Elke Strauchenbruch hat schon mehrere Bücher über Luthers Leben in Wittenberg geschrieben, hat sich mit Haushalt, Kindern, Ehe, Garten und Landwirtschaft beschäftigt. Kaum jemand weiß so viel darüber, wie dieser Theologieprofessor tatsächlich lebte und welche Rolle Katharina in seinem Leben spielte. Fehlte noch ein besonderes Stück: Luthers Hochzeit. Immerhin: Das war 1525 ein Politikum.

Und es war fast genauso wie heute: Die Stockkonservativen warfen die Empörungsmaschine an, auch wenn ihnen keine Zeitungen und Fernsehsender zur Verfügung standen. Dafür schrieben sie dicke Bücher und Episteln, in denen sie mit Schaum vorm Mund über diesen ehemaligen Mönch in Wittenberg eiferten, der nun auch noch eine „entlaufene Nonne“ heiratete. Selbst der sonst eigentlich so abgeklärte Erasmus von Rotterdam orakelte ein schlimmes Ende. Je mehr Publikationen es zur Reformation und ihren Auswirkungen gibt, umso deutlicher wird eigentlich, wie wichtig dieser Luther und sein Thesenanschlag tatsächlich waren. Denn die konservative, katholische Seite, die hätte sich bis heute nicht geändert.

Die hatte zwar ein paar kluge Repräsentanten, die wichtige Reformthemen ansprachen – aber die scheiterten schon vor Luther allesamt an den üblichen Bedenkenträgern. Die sind zwar in geschichtlichen Zeiten immer eine starrköpfige Minderheit gewesen, aber wenn es um das Ausbremsen und Verhindern gesellschaftlicher Entwicklungen ging, waren sie immer professionell, lautstark, bestens vernetzt. Denn sie hatten ihre Anhänger immer im Apparat – egal in welchem, ob dem damaligen Kirchenapparat oder diversen Partei- und Staatsapparaten der Neuzeit. Und zwar in denen nach 1989 genauso wie in denen davor.

Was auch ein Grund dafür ist, dass aufmerksame Zeitgenossen immer wieder dieses Gefühl haben: „Sind die denn blöde? Kriegen die denn nicht mehr mit, was die Menschen wirklich quält?“

Stimmt: Die Rückmeldungen aus den Apparaten sind ihnen wichtiger. Sie sind die Vollstrecker der in steinerne Strukturen gebauten Macht. Und sie haben alle Macht- und Drohmittel auf ihrer Seite. Und sie drohten mit allem, was sie hatten. Sie hatten nur Pech: Über Luther wachten ein kluger Kurfürst Friedrich und ein emsiger Staatsmann wie Spalatin. Sie wussten, was schon die ersten Veröffentlichungen Luthers in Deutschland ausgelöst hatten. Luthers Re-Interpretation der Bibel wurde wie eine Befreiung empfunden. In eine in Riten erstarrte Religion zog wieder Tageslicht ein. Auf einmal waren nicht mehr die Heiligen und die fernen Strafen in Hölle und Fegefeuer wichtig. Auf einmal war das Leben auf Erden wieder im Mittelpunkt. Mit allem drum und dran.

Auch Liebe, Ehe, Partnerschaft. Letzteres sei betont, denn genau da setzte schon 1519 Luthers Nachdenken über die Rolle der Ehe ein. Was aus heutiger Sicht nur deshalb seltsam wirkt, weil wir die Luthersche Sicht auf die Ehe schon längst verinnerlicht haben und uns die Enge und Strenge mittelalterlicher Ehen gar nicht mehr vorstellen können. Dass auch Luthers Ehe-Begriff ein Zeitenbruch war, macht Elke Strauchenbruch recht ausführlich deutlich, indem sie nämlich auch das erläutert, was vor Luther allgemein normal war – bis hin zur völligen Hörigkeit der Frau und der Vormundschaft des Mannes. Einiges von den mittelalterlichen Vorstellungen, die ja auch die wirtschaftliche Existenz der Frauen sicherten, hat sich auch bis in die Neuzeit erhalten.

Das merkten die Zeitgenossen schon, dass Luther mit seinen Rückgriff auf Adam und Eva, Maria und Joseph auch Frauen aufwertete, ihnen eben nicht mehr – wie von der Kirche über Jahrhunderte praktiziert – Evas „Sündenfall“ anrechnete und sie damit indirekt für die Leiden der Welt verantwortlich machte. Was ja auch etwas mit dem Zölibat zu tun hat und der katholischen Verachtung jeglicher Sexualität. Luther hatte es ja am eigenen Leib erfahren, als er in Erfurt ins Kloster eintrat und sich für alle seine irdischen Gelüste kasteite – und trotzdem keine Erlösung fand. Die fand er erst bei Paulus. Mitsamt einer anderen Sicht auf Zölibat, Kloster, Ehe.

Auch wenn es dann doch noch sechs Jahre brauchte, bis er sein Mönchshabit ablegte und eine Heirat in Erwägung zog. Was ja bekanntlich auch eine späte Wunscherfüllung für seinen Vater war, der schon mit Luthers Klostereintritt gehadert hatte und sich natürlich wünschte, dass auch Martin eine Familie gründete.

