Andere kümmern sich ausgiebig um Bach und um Wagner. Im Eudora Verlag hat man sich hingegen mit Fleiß des berühmtesten Leipziger Musiker-Paares angenommen: Clara und Robert Schumann. Insbesondere Hans Joachim Köhler hat hier mit dem Band „Blickkontakte mit Robert Schumann“ schon gezeigt, was man in Leipzig alles entdecken kann, wenn man den Spuren Robert Schumanns folgt. Nun gibt es einen zweiten Band zu Schumann. Und ein dritter ist in Vorbereitung.

Diesen zweiten Band haben Hans Joachim Köhler und Ralf C. Müller gemeinsam zusammengetragen. Das Ur-Material haben Clara und Robert selbst geliefert. Denn ab 1840 führten sie – frisch verheiratet – gemeinsam Tagebuch, in das sie wechselnd ihre Erlebnisse eintrugen. Und trotzdem steht nur Robert auf dem Buchcover, ganz so, als wollten die beiden Autoren noch einmal so richtig wider den Stachel löcken. Denn dafür, dass Clara in den üblichen Erzählungen hinter dem genialen Robert zurücktreten muss, hat schon Robert selbst gesorgt.

Kaum ein Musiker verkörpert den romantischen Genius so wie er. Romantisch wird auch seine Liebe zu Clara und die vom gestrengen Vater lange verhinderte Ehe erzählt. Aber selbst im heutigen Leipzig hielten viele Musikliebhaber und -kennerinnen erschrocken den Atem an, als sich herausstellte, dass im Jubiläumskalender Claras 200. Geburtstag im Jahr 2019 einfach vergessen worden war.

Aber nichts wird zufällig vergessen. Und zum Glück existieren die Tagebücher noch, die nicht nur zwei wichtige Reisen des Musikerehepaares nachzeichnen – die erste 1841, noch in der euphorischen Zeit ihrer noch jungen Ehe, die sie in die Sächsische Schweiz führte, und eine im Jahr 1844, als sich die Zeit des jungen Paares in der Leipziger Inselstraße schon ihrem Ende zuneigte und die Konflikte in dieser Ehe aufbrachen. Sie sind eigentlich 1840 schon da und sie haben mit Roberts Eingenommensein von sich selbst als musikalischer Genius und als Mann zu tun.

Deswegen erschrickt man schon bei den ersten Worten, die er als Leitsatz in das gemeinsame Tagebuch schreibt: „Laß uns als Talismane noch die drei Worte aussprechen, worauf alles Glück des Lebens beruht: FLEISS, SPARSAMKEIT und TREUE“.

Erstaunlich, dass Clara, als sie das las, nicht sofort ihre Sachen packte. Vielleicht dachte sie dran. Aber die rechtliche Stellung als Ehefrau beschränkte ihre Möglichkeiten. Und schwanger war sie auch noch, als die beiden im Juli 1841 in die Sächsische Schweiz aufbrachen. Hochschwanger. Da staunen nicht nur Köhler und Müller, welche Touren sich die junge Frau zumutet, Touren, die es heute selbst für geübte Wanderer in sich haben – dabei zum Teil auf wirklich gefährlichen Stegen.

Wo heute Stahltreppen und Geländer die Wanderer sichern, bestand damals noch vieles aus wackligen Provisorien. Der Tourismus hatte ja gerade erst begonnen, angeregt durch Maler, Musiker und Dichter, auf deren Spuren das Paar auch 1841 schon wandelte. Und zwar bewusst – an den einschlägigen Stellen werden die Namen und Vorbilder durchaus zitiert.

Aber natürlich liest man die Tagebücher anders, wenn man weiß, dass Clara diese Klettertouren hochschwanger mitmachte und Robert hinterher zumindest ein bisschen Besorgnis aussprach. Ganz so ungefährlich war das also nicht.

Aber das Schöne an diesem handlichen Buch ist: Man kann die Tour selbst erwandern. Die beiden Autoren haben alles noch einmal abgelaufen. Heute sind das touristisch gut erschlossene Pfade, auf denen man alle Schönheiten der Sächsischen Schweiz erleben kann. Man kann das Buch also einfach nehmen und auf den Spuren von Clara und Robert wandern, an denselben Punkten die Aussicht genießen. Und sich Clara vorstellen, die noch versucht, sich ganz in die Rolle der gehorsamen Ehefrau zu fügen. Obwohl schon jetzt Missklänge zu spüren waren, denn so richtig konnte Robert die hochbegabte Pianistin, die locker ganze Konzertsäle zu füllen wusste, nicht respektieren an seiner Seite.

Das geht in der romantischen Liebesgeschichte fast unter: Dass hier eben nicht nur zwei hochbegabte Musiktalente zusammenkamen, sondern auch die spießigen Ehevorstellungen des Biedermeiers alle ihre Früchte trugen.

