Scheinbar ist er der große Held in dieser gewaltigen Romanreihe, die Sabine Ebert gleich begann, nachdem sie mit den Romanen zu den „sächsischen Jahren“ 1813 und 1815 fertig war: Friedrich I., genannt Barbarossa, deutscher Kaiser und König und eine der eindrucksvollsten Gestalten der deutschen Geschichte. Aber in Wirklichkeit sind bei Sabine Ebert die Frauen die Heldinnen. Starke und eindrucksvolle Frauen, die ihren Männern mindestens das Wasser reichen können.

Zwar betont die in Leipzig lebende Autorin gern, dass es ihr vor allem um die Erzählung eines großen Abschnitts unserer Geschichte geht, wie sie noch nie erzählt wurde – so lebensnah und authentisch wie möglich. Aber dass Sabine Ebert einen so ambitionierten Zugriff auf die Schicksale ganzer Fürstenhäuser bekommt, hat vor allem mit ihrer unermüdlichen Aufmerksamkeit für die Lebensläufe jener Frauen zu tun, die in den Chroniken meist nur als hübsches Beiwerk der großen Fürsten erscheinen, willig, gehorsam, gut erzogen und vor allem dazu da, deren Kinder zu gebären und die Erbschaft zu erhalten.

Dass selbst heute noch jede Menge machtbewusster Männer über Frauen genau so denken, hat auch mit der über Jahrhunderte gepflegten Geschichtsschreibung zu tun. Männer haben eine Geschichte geschrieben, in der Männer Geschichte machen. Selbst dort, wo die historischen Quellen zeigen, dass Frauen dabei immer wieder eine wichtige Rolle spielten. Sie tauchten schon im ersten Band der „Schwert und Krone“-Romane auf. Und schon da durfte man staunen, wie viele solcher starken Frauen es in diesem scheinbar so fernen 12. Jahrhundert gab. Und dass sie auch tatsächlich existierten.

Die Handlungsstränge muss Sabine Ebert gar nicht erfinden. Und im Nachwort lässt sie anklingen, wie erstaunt sie immer noch darüber ist, wie dichtgepackt die Überlieferungen zu diesem Barbarossa-Jahrhundert sind, wie viele Ereignisse überliefert und belegt sind. Und wie stark sie sich einfach nur an die Abfolge dieser Ereignisse halten muss, um eine Romanserie voller Dramatik, Aufstieg und Fall und – wie in diesem Band – Verrat zu schreiben.

Was erst recht zu einem kompakten Gemälde einer bewegten Zeit wird, weil sie sich eben nicht auf den machtbewussten Staufer Friedrich beschränkt, also keine Ein-Personen-Geschichte schreibt, sondern den jungen Kaiser in einer ganzen Landschaft widerstreitender Machtinteressen zeigt, die Schicksale mehrerer berühmter Fürstenhäuser miteinander verknüpft – und zwar so, wie sie damals wirklich verknüpft waren.

Was ja schon im Band 2 verblüffte, das den wettinischen Markgrafen Konrad stärker ins Blickfeld rückte, der mit Albrecht dem Bären, dem zeitweiligen Herzog von Sachsen, in jenen östlichen Landesteilen versuchte, eine starke Herrschaft aufzubauen. Was in den meisten Geschichtsbüchern meist übergangen oder nur am Rande erwähnt wird, weil es scheinbar in der Reichsgeschichte noch keine große Rolle spielte. All das wird bis heute von der Ur-Geschichte des Streits zwischen den Staufern und Welfen überschattet.

Aber schon dieser zweite Band zeigte, wie diese östlichen Markgrafschaften zunehmend eine Rolle spielten im Reich und die Gewichte veränderten. Und man merkte auch, dass Sabine Ebert dieses ostdeutsche Stück der großen Geschichte besonders ins Herz geschlossen hat. Sie widmet den hier handelnden Akteuren besondere Aufmerksamkeit – nicht nur Konrad und Albrecht, sondern gerade ihren Frauen, ihren Töchtern und den Frauen ihrer Söhne.

Frauen, die sie versucht aus oft kargen Daten zu rekonstruieren. Daten, die man im Lexikon meist überliest, die aber bei intensivem Studium oft mehr verraten über das Leben dieser Frauen – ihre frühe Verheiratung mit Sprösslingen aus anderen Fürstenhäusern, ihren vielen Geburten, ihrem oft frühen Tod. Aber einige spielten dann im Leben ihrer berühmten Männer dennoch eine zentrale Rolle – als Beraterin, als Verwalterin ihrer Herrschaft, wenn die Männer auf oft jahrelangen Kriegszügen waren.

