Manchmal wird man ja durch unverhoffte Postsendungen überraschend auf Phänomene gestoßen, die man vorher gar nicht kannte. Zum Beispiel, weil man die Zudröhnkiste schon vor Jahren entsorgt hat und gar nicht auf die Idee käme, in einen Kanal namens Tele 5 reinzuzoomen. Und gar eine Sendung namens SchleFaZ zu gucken. Aber nun trudelte ein buntes Cocktail-Buch in die Redaktion.
Dass man schlechte Filme nur mit allerlei Gesöff, das ordentlich zudröhnt, durchstehen kann, hat sich ja herumgesprochen. Ich ganz persönlich halte den massiven Alkoholmissbrauch in Deutschland und anderswo auch für eine direkte Folge dessen, was Fernsehen anrichtet. Da ist es irgendwann egal, ob man sich das Gehirn von der bunten Sendesuppe wegdampfen lässt oder von ordentlich Promille aus dem Glas.
Und was Oliver Kalkofe und Peter Rütten in ihrer bei Tele 5 seit 2013 laufenden Sendung weggepichelt haben, das hat schon jede Menge Alkohol. Man kann nur hoffen, dass sie alle diese zum Teil heftigen Cocktails wirklich nur probiert haben und schon gar nicht so wettkampfsaufend wie in den kleinen Tipps für Trinkspiele, die man im Buch findet. Denn wenn man jedes Mal, wenn sich dämliche Ereignisse in schlechten Filmen wiederholen, so einen Cocktail wegpichelt, dann dürfte noch vor Filmende der Anruf beim Rettungsdienst und eine lange Alkoholentziehungskur fällig sein.
Die Cocktails sind dabei – so erzählt das Buch – der Phantasie des Berliner Barkeepers Thilo Bloona entsprungen, der sich wirklich Mühe gegeben hat, hochkarätige Cocktails zusammenzumixen, die es wenigstens von der Inszenierung her mit dem gezeigten Film aufnehmen können. Manche dieser Cocktails scheinen richtig gut zu sein – die Rezepte stehen da und jeder kann sie nachmixen, wenn er so etwas wie eine Filmparty vorhat.
Und der Nicht-Fernseh-Gucker erfährt natürlich auch, was es mit der Sendung auf sich hat. L-IZ-Leser haben ja jüngst erst Clemens Meyer und Claudius Nießen erlebt, die sich ganze Berge von Trash-Filmen aus der Videothek reingezogen und dabei ebenfalls lauter Alkoholorgien betrieben haben.
Ihre Erlebnisse mit diesen Filmen haben sie dann versucht, literarisch irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Und am Ende war man heilfroh, dass sie das überlebt haben und möglicherweise die Zeit der wirklich bekloppten Filme vorbei sein könnte mit dem Hinsterben der Filmkassette.
Aber Kalkofe und Rütten zeigen seit 2013, dass dem leider nicht so ist, dass es in der Filmwelt keine Grenzen der Vernunft, des Anstands oder der Exzesse gibt. Das Filmbusiness funktioniert eindeutig nach der Regel, dass alles produziert wird, was auch Käufer und Rezipienten findet. Wo deutsche Filmemacher sich für wirklich kluge Filmideen die Hacken ablaufen und meisten nicht die Förderung bekommen, die sie brauchen für ihr Projekt, können die schlimmsten Filme auch fürs miserabelste Budget produziert werden – und sie finden trotzdem noch ihr zahlendes Publikum.
Wobei Kalkhofe und Rütten durchblicken lasen, dass sie den größten Schrott in ihrer fernen Jugend in den 1970er Jahren sogar im Kino gesehen haben. Einige dieser wirklich grässlichen Filme haben sie in ihre Sendung und auch in dieses Buch mit aufgenommen. Mit kleinen Rezensionen fassen die beiden den oft kaum mehr komprimierbaren Inhalt dieser Streifen zusammen, die eher selten aus renommierten Hollywood-Studios kommen (obwohl auch dort eine Menge teurer Schrott produziert wird, der oft auch dadurch, dass große Filmfirmen dahinterstehen, vom Publikum gar nicht kritisch betrachtet wird – obwohl er fatale Gewöhnungen erzeugt). Wer ein wenig eintaucht in diese Welt der grunzdoofen Filme, der trifft auf Produktionsfirmen, die sich oft genug darauf spezialisiert haben, genau solche geistlosen Filme für ein blut- und schlabberversessenes Publikum zu produzieren. Und wo Tele 5 und die beiden SchleFaZ-Macher 2013 zumindest noch die Befürchtung hatten, eine Sendung, die sich derart trashig mit absolut hirnverbrannten Filmen beschäftigt, könnte vielleicht an Zuschauermangel verenden, so läuft die Sendung längst in der 4. und demnächst gar in der 5. Staffel.
