So fix geht das. Gerade noch war Leipzig mit Schnee zugeschüttet und die Kinder konnten Osterhasen-Schneemänner bauen, und schon schnellen die Temperaturen auf sommerliche 20, 25 Grad hinauf. Da steht man sich mit Kind und Kindeskind die Beine am Eisstand in den Bauch. Etwas faulere Menschen sacken sich im Supermarkt die XXL-Eis-Packungen ein. Aber das dürfte ein ziemlich dummer Einfall sein. Man lese nur dieses kleine Büchlein von Katharinas Kleinschmidt.

Denn der Buchverlag für die Frau hat zwar auch früher schon viel Wert auf gesunde und vitaminreiche Kost gelegt. Aber das Bewusstsein für die ungesunden Mixturen industriell hergestellter Süßigkeiten ist erst in den letzten Jahren so richtig gewachsen. Der normale Konsument ist ja blind. Er liest die Zutatenlisten nicht, kann mit Kalorien, Zucker- und Fettbestandteilen nichts anfangen, weiß nicht, was Ersatzstoffe sind und Geschmacksverstärker. Und er wird von verantwortungslosen Politikern und interessierten Großkonzernen auch bewusst dumm gehalten, denn die Inhaltsangaben sind in der Regel nicht wirklich entschlüsselbar. Viele Inhaltsangaben täuschen, verkaufen „naturidentische“ Chemieerzeugnisse als vollwertigen Ersatz.

Warum der Ausflug?

Weil das Eis-Selbermachen natürlich viele gute Gründe hat. Und die meisten haben mit diesen industriell hergestellten Fertigprodukten aus den Kühltruhen der Supermärkte zu tun. Denn 80 Prozent des offiziell in Deutschland verkauften Speiseeises stammt aus Industrieerzeugung, nur 17 Prozent aus den beliebten Eisdielen. Was daheim in Eigenregie hergestellt wird, wird statistisch nicht erfasst. Aber gerade da bekommt man natürlich erst mit, woraus Speiseeis eigentlich besteht und warum man auf hochwertige Zutaten achten sollte. Gerade weil es nun einmal ein beliebtes Genussmittel bei sommerlichen Temperaturen ist.

Den Genuss will Katharina Kleinschmidt gar nicht schmälern. Im Gegenteil. Sie merkt sogar an, dass sie schon einige Test-Expeditionen durch die Kühltruhen der Supermärkte hinter sich hat und am Ende von einer vernichtenden Bilanz erzählen kann. Denn was da oft in Riesenpackungen liegt, ist in der Regel heillos überzuckert und angereichert mit Geschmacks- und Farbverstärkern, enthält oft gar nicht die Früchte, die fett auf der Packung prangen, sondern nur deren „naturidentische“ Aromen. Die Eismassen sind künstlich aufgeblasen, eher selten wurde wirklich mit Milch und Sahne gearbeitet, dafür mit jeder Menge Milchpulver. Und der Geschmack wurde künstlich so hochgepuscht, dass am Ende alles nur noch wie Chemie schmeckt.

Was natürlich an der industriellen Fertigung liegt: Anders lassen sich diese Produkte nicht in der Menge und in dieser künstlichen Haltbarkeit herstellen.

Speiseeis ist nun einmal von Natur aus ein vergängliches Produkt. Und wirklich schmackhaft ist es auch nur, wenn es frisch hergestellt ist – mit frischen Zutaten. Logisch, dass auch dieses Büchlein zu einer kleinen Einladung wird, den ungesunden Pfad des Fertig-Kaufens zu verlassen und darüber nachzudenken, was man sich – und seinen Kindern – eigentlich antut, wenn man diese überzuckerten Kunstprodukte kauft.

Back to the roots, lautet die Devise. Oder auch: Wieder wissen wollen, wie es geht.

Logisch, dass die Autorin auch kurz erzählt, wie das Eis einst erfunden wurde (als es nach heutigen Maßstäben eigentlich nur Sorbet war) und wie es dann die Italiener waren, die das Produkt immer weiter verfeinerten und eigentlich erst das draus machten, was wir heute als Speise- und Sahneeis kennen.

Längst hat sich eine ganze Vielfalt verschiedenster Eissorten herausgebildet, die auf verschiedenste Geschmäcker und Vorlieben Rücksicht nehmen, aber auch auf die unterschiedlichen Ansprüche bei Kaloriengehalt, Cremigkeit und Fruchtigkeit. Manche mögen es halt am liebsten nur kalt und fruchtig und ohne Milch, anderen kann das Eis gar nicht cremig genug sein, gern ergänzt mit Waffelröllchen, Schoko-Soße, Pfefferminzblättern und Streuseln.

Aber bestimmt ist für so manchen Eis-Liebhaber die Vielfalt des Möglichen gar nicht so bewusst. Da ist es durchaus eine kleine Entdeckung, wenn man hier in aller Kürze erfährt, was Fruchteis von Joghurteis unterscheidet, Parfait von Semifreddo und Milch- von Sahneeis.

Wobei manches davon auch mischbar ist. Die Macher daheim am eigenen Kühlschrank haben es in der Hand. Sie können die Bestandteile in aller Eigenregie variieren. Die Frage ist dann eher: Legen sie sich auch noch extra eine Eismaschine zu? Oder reicht ihnen die kleine Zauberei mit dem Kühlschrank oder dem Slushy-Becher, in dem man sich sein Eis quasi zurechtknetet?

Man hat also schon einmal das nötige Rüstzeug zur Eigenproduktion, bevor es dann in den üblichen Rezeptteil geht, in dem die Autorin dann einige durchaus auch aufregende Anregungen gibt, sich daheim etwas kaltes Leckeres herzustellen – vom Karamelleis über das „Zitronensorbet mit Schuss“ bis zum Apfel-Zimt-Eis, das sogar zu Weihnachten passt. Es gibt ein paar ganz scharfe Dinger mit Chili drin, Birne Helene oder heißen Früchten. Wenn man die Grundrezepturen drauf hat, darf die Phantasie ja spielen. Wobei sich bei Eis ja noch ein schöner Effekt findet: Es lockt in der Regel dann, wenn draußen tatsächlich die ersten Früchte reifen. Man kann also die Pracht der Saison ins Eis packen. Oder drauf. Von der Erdbeere bis zur Kirsche. Man hat das Original im Mund und merkt ziemlich bald, dass man auf die Zuckerbomben aus dem Supermarkt tatsächlich verzichten kann.

Auf den Gang zur duftenden Eisdiele an der Ecke vielleicht nicht. Wer eine Kindheit mit Eisdiele erlebt hat wie Katharina Kleinschmidt, der wird diese Faszination im Leben nicht wieder los. Erst recht, wenn die Auswahl so riesig ist, dass man am liebsten 20 Kugeln nehmen würde, auch wenn man nur zwei schafft.

Was tun?

Büchlein lesen. Lernen, wie es geht. Und sich die Spaziergänge zum „Venetia“, „Firence“ oder „Roma“ für die besonderen Sonnentage aufheben. Kommen ja noch ein paar. Die schöne Zeit hat ja gerade erst angefangen.

Katharina Kleinschmidt Eis & mehr, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2018, 5 Euro.

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