Noch einmal kurz umschalten, runterdimmen. Man wird ja langsam närrisch in diesem Land. Es wird über die falschen Probleme debattiert, falsche Schuldige werden gefunden, ohne dass einer sucht. Und die, die es vergeigt haben, stehlen sich (gut versorgt) aus der Verantwortung. Das ist peinlich. Auslöffeln müssen es andere. Nämlich die, die im besten Fall 16,30 Euro am Tag zur Verfügung haben, um eine vierköpfige Familie zu ernähren.
Uwe Glinka und Kurt Meier wissen, was es heißt, mit den für Ernährung vorgesehenen Tagessätzen im Hartz-IV-Bezug auszukommen. Peinlichst hat der deutsche Gesetzgeber ausgerechnet, was ein Arbeitsloser für Essen und Trinken ausgeben kann, so knapp, dass viele Betroffene verzweifelten, weil es eigentlich nicht ging. Zumindest nicht, wenn man nicht gelernt hat, sparsam zu haushalten. Sehr sparsam.
Die beiden haben es nicht einfach so stehen lassen. Sie haben sich hingesetzt und gemeinsam ein Kochbuch entwickelt, in dem rezeptgenau steht, wie man mit den kärglichen Hartz-IV-Sätzen (unsanktioniert) doch noch über die Runden kommt. Natürlich heißt das Büchlein, das es jetzt in drei Varianten im Buchverlag für die Frau gibt, nicht Hartz-IV-Kochbuch. Nicht wegen der armen Seelen, die sich Hilfe beim Amt holen müssen. Sondern weil noch viel mehr Menschen in Deutschland mit derart niedrigen Einkommen auskommen müssen – angefangen bei Rentnern und Studierenden bis hin zu all den Leuten, die zwar irgendeinen Job haben, der aber eigentlich nicht zum Leben reicht.
Da werden dann Abstriche gemacht. Und man resigniert. Viele vergessen, dass es eigentlich nicht darum geht, irgendwelchen Beamten und Sachbearbeitern alles recht zu machen, sondern um ihr eigenes Leben. Die Diskussion in Deutschland steht seit über 30 Jahren vollkommen auf dem Kopf. Das Schlimme war, dass auch die SPD unter Gerhard Schröder von diesem Knutenschwingerdenken infiziert wurde und daran bis heute krankt.
Ein Leben ist nicht dazu da, um die Disziplinierungsorgien einer Arbeitslosenverwaltung zu ertragen und widerspruchslos hinzunehmen. Und auch nicht, daheim dann in Trauer zu versinken. Denn was Glinka und Meier bewiesen haben, ist: Dass man zwar nicht aus der Klemme kommt, wo man seine Einkäufe tätigen muss – denn vom Preis her ist man auf die Discounter angewiesen. Aber man muss und sollte dort auch nicht zu den Angeboten an Fertigprodukten und Fastfood greifen. Finger weg davon. Denn das Zeug ist in Wirklichkeit viel zu teuer – und gesund und abwechslungsreich ist es auch nicht.
Deswegen habe ich in diesem – nun aktualisierten – „Familien-Spar-Kochbuch“ die Einkaufstipps vermisst. Denn zu wirklich bezahlbaren Mahlzeiten kommt man nur, wenn man sich auf die rohen Zutaten in größeren Mengen konzentriert und Mehl, Nudeln, Kartoffeln usw. in den großen Kilopackungen kauft. Erst so kommen dann die relativ niedrigen Kosten pro Mahlzeit zustande, die die beiden akribisch ausgerechnet haben.
Die Rezepte selbst kommen gerade älteren Bürgern sehr vertraut vor. Es ist kein Arme-Leute-Essen, so, wie es noch vor 100 Jahren in Arbeiterhaushalten normal war. Mehlsuppe und ähnliche Dinge kommen nicht vor. Dafür trifft man viele bekannte und einfache Gerichte an, die in der Jugend der Eltern und Großeltern noch Standard waren. Deswegen konnten auch viele Köchinnen und Landfrauenverbände den beiden Autoren helfen, gute und preiswerte Rezepte zusammenzutragen. Denn in vielen Familien sind diese Rezepte noch bewahrt, werden auch gern immer wieder gekocht – wenn noch gekocht wird.