Wobei SchleFaZ nicht nur die Kreisch- und Fressfilme präsentiert, sondern immer wieder auch einen Blick in die Welt wirft, in der diese Filme entstehen. Was den beiden Komikern dann sogar kleine Rollen einbrachte in Teil 3 von „Sharknado“. Das ist der mittlerweile auf vier Teile angewachsene Irrsinn um die mit Hurricans in die amerikanischen Großstädte regnenden Haie. Schon Teil eins sprengte alle Grenzen des klaren Verstandes – die nächsten Teile trieben es noch weiter.
Kalkofe und Rütten müssen schon einige Verbalakrobatik aufwenden, um dem Publikum überhaupt noch verständlich zu machen, wie abgrundtief schlecht, irrsinnig und realitätsfern die Filme sind, die sie da aus der Klamottenkiste kramen. Aber gerade die „Sharknado“-Begegnung macht deutlich, dass das dem Genre überhaupt nichts schadet. Den Machern dieser Filme ist vollauf bewusst, was für einen kreischenden Schrott sie da produzieren und dass eigentlich nur noch Satiriker mit derbster Vokabelauswahl darüber noch irgendetwas Substanzielles sagen können. Aber das Zeug findet sein Publikum.
Und das gibt zumindest zu denken, wenn man mal wieder kurz auf Klarheit im Kopf umschaltet. Denn auch wenn alle die hochbezahlten Gurus der Filmbranche immer so tun, dass das, was sie da anrichten, keine Auswirkungen hätte – das Gegenteil ist der Fall. In einer Welt, in der Menschen den größten Teil ihrer freien Zeit vor der Glotze zubringen, ist auch ihr Denken und ihre Weltwahrnehmung durch das geprägt, was sie da geboten bekommen. Und die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass kluge und humanistische Filme kaum einmal zum Kassenrenner werden, während der größte Schrott und der schlimmste Macho-Streifen die Kinosäle füllen. Was Meyer und Nießen sich heimlich antaten mit dem Gefühl, hier vielleicht eine Art Zeitreise in schlimmste Kinozeiten durchzustehen, kann eigentlich in vielen Haushalten nur der Normalzustand sein. Millionen Leute müssen sich das Zeug wie Billigfusel reindrehen. Und mittlerweile sind die Trash-Produzenten auch nicht mehr aufs Kino angewiesen, sondern können ihren Snuff auch gleich übers Internet in die Welt bringen. Und die Leute sind bereit, dafür auch zu zahlen.
Was ja wohl heißt: Ein großer Teil der scheinbar libertären westlichen Welt lebt in einer Parallelwelt, in der das Blut nur so spritzt, überkandidelte Helden wahnwitzige Taten vollbringen, meistens strunzdumme Blondinen retten … klingt erst einmal einfach: Aber auch diese Filme vermitteln Welt- und Menschenbilder. Und das sind keine guten. Was aber passiert, wenn diese Menschen zur Wahl gehen und meinen, das müsste jetzt mal umgesetzt werden? Einer müsste jetzt mal den dicken Tarzan machen und den anderen mal zeigen, was ein Hammer ist?
Nur so ein Gedanke.
Kalkofe und Rütten machen sich lustig über den Schrott, verkleiden sich in die lächerlichen Kostüme der Helden, genießen die zuweilen überschäumenden Cocktails. Aber schauen die Leute sich das wegen ihrer Späße an, oder weil sie die strunzigen Filmklamotten zu sehen bekommen, gleich noch mit dem Gefühl, eigentlich seien sie ja nun abgeklärt und würden das Zeug auch nur mit dem ironischen Blick der Satiriker sehen? Denn wenn man sich der Blödheit dieser Filme bewusst ist, steht man ja drüber, oder?
Ich weiß es nicht. Mir ist schon das übliche Durchschnittsprogramm der Fernsehsender zu unterirdisch. Die Jagd nach Quote und Massenpublikum beginnt schon im Ersten und im Zweiten und führt dort zu unaushaltbaren Weltbildern und Plattheiten.
Aber für SchleFaZ geben sich eine Menge Leute die Mühe, wenigstens eine sehr bunte Show samt Party draus zu machen. Was dann am Dienstag, 27. Juni, auch zu einem Leipzig-Gastspiel führt. Insgesamt fünf Clubs in fünf Städten steuern Oliver Kalkofe und Peter Rütten an. Am 27. Juni sind sie zu Gast im SPIZZ. Einlass ist ab 19 Uhr. Filmbeginn für den Film „Macho Man“ ist 20 Uhr.
Davon hat der normale Spaziergänger wahrscheinlich nichts, denn die Karten werden über allerlei Spaßkanäle wie Facebook und Radiosender verbeutelt. Was schon recht ist. Da sind ja die Leute unterwegs, die medial lieber nichts Anstrengendes haben wollen. Die Bücher kann man überall bestellen. Und richtig schön wird es, wenn man zu den schrillen Cocktails tatsächlich mal einen guten Film auflegt.
Vielleicht so als Tipp: „Rain Man“ oder „Schtonk“?
Oliver Kalkofe; Peter Rütten SchleFaZ – Das Cocktailbuch, Lappan Verlag, Oldenburg 2017, 12,99 Euro.
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