Der Sächsische Flüchtlingsrat hat zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Jahresmagazin veröffentlicht, in dem verschiedene Autoren auf zahlreiche Entwicklungen im Bereich Asyl und Migration zurückblicken. Das Magazin behandelt sowohl europäische Angelegenheiten wie den Deal mit der Türkei und die Aufnahmelager in Griechenland als auch die Situation in Sachsen: zum Beispiel bei Wohnungsmarkt, Selbstorganisation und Rassismus.
Ein bewegendes Jahr neigt sich dem Ende entgegen – auch und vor allem für den Sächsischen Flüchtlingsrat (SFR). Das Wort „Bewegung“ spielt bei seinen Aktivitäten eine große Rolle. Viele Personen, mit deren Schicksalen sich die Mitarbeiter befassen, haben eine Flucht über mehrere tausend Kilometer hingelegt, bevor sie in Deutschland gelandet sind. Teilweise die selben Personen sind gezwungen, sich wegen abgelehnter Asylanträge in ihre Herkunftsländer zurückzubewegen, teilweise unter Anwendung polizeilicher Gewalt.
In Leipzig ist der Sächsische Flüchtlingsrat im ersten Halbjahr 2017 vielen ins Bewusstsein getreten, als er sich für den Verbleib des Schülers Luan und dessen Familie eingesetzt hat. Der Flüchtlingsrat war es, der den Fall in die sächsische Härtefallkommission gebracht hat und über diesen Weg eine Aufenthaltserlaubnis erreichte.
Nun hat der SFR zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Jahresmagazin herausgebracht, in dem sowohl Mitarbeiter als auch Gastautoren auf die Ereignisse und Diskussionen der vergangenen zwölf Monate und darüber hinaus zurückblicken.
Abschotten, Ankommen, Abschieben, Ankämpfen
Auf 120 Seiten und in den vier Themenkomplexen „Abschotten“, „Ankommen“, „Abschieben“ und „Ankämpfen“ beschäftigen sich die Autoren unter anderem mit dem Deal mit der Türkei und den Aufnahmelagern in Griechenland. Erst vor wenigen Wochen sprach der Europarat von „unmenschlichen“ und „entwürdigenden“ Bedingungen vor Ort. Auch die sogenannten sicheren Herkunftsländer, das Kirchenasyl und Familienzusammenführungen finden ihren Platz in dem Magazin.
Gut die Hälfte der Beiträge legt einen Fokus auf Sachsen. So erfahren die Leser einiges über den in Borna ansässigen Verein Bon Courage und die von Geflüchteten betriebene Organisation Asylum Seekers‘ Movement. Auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt spielt eine Rolle – sowohl in Bezug auf die Möglichkeiten dezentraler Unterbringung als auch im Zusammenhang mit Diskriminierungserfahrungen. Solche äußern mehrere zitierte Personen, die in einer angeblich weltoffenen Stadt wie Leipzig trotz intensiver Suche keinen Platz in einer Wohngemeinschaft gefunden hätten.
So schildert eine Person, dass ihr gesagt wurde, der Platz sei bereits vergeben – was sich auf Nachfrage einer anderen Person aber als Lüge herausgestellt habe. Nicht fehlen darf natürlich ein Überblick über rechte Aktivitäten im Freistaat in den vergangenen 30 Jahren.
Von Hannah Arendt bis Kettcar
Das Magazin ist optisch weitgehend schlicht und übersichtlich gehalten. Auf vielen Seiten finden sich thematisch passende Zitate oder Grafiken. So verkündet auf der dritten Seite beispielsweise Hannah Arendt, dass Freiheit der Sinn von Politik sei. Auf der Rückseite findet sich der Text des Kettcar-Songs „Sommer ’89“, der von einem Fluchthelfer handelt. Eindrücklich ist auch eine Grafik, die Europa buchstäblich als Festung zeigt.
Quelle: Youtube, Kettcar-Channel Grand Hotel van Cleef
Besonders lesenswert sind die ersten beiden Beiträge in dem Magazin, da diese einen großen Bogen schlagen und all die im Heft vertretenen Themen zusammenführen. So bringt Ali Moradi, der Geschäftsführer des SFR, die derzeitige Situation gut auf den Punkt: „Die Welt wird eingeteilt in diejenigen mit den richtigen und mit den falschen Pässen. Die einen, die aus Reiselust in ferne Länder fliegen, und die anderen, die in den Lagern und auf den Fluchtrouten versuchen müssen zu überleben.“
Bleiberecht für alle
Aus dieser Zustandsbeschreibung ließen sich wohl zwei Rückschlüsse ziehen. Entweder man löst diese Ungerechtigkeit auf, indem man für totale Abschottung für alle Menschen plädiert. Oder man geht einen Schritt weiter, so wie es Thomas Hoffmann und Mark Gärtner, die Öffentlichkeitsarbeiter des SFR, in ihrem Beitrag machen.
Sie schreiben: „Der Kampf für das Recht auf Asyl sollte nicht weiter defensiv geführt werden. Ein Kampf, bei dem es darum geht, das Recht auf Asyl auch noch gegen Nationalismus und Rassismus zu verteidigen. Ein Kampf, der so weit in die Defensive geraten ist, dass Menschen inzwischen schon „freiwillig“ nach Afghanistan zurückkehren, weil ihnen das Leben hier so mies gemacht wurde, dass sie lieber in einen fallenden Staat zurückflüchten. Vielleicht müssen wir uns viel mehr überlegen, wie das Recht auf Freizügigkeit und das Bleiberecht für alle wirken können.“
Interessierte können das Magazin “Querfeld” beim SFR per Mail an pr@sfrev.de bestellen. Es werden nur die Versandkosten fällig.
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