versorgen. Eine Entwicklung, die sich mit Bronze- und Eisenzeit noch massiv verstärkte, denn jetzt wurden die Wälder auch noch für die boomende Metallurgie verheizt. Und bei den Seefahrernationen kam noch der riesige Bedarf an Holz für den Schiffbau hinzu.

Das tippt Brune nur an. Er steckt so tief im Thema, dass er an vielen Stellen augenscheinlich davon ausgeht, dass die Leser schon wissen, wovon er spricht, wenn er diesen frühen Einfluss des Menschen aufs Klima benennt. Wälder waren immer die große CO2-Speicher. Und die Waldvernichtung geht ja auch heute noch ungebremst weiter. Dazu kam dann mit Beginn des Industriezeitalters die massenhafte Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas.

Was nicht nur dazu führte, dass immer mehr CO2 in die Atmosphäre gelangte, sondern auch immer mehr Wasserdampf. Und gerade in den letzten 40 Jahren beobachteten auch die Meteorologen, dass sich der Wasserdampf in der höheren Atmosphäre deutlich vermehrt hatte. Es entstanden immer mehr Wolken in dieser Höhe, Wolken, die durch ihre Existenz ein ganz zentraler Bestandteil des Treibhauseffekts sind. Je mehr Wolken in dieser Höhe, umso mehr Wärmestrahlung vom Erdboden wird reflektiert, kann also nicht ins Weltall abgestrahlt werden. Ergebnis: Die Atmosphäre darunter heizt sich immer mehr auf, kann mehr Wasserdampf aufnehmen, die Wolkenbildung nimmt zu.

Eigentlich ein Thema für sich.

Aber Brune versucht diese von Menschen gemachte Entwicklung positiv zu sehen. Denn die frühen Gesellschaften kannten diese Zusammenhänge ja noch nicht. Sie konnten nicht sehen, welche Langzeitfolgen das Verschwinden der Wälder und die Verstärkung des Treibhauseffekts haben würden. Eine Wirkung liegt für Brune auf der Hand: Ganz unbewusst haben die Menschen mit diesem Verhalten einen Zyklus unterbrochen, der die Erde eigentlich seit ein paar Millionen Jahren bestimmt: den Zyklus aus Kalt- und Warmzeiten.

Eigentlich wäre wieder eine Abkühlung hin zur nächsten großen Gletscherbildung drangewesen. Aber seit den 1940er Jahren ist deutlich, dass die Temperaturentwicklung der Atmosphäre eine andere Richtung nimmt: Die Durchschnittstemperatur steigt. Und zwar kontinuierlich. Und es liegt auf der Hand, dass gerade die massenhafte Verbrennung von fossilen Brennstoffen seit dem 19. Jahrhundert diesen Effekt ausgelöst hat.

Was ja bedeutet: Der Mensch gestaltet sein Klima. Oder, wie Brune es formuliert, „sein Zuhause“.

Das tat er bisher sehr unwissend. Die Kenntnisse darüber, wie genau er die Temperatur in seinem „Zuhause“ erhöht, wurden ja erst in den letzten Jahrzehnten gesammelt. Mitten in der Entwicklungsstufe 4 der wirtschaftlichen Evolution, wie Brune sie nennt. Wobei bei ihm die Zeit der Dampfmaschine die Stufe 3 ist. Er versucht auch auszurechnen, wie viel Energie den Menschen auf den jeweiligen Stufen der Entwicklung zur Verfügung stand und steht. Denn Energie ist nun einmal die Triebkraft für wirtschaftliche Entwicklung. Sie ermöglicht dem Menschen immer mehr, sich von Muskelkraft und naturnahen Produktionsbedingungen zu lösen, je mehr er davon in seinen Dienst stellen kann. Gut möglich, dass damit auch der Faktor Arbeit in naher Zukunft aus der wirtschaftlichen Produktion verschwindet.