Was spätestens in Roberts Nachbetrachtungen zu dieser Reise in die Sächsische Schweiz deutlich wird, als er schrieb: „Klara mag manchen leisen Seufzer, den ich nicht gehört, ausgestoßen haben; dann machten wir aber alles durch Küsse wieder gut, wie denn Klara überhaupt eine Reisegesellschafterin ist, wie sie eine Lebensgefährtin ist, willig, heiter, nachsichtig, immer lieb und liebend.“

Wie gesagt: Man fragt sich schon, wie Clara das ausgehalten hat.

Ein Zwischenkapitel erzählt dann von der Zeit zwischen den beiden Reisen, in der es dann wirklich zum Knall kam. Robert war zwar emsig am Komponieren, aber Geld hat er damit nicht verdient. Die Inselstraße war ein lauter Ort, wirklich Ruhe zum Musizieren war da nicht. Immer wieder schneiten auch hochkarätige Gäste herein. Kümmern musste sich mit Garantie immer Klara, die so nebenbei auch die Kinder bekam und 1844 dann endlich durchsetzte, dass sie künftig nicht mehr das Heimchen am Herd spielen werde.

Dazu war sie zu begabt. Sie war es, die in dieser Zeit das Geld hereinholte für die kleine Familie. Eine Konzertreise nach Russland wurde auch zum finanziellen Erfolg. Und es zeichnete sich auch schon ab, dass Clara vom Leipziger Rummel die Nase voll hatte. Sie bereitete den Umzug nach Dresden vor – wohl sehr zum Unbehagen ihres genialen Ehemannes.

Deswegen war dann die Harzreise im September 1844 auch eine Art Befriedungs-Reise. Robert hatte einen teuren Ring erworben, den er Clara unterwegs zum 25. Geburtstag überreichen wollte (und der dann nicht zu finden war), und an Claras Geburtstag schleppte er sie (wieder war sie schwanger) erst in die finstere Baumann-Höhle in Rübeland und dann auch noch in einem regelrechten Gewaltmarsch hinauf auf den Brocken. Ganz romantisch erst ganz „nach unten in die Dunkelheit“ und dann hinauf zum Gipfel, wo sie übernachteten, während in der Gaststube die anderen Wanderer lärmten und zechten.

Auch die Harzreise war auf den Spuren berühmter Maler und Dichter geplant. Insbesondere Goethes und Heines Harzreisen bildeten die Schablone. Und man kann die Tour ebenso erwandern wie die durch die Sächsische Schweiz, eine Tour voller Höhepunkte – angefangen vom Schloss Ballenstedt über den Falkenstein, das Selketal und die Teufelsmauer, Thale, Rosstrappe, Blankenburg hinauf nach Rübeland und zum Brocken. Da staunen nicht nur die beiden Autoren, die die Touren auch mit einrucksvollen Fotos bebildern, was für Tagesetappen sich die beiden Schumanns da vornahmen. Und wie gerade Clara tapfer mithielt, während sich bei Robert scheinbar schon die ersten Zeichen seiner Krankheit melden.

Am 18. September kehrten beide über Halberstadt und Magdeburg zurück nach Leipzig – mit dem Dampfwagen, wie Robert schreibt, der ja da wirklich noch ein neues Gefährt war. Während Robert oben in den Bergen seine Schwindelanfälle hatte, bekommt der schwangeren Clara die Fahrt im Dampfwagen nicht. Aber die Kinder sind gesund, als die Eltern zurück sind von der Reise. Und was schreibt Robert ins Tagebuch, nachdem er nun direkt auf den Spuren des „Faust“ unterwegs war? – „nun gebe mir der Himmel Gesundheit und Kraft zur Arbeit wieder!“

Dazu schreibt Clara nichts. Kein einziges Wort. Erst in Dresden wird sie sich wieder zu Wort melden. Sie ist einem gerade in diesem Schweigen viel vertrauter als dieser selbstbezogene Robert. Aber das nimmt den beiden Reiserouten nicht ihren Reiz. Im Gegenteil. Das Buch ist eine regelrechte Einladung, den beiden einfach selbst per pedes zu folgen, mit ihnen auf Elbe und Bode zu schauen. Man kann sich dazu auch Schuberts Musik mitnehmen – zur Sächsischen Schweiz passt zeitlich die 1841 geschriebene „Frühlingssinfonie“ und zur Harzreise gehören die „Szenen aus Faust“.

Hans Joachim Köhler, Ralf C. Müller Robert Schumann auf den Spuren der Maler und Dichter – Bastei und Brocken, Eudora Verlag, Leipzig 2018, 15,90 Euro.

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