Albrechts Tochter Hedwig, die mit dem Sohn des Meißner Markgrafen verheiratet wird, dem Raubein Otto, den wir heute in der Wettiner-Geschichte als Otto der Reiche kennen, wird auch in den sächsischen Geschichtserzählungen zumeist erwähnt. Man ahnt, dass ohne sie in Ottos Herrschaftszeit nicht viel so geworden wäre, wie es wurde. Sabine Ebert mag diesen Otto nicht so richtig – und möglicherweise war er wirklich so ein ungehobelter Klotz, der eine kluge Lenkerin wie Hedwig brauchte, die noch minderjährig war, als sie mit ihm verheiratet wurde. Ottos Schwester Adele spielt eine tragische Rolle in dieser Geschichte, denn sie hat den künftigen Dänenkönig Sven geheiratet, der sein Königreich mit Rücksichtslosigkeit verlieren sollte, nachdem er auch noch das historische Blutbad von Roskilde angerichtet hat.

Mit Sabine Ebert kommt man in lauter historische „Rand“-Geschichten, die für die einzelnen Länder zentraler Erinnerungsbestand sind – bis heute. Die aber in der Barbarossa-Geschichte scheinbar wirklich nur Nebenschauplätze sind. Erst so merkt man, wie all das fast zeitgleich passierte. Wie die Böhmen und die Polen versuchten, ihre Selbstständigkeit gegen den rigiden jungen Kaiser Barbarossa zu behaupten, wie aber auch Friedrich I. zum Paktieren gezwungen war, getrieben von dem Wunsch, nicht nur die Kaiserkrone im rebellischen Rom vom Papst aufgesetzt zu bekommen, sondern auch das von Krieg und Fehden überzogene Reich zu befrieden und den Fürsten auch mit Bestrafungen zu zeigen, wer die Macht hatte im Land.

Man bekommt eine Ahnung davon, warum gerade dieser durchsetzungswillige Kaiser Friedrich I. so eine legendäre Gestalt in der von Männern geschriebenen Historie wurde. Obwohl selbst die kargen Daten zu seiner ersten Gemahlin, Adele von Vohburg, darauf hindeuteten, dass er aus Machtkalkül sehr rücksichtslos sein konnte.

Sabine Ebert hat sich intensiv mit den Rechts- und Moralvorstellungen der Zeit beschäftigt, kann also die Vorstellungen der Menschen in dieser Zeit von Ehe, Vormundschaft und den Rechten der Männer über Frauen und Kinder sehr genau beschreiben. Sie erklärt es auch immer wieder, nimmt ihre Leserinnen und Leser mit in diese Vorstellungswelten, in denen ihre selbstbewussten Frauengestalten Platz finden und sich behaupten müssen. Oft mit tragischen Folgen, gerade dann, wenn ihre Ehemänner keine Rücksichten nahmen.

Und man staunt, was in diesem eigentlich kurzen Zeitraum von 1152 bis 1157, in dem Barbarossa den Kaisertitel erkämpft und seine ersten Pläne für das Reich umsetzt, alles geschehen ist. Eine Zeittafel am Ende des Buches fasst das alles noch einmal kurz zusammen – von Friedrichs Krönung zum Deutschen König bis zum ruhmlosen Tod des Dänenkönigs Sven.

Ganze Handlungsstränge bleiben offen. Das deutet Sabine Ebert im Epilog noch einmal kurz an. Denn so furios wie diese fünf Jahre werden auch die nächsten sein. Je tiefer sie sich in diese Barbarossa-Zeit eingearbeitet hat, umso farbiger werden die vielen einzelnen Geschichten, die sich zum Reigen verdichten. In den Vorgängerbänden hat sie ja auch schon versucht, den Kampf der ostelbischen Slawen gegen die Eroberungssucht der deutschen Fürsten zu zeichnen.

Und auch deren Fürstennamen sind belegt. Auch wenn kaum ein Geschichtebuch etwas über die Slawenkreuzzüge und ihre Folgen berichtet. Das hat die Historiker der Königs- und Kaiserebene meist nie interessiert.

So ganz nebenbei sind die Leser dabei, wenn das Herzogtum Österreich geboren wird. Sie begleiten Barbarossa nach Rom, erleben aufregende Hoftage mit, lernen hartgesottene Ritter kennen, eitle Bischöfe und gewitzte Karrieristen wie Bischof Wichmann und den später berühmten Reichskanzler Raimund von Dassel. Die meisten Charaktere sind jung. Mit Friedrich I. übernahm eine junge Elite das Reich – und wollte es auch verändern. Und diese Jungspunde wurden fast alle zu historischen Berühmtheiten.

