Für FreikäuferDinge gibt’s. Man staunt immer wieder. Aber irgendwie werden derzeit all die einst beliebten Handarbeiten wiederentdeckt, die einem so schrecklich retro vorkommen. So omamäßig. Obwohl. Eigentlich ist das schon uromamäßig, stammt aus einer Zeit, als Frauen noch all die Dinge herstellen konnten, die eine Familie zum Anziehen und Schönmachen brauchte. Und einige dieser Begabten hatten auch noch die Mega-Geduld fürs Klöppeln.

Das ist wahrscheinlich unser Hauptproblem bei all diesen Dingen und bei unserem alltäglichen Gefühl, keine Zeit mehr zu haben, weil die Dinge einen aus allen Richtungen bedrängen und treiben und wir das Gefühl nicht loswerden, ständig irgendetwas Wichtiges zu verpassen. Die modernen Kommunikationsspielzeuge haben uns völlig im Griff, haben unsere Aufmerksamkeit zerhackt und unsere Konzentrationsfähigkeit zerschnipselt.

Wie wird man da noch zwei, drei Stunden Geduld aufbringen, um Häschen, Blumen und bunte Wiesen zu klöppeln?

Aber irgendwie scheint das zu funktionieren im erzgebirgischen Elterlein, wo sich die Bewohner eine alte Scheune, die Bockscheune, ausgebaut haben und im Obergeschoss regelmäßig „geklöppelt, geschnitzt, genäht, gewebt, gestrickt, gestickt, gemalt und getanzt“ wird. Katrin Baumann und Steffi Schmat unterrichten dort „Anfänger und Fortgeschrittene“ im Klöppeln. Aber auch Kinder finden diese alte Kunst augenscheinlich interessant und lassen sich auf die geduldige Arbeit mit den Garnen ein.

Und möglicherweise steckt das auch an. Die beiden Klöppel-Spezialistinnen jedenfalls haben so ein Gefühl, dass das geduldige Garnwickeln, Kreuzen und Drehen auch für Kinder spannend sein könnte, die nicht aller Tage in die Bockscheune von Elterlein kommen. Was tun? Natürlich alles Wichtige in ein Buch packen. Mit einer Klöppelelfe namens Charlotte Zwirbelzwirn dazu, die immer mal wieder mit Muntermachern und kleinen Ratschlägen auftaucht, und ansonsten erst einmal hübsch systematisch: von den Gerätschaften, die man zum Klöppeln braucht, und den wichtigen Handgriffen über das Vorbereiten des Materials bis zum ersten Fadenlegen.

Der wichtigste Tipp kommt gleich früh: Geduld gehört dazu. Wie zu jeder Handarbeit. Anfangs wird man vielleicht noch ein bisschen zappelig sein, wenn sich das mit dem Drehen und dem Übereinanderlegen der Fäden noch nicht so eingespielt hat. Aber zumindest beim Lesen ist alles irgendwann ganz einfach: „Ihr müsst nur noch wissen, wann gedreht und wann gekreuzt werden muss.“

Was dann auf den nächsten 80 Seiten folgt, sind lauter richtige kleine Projekte, mit denen man das Klöppel lernen und üben kann – Schritt für Schritt. Aber nicht zu schwer. Und jedes Mal kommt ein kleines filigranes Objekt dabei heraus, das das Auge erfreut. In der ersten Übung ein Gänseblümchen. Und noch eins. Und noch eins. Und dann noch eine Wiese dazu. Die man zum Beispiel um eine langweilige Vase wickeln kann, so dass sie nicht mehr so langweilig aussieht.

Es ist augenscheinlich ein richtiges Mädchenhobby. Denn was jetzt alles geklöppelt wird, sind Dinge, die Mädchen mögen: Ohrringe in bunten Farben, Armbänder, Schneeflöckchen, bunte Jakobsmuscheln, tanzende Blätter und kleine Figuren wie die Klöppelfee Charlotte. Die man hübsch ins Fenster oder an den Baum hängen kann. Ja, irgendwie naht ja auch wieder Weihnachten, wo man ein geklöppeltes Tannenbäumchen genauso gut brauchen kann wie ein grinsendes Schneeflöckchen.

Aber den Leser herzerwärmen noch ganz andere Figuren. Nicht der Frosch oder das Vögelchen, aber der Bücherwurm Leo und die Leseratte Annabell. Beide schön lustig und platt und sehr gut geeignet, in dicken Büchern auszuharren, bis man wieder ein Stündchen Zeit hat, an der Stelle weiterzulesen, wo Leo und Annabell ausgeharrt haben.

Apropos Zeit: Kleine Teetassen geben an, wie lange man normalerweise braucht, um so ein witziges Kunstwerk aus Garn zu fertigen. Das sollten kleine KlöppelmeisterInnen vielleicht immer angeben, wenn sie ihr filigranes Kunstwerk jemandem schenken. Denn natürlich braucht das Zeit und Geduld. Für die Leseratte Annabell sind das schon mal zehn Tassen Tee – oder eben zehn Stunden. Teetassen deshalb, weil die Pause zwischendurch einfach wichtig ist. Was unsereins heutzutage auch gern vergisst. Auch Geduldsarbeiten brauchen Pausen, kleine Momente zum Lockerwerden und mal wieder Aus-dem-Fenster-Gucken.

Es schneit zum Glück noch nicht. Kein Grund zur Hektik. Oder wie so ein alter Klöppelbegeisterter und Handarbeiter immer sagt: Gut Ding will Weile haben.

Katrin Baumann; Steffi Schmat Klöppeln mit Kindern, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2017, 14,95 Euro.

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