In Kinderbüchern kann man die ganz einfachen Geschichten ganz einfach erzählen, die unser Leben so kompliziert machen. Wie findet man Freunde? Wie findet man Mut? Wie geht man mit Angst um? Oder: Wie bändigt man seine Wut? Schon gar im schönen Reggaewald, wo doch alle Tiere freundlich sind, der König Löwe darüber wacht, dass Gerechtigkeit herrscht und die Leute alle angerannt kommen, wenn die Green Rainjackets spielen.

Reggae natürlich. Bei Yellow Umbrella geht es immer um Reggae. Und um Kinder. Das erste Buch um den Reggae-Hasen Boooo (mit vier O) liegt längst in der vierten Auflage vor. Seitdem wissen die Kleinen, dass Boooo viele Freunde hat und Abenteuer niemals alleine anpackt. Auch nicht wie die üblichen Fantasy-Helden, die dann mit Schwert und Prügel losziehen, um irgendjemanden zu bekriegen, der kurzerhand zum Absolut-Bösen erklärt wurde.

Unser Weltbild wird früh gezeichnet – auch und gerade von den Geschichten, die wir sehen, hören und lesen. Meist ohne dass die Eltern auch nur darüber nachdenken, was für Haltungen und Selbst-Bilder da vermittelt werden. Glaubt wirklich jemand, dass es auf unseren Schulhöfen so zugeht, wie es zugeht, weil diese jungen Menschen gelernt haben, andere zu respektieren und Konflikte gemeinsam und friedlich zu lösen? Das wäre ein Märchen.

Diese Kinder sind allesamt mit gewaltverherrlichenden Filmen und Geschichten aufgewachsen. Sie haben gelernt, dass Stärke, Gewalt und Rücksichtslosigkeit zählen und einen zum Helden machen. Nicht das, was Boooo macht, wenn er merkt, dass irgendetwas falsch läuft in seiner Welt. In diesem Fall ist es ein Waldbrand, der natürlich nicht nur die elefantastische Feuerwehr auf die Beine bringt, sondern auch den König zutiefst beunruhigt.

Wer legt da mitten im Reggae-Wald einfach Feuer?

Die Wachen sind schnell bei der Hand. Der Staatsapparat im Reggaewald funktioniert also prima und wie geschmiert. Und ruckzuck landet der Verursacher des Dramas im feuersicheren Verließ. Es ist – wie könnte es anders sein – der Drache. Ein feuerspeiender natürlich. Nur dass dieser Drache – anders als die üblichen Fantasy-Drachen – ein Tier ist wie alle anderen auch: Er bereut es ja, dass er Feuer spuckt. Aber er kann nicht anders. Er hat es nicht anders gelernt. Wenn er wütend ist, passiert es von ganz allein. Es ist ihm so eingebaut, wie auch der große Drachenforscher Professor Schnarchibald erklären kann. Es ist ein ganz einfaches Problem: hochexplosives Gas, das sich in den Gedärmen bildet, Sauerstoff und ein einziger Funke …

Nur: Wie der traurige Drache das Problem lösen kann, weiß auch der Professor nicht.

Was Boooo und seine Freunde natürlich nicht davon abhält, sich gemeinsam Lösungen auszudenken. Denn der traurige Drache denkt zwar, dass er keine Freunde hat. Aber wenn Boooo und seine Kumpel in Aktion treten, dann behandeln sie auch unglückliche Drachen wie einen Freund. Erst recht, wenn sie wissen, dass er selbst sich grämt über sein Unglück.

Es ist also eine ziemlich klare Geschichte über den Umgang mit anderen.

Und darüber, wie man selbst was dazulernt, wenn man gemeinsam versucht, Dinge in Ordnung zu bringen. Was natürlich am Ende gelingt. Nach mehreren Fehlzündungen sozusagen, denn ein Drache, der es nicht gelernt hat, seine Wut zu bremsen, der spuckt natürlich immer wieder Feuer.

Was in der menschlichen Gesellschaft meist dazu führt, dass er endgültig zum Freiwild erklärt wird. Aber nicht bei Boooo. Jeder hat das Recht auf drei Chancen. Und wer etwas anderes erwartet hat, hat die Musik nicht gehört. Musik ist die Lösung. Im Reggaewald klappt das. Und wahrscheinlich würde das auch im Leben der Menschen gelingen. Denn es geht ja nicht nur darum, dass unglückliche Drachen lernen, ihre gefährlichen Gase zu beherrschen. Es geht im Reggaewald immer auch ums Mitmachen, ums Gemeinsam-Freude-Haben.

Um das, was traurigen kleinen Feuerspeiern das Gefühl gibt, dass sie ja doch Freunde haben, dass das Leben nicht traurig und einsam ist, sondern dass man was dafür tun kann, dass man mit anderen zusammen wieder Spaß hat. Oder mit den Worten des am Ende ziemlich glücklichen Drachens Alberich: „Wenn ich tanz und wenn ich sing, dann ist vieles nicht mehr schlimm.“ Dazu noch den Reggae-Sound von Yellow Umbrella – und der Nachmittag mit den Kindern ist gerettet. Auch der mit dem kleinen unglücklichen Drachen, der einfach nicht rausfindet aus seiner Not und am liebsten Feuer spucken würde. Was aber zum Glück nur den Drachen im Märchen möglich ist.
Yellow Umbrella; Jens Strohschnieder Der Reggaehase Boooo und das Feuer der Wut, mit Audio-CD, Voland & Quist, Dresden und Leipzig 2018, 19 Euro.

Reggaehase Boooo muss mal wieder den Reggaewald retten

Reggaehase Boooo muss mal wieder den Reggaewald retten

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