Denn die wichtigste Energieform, die das ermöglicht, ist ja seit Ende des 19. Jahrhunderts verfügbar: Das ist der elektrische Strom. An der Stelle freilich wird auch Brunes Buch hypothetisch. Es erzählt von Möglichkeiten. Einige deuten sich heute schon an, denn natürlich beschäftigen sich Ingenieure mit der Frage: Wie kann man Energie speichern? Für Strom gibt es bislang keine Superbatterie, die man einfach aufladen könnte, und dann hätte man auch zu Zeiten, wenn Solaranlagen und Windräder keinen Strom erzeugen, genug Saft. Aber in einer Hochtechnologiewirtschaft wird ständig und jede Menge Strom gebraucht. Nach Brunes Vermutung künftig noch viel mehr als heute.

Man braucht also ein anderes Speichermedium, das mit dem Wasserstoff auch schon gefunden ist. Nur dauert es immer noch, bis die ersten großen Wasserstoffspeicher stehen. So richtig sieht Brune das Wasserstoffzeitalter erst um 2110 anbrechen. Aber das berechnet er eher, sieht rechnerisch klar definierbare Technologiezyklen, von denen der aktuelle dann das Stromzeitalter wäre.

Aber haben wir wirklich noch so viel Zeit, um das Wasserstoffzeitalter einzuleiten? Wohl eher nicht. Hier appelliert Brune, Jahrgang 1938, im Grunde indirekt an die jungen Ingenieure. „Der Mensch muss begreifen, dass er mit der Wassereintragung in die Atmosphäre, die auch er mit zu verantworten hat, zugleich das entscheidende Klima-Stellglied in der Hand hält.“

Das heißt: Die Menschheit muss auf Primärenergiequellen zurückgreifen, die möglichst wenig Wasserdampf freisetzen. Er schildert dann eine ganze Reihe von Technologien, die das ermöglichen könnten – von einer riesigen Solaranlage im Kosmos bis hin zu ausgereiften Kernfusionsreaktoren. Einige Technologien hält er relativ zeitnah für möglich, andere sind eher noch reine Theorie, würden aber Energie für 100.000 Jahre liefern. Dieser Abschnitt im Buch ist ein Plädoyer für Energieforschung. Und gleichzeitig eines für die Möglichkeiten des Menschen, tatsächlich Lösungen für Fragen zu finden, die bei einigen Zeitgenossen zu Frustration und Ängsten führen.

Die aufgeheizte Atmosphäre zwingt die Menschheit jetzt zu einem schnellen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter und damit aus der Emission von Treibhausgasen, den Wasserdampf mit eingeschlossen. Was aber noch nicht bedeutet, dass er er damit ein wieder kühleres Klima bekommt. Er braucht also auch Technologien, mit denen er das CO2 auch wieder aus der Atmosphäre holt. Das skizziert Brune am Ende nur kurz, denn wie eine nachgeahmte Photosynthese funktionieren könnte, wissen wir ja schon. Nur fehlt noch die Technologie, die das auch im großen Maßstab umsetzen kann, wenn wir nicht selbst wieder riesige Wälder pflanzen, die das CO2 binden. Aber selbst das ist schwierig, denn schon heute ist Raum für Landwirtschaft und Wohnen knapp geworden.

Und eines scheint ganz und gar nicht menschlich zu sein, so Brune: Dass der Mensch sich beschränkt und lernt, mit weniger auszukommen. Auch nicht bei der Energie, obwohl Energiesparen ja ein toller Weg wäre, unsere Umwelt zu entlasten. Brune vermutet eher, dass der Energiebedarf pro Kopf sogar noch weiter steigt. Was den Druck natürlich gewaltig erhöht, auf Technologien umzusteigen, die keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre blasen. Denn wenn wir „unser Zuhause gestalten“ wollen, müssen wir auch lernen, die Temperatur wieder runterzuregeln. Brune meint: Das könnten wir schaffen. Was eben auch bedeutet, dass die ganze Menschengemeinschaft lernt, diesen einmalig gut temperierten Planeten zu hegen, zu pflegen und zu steuern, dass er bewohnbar bleibt.

Was Brune nicht sagt: Sonst justiert sich der Planet nämlich wieder selbst. Aber dazu braucht er die Menschen nicht. Er hat nämlich Zeit, richtig viel Zeit. Zeit, die die Menschheit nicht hat.

Wolfgang Brune Energie und Klima, Edition am Gutenbergplatz Leipzig, Leipzig 2019, 14,50 Euro.

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