So gesehen regt das Buch gerade die Menschen mit schmalen Einkommen an, den Reichtum der einfachen bürgerlichen Küche wiederzuentdecken, wie er bis in die 1960er Jahre normal war. Als es auch noch normal war, selbst zu kochen und die Zutaten für Suppen, Fleisch-, Fisch- und Gemüsegerichte selbst zu besorgen. Zumeist im Lebensmitteladen um die Ecke, der noch zu Fuß erreichbar war, bevor das Unwesen der Fertiggerichte, der aufgebrezelten So-tun-als-ob-Mahlzeiten und der riesigen Supermärkte begann, in die man nur noch mit dem Auto kommt.
Wir haben eine Menge Küchenkultur eingebüßt. Und damit auch viel Wissen um schmackhafte, leicht zuzubereitende und trotzdem gesunde Gerichte.
Das Büchlein hat 90 Seiten und damit fast ebenso viele Empfehlungen für einen ganzen Tagesessenplan mit Frühstück, Mittag- und Abendessen. Wobei natürlich zu Frühstück und Abendessen in der Regel Brot/Brötchen mit Aufstrich, Obst, Gemüse usw. dominieren.
Warm gegessen wird mittags. Und das ist das Spannende für viele, die es noch nicht probiert haben, dass man für 4 bis 6 Euro durchaus leckere Sachen für eine vierköpfige Familie auf den Tisch bringen kann. Und zwar jeden Tag etwas anderes: vom Chili con Carne bis zur Buchstabensuppe mit Hühnchenfleisch, die Kinder ja bekanntlich lieben, genauso wie Nudeln in allen Variationen bis zu Hackfleischpizza und Hähnchen mit Pommes Frites. Und alles dürfte viel leckerer schmecken als vergleichbare Fertigware aus dem Supermarkt, die einem wesentlich teurer zu stehen kommt.
Es gibt Fleischgerichte genauso wie Fisch- und Gemüsegerichte, aber auch Salate, Suppen, Eintöpfe und ein paar einfache Nachspeisen. Nicht nur Kinder freuen sich, wenn es nachher doch noch etwas Süßes gibt.
Das – nun mit den neuen Hartz-IV-Sätzen aktualisierte – Familien-Spar-Kochbuch ergänzt die beiden anderen Spar-Kochbücher für Singles und für kleine, heißt: Zwei-Personen-Haushalte. Die Spar-Kochbücher sind seit ihrem Start ein Bestseller. Der Bedarf an Rezepten, die man für wenig Geld zubereiten kann, ist riesengroß. Und er sinkt nicht. Im Gegenteil: Das Leben mit niedrigen Einkommen ist für einen großen Teil der deutschen Gesellschaft schon lange der Normalzustand. Und wenn man so zuhört beim Geschwätz der ewigen Wahlgewinner: Sie haben das Thema noch nicht einmal auf dem Schirm. Es interessiert (noch) nicht.
Deutschland ist ein zerrissenes Land, in dem die einen Sorgen haben, wie sie die Steuer austricksen können, und die anderen, wie sie mit ihrem Geld bis zum Monatsende kommen.
Die Spar-Kochbücher helfen letzteren dabei auf jeden Fall. Und vor allem schulen sie eine Tugend wieder, die in den vergangenen 50 Jahren völlig unter die Räder kam: Mit einfachen Dingen und kluger Sparsamkeit trotzdem glücklich zu sein und eine ausgewogene Ernährung hinzubekommen. Tatsächlich erzählt der Bedarf an diesen Kochbüchern, dass es da unten irgendwo ein ganz bescheidenes Deutschland gibt, das weiß, wie man mit knappen Ressourcen lebt, und das schon lange keinen Anteil mehr hat an der Konsum-Besoffenheit der Schönen, Reichen und Nimmersatten.
Uwe Glinka; Kurt Meier Das Familien-Sparkochbuch, aktualisierte Ausgabe, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2017, 9,95 Euro.
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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