Eine Serie mausert sich. Eine Serie schöner quadratischer Bücher mit den besten Rezepten aus den kulinarischen Landschaften Deutschlands. Berlin gab’s schon, die Ostseeküste und den Harz. Jetzt hat Profi-Koch Herbert Frauenberger lauter Rezepte aus Thüringen gesammelt. Wobei – das klingt irgendwie nicht richtig. Denn eigentlich ist es eine kurze, bebilderte Stippvisite in neun verschiedenen Thüringer Landschaften.
Also im Grunde auch eine kulinarische Empfehlung, mal mehrere Reisen in das Land zwischen Harz und Thüringer Wald zu unternehmen. Angefangen oben beim ollen Kyffhäuser, übers Eichsfeld runter in die Rhön und ins Henneberger Land, rüber zum Rennsteig, ins Thüringer Vogtland, in die gemüsereiche Tiefebene mit der Hauptstadt Erfurt und dann – sozusagen als Sahnehäubchen – ins Ilmtal und in Goethes Garten. So ungefähr.
Jedes Stückchen ist ein attraktiver Ort zum Urlaubmachen. Überall findet man berühmte Reiseziele, von denen Frauenberger natürlich nur einige wenige aussuchen kann, quasi symbolisch für jeden Landstrich eines – vom Kyffhäuserdenkmal über die Krämerbrücke, das Schloss Belvedere und Schloss Friedensstein bis zum Wasserschloss Kochberg. Meist ist dort ja bekanntlich auch gleich die Gaststätte nahebei, wo man lokale Spezialitäten bekommt.
Schloss Kochberg, Goethe-Gedenkstätte Großkochberg
Klingt jetzt erst einmal alles hochherrschaftlich. Aber – so stellt es auch Frauenberger fest – die eigentlichen Thüringer Küchen sind im Grunde Arme-Leute-Küchen und erzählen vom harten, aber naturnahen Leben der Thüringer, für die Fleisch auf dem Teller jahrhundertelang tatsächlich nur ein Festtagsessen war. Was nicht heißt, dass ihre Alltagsküche ohne Phantasie ist.
Im Gegenteil: Wer mit seinen Vorräten haushalten muss, der ist gezwungen, erfindungsreich zu werden. Was die Wurzel für die meisten ganz originären Thüringer Gerichte ist, die in der Regel auch verraten, welche Nachbarschaften man hat. Natürlich ist die Nordthüringische Küche von der Harzer Küche beeinflusst – bis hin zum Rollenkäse. Die Vogtländer Küche, wie man sie aus dem sächsischen Teil kennt, findet sich auch im Thüringer Teil.
Thüringer Klöße sind eine Legende in vielen Gestalten. Und Frauenberger erzählt auch die Legende dazu. Und was Diebichen, Dätscher oder Huckelkuchen sind, erklärt er natürlich auch. In den Namen der Gerichte hat sich ihr Ursprung und die lokale Mundart erhalten. Und in Zwiebel- und Speckkuchen natürlich eine Tradition einfacher und wohlschmeckender Alltagsgerichte, genauso wie in der Schnibbelsuppe oder den gebratenen Kloßscheiben.
Manchen Gerichten sieht man an, wie die Thüringer zuvor wohl sehr einfache Rezepte im Lauf der Zeit aufgewertet haben, als sie sich mehr Zutaten leisten konnten. Und weil nicht alle Gerichte in alle neun Landschaften passen, hat Frauenberger für das Wurst- und das Kloßland Thüringen Extra-Kapitel geschrieben. Man bekommt also ein Buch, das auf Thüringen nicht nur neugierig macht, sondern einem da und dort das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, weil sich schon lecker liest, was auch lecker schmecken muss. Auf zwei Berühmtheiten hat Frauenberger verzichtet, weil er sie schon im Büchlein zu Ostdeutschland ausgiebig empfohlen hat.
Was ja die Schönheit der Serie unterstreicht: Sie lädt geradezu ein, sich beim Verreisen auch auf die Entdeckung faszinierender Küchen einzulassen, ohne dass es dabei schrecklich exotisch werden muss. Im Gegenteil: Die meisten Gerichte bestechen durch ihre Einfachheit und zeigen trotzdem das ganz Unverwechselbare und das Typische für eine traditionsreiche Landschaft. Da macht Wandern und Radfahren und Berge- und Burgenbesteigen natürlich doppelte Freude. Und man lernt ein Land kennen, wie man es in den Nachrichten niemals kennenlernen würde: als einen reichen Ort.
Die Tipps und Namenserklärungen gibt es quasi gratis. Und nicht nur Deftiges kommt auf den Tisch, sondern auch Leckeres für Leute, die nicht immerzu Kalorien zählen, nebst ein paar Rezepten für so scheinbar gewöhnliche Dinge wie Gänseschmalz. Denn wie bei der berühmten Thüringer Bratwurst (für die es ungefähr ein Dutzend verschiedene Namen gibt) zählt auch hier die Finesse und die Würzmischung. Was einen auch daran erinnert, wie seltsam einförmig das meiste aus dem Supermarkt schmeckt und wie schön es ist, auch wieder die Vielfalt der Aromen und Geschmacksnuancen zu entdecken.
Wann fährt der nächste Zug? Thüringen liegt doch nun wirklich gleich um die Ecke.
Herbert Frauenberger Die besten Rezepte aus Thüringen, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2019, 9,95 Euro.
Warum die neue Leipziger Zeitung geradezu einlädt, mal über den Saurier Youtube nachzudenken
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