Während die Alten, die nach heutigen Maßstäben mit 50 oder 60 Jahren noch lange nicht als „alt“ gelten würden, zunehmend beiseite geschoben werden im großen Machtspiel. Es erwischt in diesem Band auch den Markgrafen Konrad, den die Geschichte einmal den Großen nennen würde, weil er mit seinem Kampf um zwei Markgrafschaften den Grundstein gelegt hat für das reiche Kurfürstentum Meißen. Doch gegen den unbarmherzigen Friedrich I. hat er keine Chance. Sein Gang ins Kloster auf dem Petersberg ist verbürgt.

Seinen großen Plan, das Land auszubauen, die Wälder zu roden und Städte zu gründen, hat er nicht mehr umsetzen können. Mit seinem Sohn Otto haben wir ja schon den Burschen kennengelernt, der das bald tun wird. Wahrscheinlich gut beraten von seiner jungen Frau Hedwig. Die ganze Handlung steuert darauf zu – und damit auch auf die Gründung der Stadt Leipzig. Alles in der Barbarossa-Zeit.

Man merkt, dass es Sabine Ebert auch um diese auffällige Fehlstelle in der üblichen deutschen Geschichtsschreibung geht, die sich immer nur auf die ganzen Kaiser-Anekdoten um Friedrich I. fokussiert, den Ehrgeizigen aber selten bis nie im Geflecht seiner Machtinteressen zeigt und auch nicht die deutschen Fürsten, die ihn gewählt haben und die er eben nicht nur drangsalierte, sondern auch brauchte.

Ohne sie konnte er keine Kriege führen, keine Aufrührer maßregeln. Wir erleben ein Stück seines großen Umritts im Jahr 1152 kennen, mit dem er Präsenz in seinem Königreich zeigte. Wir erleben ihn mit seinen alten und jungen Beratern. Und zu den Alten gehört natürlich auch der Abt Wibald von Stablo, der nicht nur als Diplomat für ihn unterwegs war, sondern auch eine jener Chroniken schrieb, die unser Bild von Barbarossas Aufstieg bis heute prägen.

Was Sabine Ebert mit diesem dritten Band ihrer „Schwert und Krone“-Reihe schafft, ist wieder ein spannender Blick in ein Stück unserer Geschichte, das in der heutigen Wahrnehmung kaum in dieser Tiefe und Vielfalt lebendig ist. Oft genug sieht man winzige spätere „Vogelschiss“-Kapitel hingestellt wie eine gigantische Mauer, die den Blick auf die Faszination deutscher Geschichte völlig verstellt. Und auch darauf, dass dieses Deutschland immer schon ein Kampffeld für machtbesessene Männer war.

Dass Friedrich I. das Reich auch mit Gewalt befriedete, wenn es nötig war, gehört zur Geschichte. In diesem Band kommt er dabei nicht allzu liebenswert weg. Vielleicht auch, weil man merkt, wie sehr Sabine Ebert das Schicksal der Wettiner am Herzen liegt, die sie mit der Reihe ja auch endlich dahin befördert, wo sie meist nicht auftauchen, wenn die üblichen Mittelalterbücher geschrieben werden: in die Reihe jener Fürsten, die dieses von Misstrauen geprägte Reich prägten und auch veränderten. Und irgendwann auch so stark wurden, dass sie als Kaiserkandidaten gehandelt wurden.

Aber das ist dann schon lange nach dem alten Zwist zwischen Staufern und Welfen, den Barbarossa irgendwie zu kitten versucht. Erst einmal gelingt ihm das. Aber sie schreibe ja schon an Band 4, kündigt Sabine Ebert an. Die Geschichte geht weiter. Und wer diese eindrucksvolle Zeit kennenlernen möchte, ist in den Bänden dieser Reihe gut aufgehoben.

Termintipp:

Am Freitag, 2. November, präsentiert Sabine Ebert zusammen mit der Interessengemeinschaft „Mark Meißen 1200“ ihren neuen Roman im Salles de Pologne, Hotel Michaelis (Hainstraße 16-18) in Leipzig. Beginn ist 20:15 Uhr.

Sabine Ebert Schwert und Krone. Zeit des Verrats, Knaur Verlag, München 2018, 19,99 Euro.

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