Was er ja dann tat. Wobei sämtliche Biografinnen und Biografen völlig unterschiedliche Varianten anbieten, wie das nun wirklich war mit Luther und Katharina. Nur Katharinas recht eindeutige Äußerung ist überliefert, dass sie mindestens einen wie Luther haben wollte, ist unverrückbar.

Elke Strauchenbruch geht auch auf das Standesproblem ein, das viele Nonnen hatten – neben der Nichtexistenz eines eigenen Einkommens: Sie stammten zumeist aus adligen Familien, aber adlige Heiraten standen ihnen nach der Klosterflucht kaum offen. Aber bei Katharina wird eigentlich etwas anderes deutlich: Sie hatte im Kloster eine für die Zeit überdurchschnittliche Erziehung bekommen, konnte Lesen und Schreiben und sogar Latein. Sie steht also auch für einen modernen Frauentypus, der sich Lebenspartner sucht, die auch geistig auf der Höhe sind.

Die Frauen gibt es heute noch, auch wenn man meist das Gefühl hat, dass nur noch lauter dumme Königstöchter gefragt sind. So seltsam das ist: Aber gerade diese Bücher, die sich ernsthaft mit Luther und den mit ihm kommenden Veränderungen beschäftigen, zeigen, wie sehr wir heute noch in alten Schablonen und muffigen Ansichten feststecken. Aber von ihnen jeden Tag überschwemmt werden, weil TV und Werbung gar keine andere Menschenbilder kennen.

Die Verdummung geht weiter. Mit dummen Menschen kann man richtig gute Geschäfte machen.

Deswegen lohnt sich natürlich dieses Büchlein für alle, die nicht unbedingt gleich Luthers nicht immer ganz einfache Schriften zur Ehe lesen wollen, aber doch gern wissen wollen, was er tatsächlich meinte und wie er es vor allem in seiner eigenen Ehe umsetzte. Denn Fakt ist ja: Mit Katharina fand er auch ein Glück, das ihm bis dahin verwehrt war. Und zu Recht bedauert Elke Strauchenbruch, dass die überlieferten Predigten und Tischreden fast nur Luther zitieren und seine (oft auch redigierten) Sprüche für die Nachwelt überlieferten. Aber die Frauen fehlen. Als hätten sie bei all den Festen und abendlichen Gesprächen nicht mit am Tisch gesessen und gar nichts gesagt. Was Elke Strauchenbruch auch nicht glauben mag. Aber so wie Frauen auch bei Einladungen als ganz selbstverständliches Anhängsel ihrer Ehemänner betrachtet (und deshalb nicht erwähnt) wurden, so selbstverständlich muss sich Luther mit seiner Käthe auch über mehr unterhalten haben als nur Kindererziehung, Garten, Vieh und Vorratswirtschaft.

Man kann es nur ahnen. Während natürlich die Rechnungen über diverse Hochzeiten und städtische und fürstliche Geschenke überliefert sind, auch das Wissen über damalige Trauungs- und Beischlafriten, über Festkleider und die Hochzeitspraktiken, die Luther gar nicht alle über den Haufen warf, sondern so weit übernahm, wie er es für richtig und vor allem auch von den Menschen so gewollt sah. Denn die Hochzeitsbräuche haben sich ursprünglich abseits der Kirche entwickelt. Die hat erst, als es mal wieder um obrigkeitliche Einflussnahme und Ordnung ging, so nach und nach die Regie übernommen. Man lernt also auch Etliches über die ganz und gar nicht alles durchdringende Rolle der Kirche.

Und natürlich widmet die Autorin auch etliche Abschnitte den Frauen an der Seite der Reformatoren, die eben zumeist keine Heimchen am Herd waren, sondern eben das, was Luther schon 1519 formuliert hatte: Partnerinnen im besten Sinn. Und oft auch die wirtschaftliche Sicherheit für die Männer, die ihr Leben in Schreibstuben, Kirchen und Vorlesungssälen verbrachten – oder wie Luther auf ausgedehnten Reisen. Die Frauen waren es, die daheim dafür sorgten, dass die Wirtschaft funktionierte, Bier brauten, Tiere und Garten versorgten, buken, die Kinder betreuten, das Gesinde dirigierten, Heizmaterial und Trinkwasser besorgten. Dass Luther seine Mitstreiter so zur Ehe drängte, hatte also auch einen zwingenden wirtschaftlichen Grund.

Im Ergebnis bekommt der Leser also kein braves Hochzeitsbüchlein, sondern eins, das jene Welt konturiert, in der Luther seine Gedanken über eine richtige, partnerschaftliche Ehe formulierte und dann auch mit Katharinas Hilfe leben konnte. Hat er richtig Schwein gehabt, kann man sagen. Und wenn wir ehrlich sind, geben wir zu, dass davon auch heute noch nicht alles zum Normalzustand geworden ist, sonst würden wir nämlich über Feminismus nicht debattieren, wir würden ihn täglich leben. Aber sage das mal einer den verbissenen Verteidigern des mittelalterlichen Miefes.

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