Es ist der Beginn einer groรŸen Reise durch eine Zeit, in der in Deutschland Kaiser regierten, Herzogtรผmer umkรคmpft waren und Markgrafschaften erobert wurden, als legendรคre Fรผrstengeschlechter die Reichspolitik bestimmten und der Eigensinn starker Fรผrsten das ganze Land in Krieg und Hunger stรผrzen konnte. Ein Zeitalter, das Sabine Ebert schon seit Jahren beschรคftigt.

Lรคnger noch als die Leipziger Vรถlkerschlacht, zu der sie das groรŸe Zeitpanorama โ€ž1813. Kriegsfeuerโ€œ schrieb, wenig spรคter gefolgt von โ€ž1815. Blutfriedenโ€œ. Beides Romane, die zeigten, wie lebendig die seit damals in Leipzig heimische Autorin nicht nur historische Zeitereignisse zu schildern versteht, sondern auch die betroffenen Menschen, die in diese Zeitereignisse hineingerissen werden, und das auf historisch stimmige Weise. Die groรŸe Weltgeschichte zeigt sich direkt gespiegelt im Leben der โ€žkleinen Leuteโ€œ, die so klein nicht sind bei Sabine Ebert, sondern ein beeindruckend plastisches Gegengewicht gegen die viel gerรผhmten GroรŸen. Ihre โ€žHebammenโ€œ-Romane haben es schon vorher gezeigt, wie das geht und wie lebendig man den Alltag der ganz und gar nicht so kleinen Leute in historischen Umbruchsituationen schildern kann.

Mit der neuen Serie โ€žSchwert und Kroneโ€œ kehrt sie nun zurรผck ins Mittelalter, macht es ganz รคhnlich wie in โ€ž1813โ€œ und โ€ž1815โ€œ und nimmt historisch verbรผrgte Ereignisse als Handlungsrahmen. Was in diesem Fall dazu fรผhrt, dass die Fรผrstinnen und Fรผrsten des 12. Jahrhunderts wieder zu lebendigen Akteuren werden, hochberรผhmte Namen, die noch heute glรคnzen. Denn so ganz zufรคllig hat sich Sabine Ebert das Jahrhundert nicht ausgesucht, auch wenn das Ereignis, das sie ursprรผnglich interessierte, manchem Geschichtsunkundigen erst einmal nichts sagt: die sogenannten Wendenkriege, in denen drei bis heute legendรคre Fรผrsten gemeinsam gegen die letzten slawischen Reiche im deutschen Osten zogen: Heinrich der Lรถwe, Albrecht der Bรคr und Konrad, Markgraf von MeiรŸen.

Was die geschichtskundige Autorin natรผrlich verwunderte, denn aus ihrer Beschรคftigung mit diesem Zeitalter wusste sie, dass die drei eigentlich heftig zerstritten waren. Wie kommen drei derart verfeindete Fรผrsten dazu, gemeinsam einen Kreuzzug gegen die im heutigen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ansรคssigen Slawen zu beginnen? Das Thema bewegte sie schon vor โ€ž1813โ€œ. Die Zeit nach Abschluss der Vรถlkerschlacht-Romane nutzte Ebert nun, sich in die Quellen hineinzuarbeiten.

Und das Ergebnis ist dieser erste Band, den sie nicht im Jahr 1147 beginnen lรคsst, dem Jahr des Beginns der Wendenkriege, sondern zehn Jahre frรผher, im Dezember 1137, am Todestag Kaiser Lothars von Sรผpplingenburg, der erkrankt und entkrรคftet auf der Rรผckkehr aus Italien stirbt. Womit man schon mittendrin ist in einer Reichspolitik, die รผber Jahrhunderte die Geschichte der Deutschen mit der Geschichte Europas, Italiens und dem Papsttum verband. Denn als die Herrscher des Ostfrรคnkischen Reiches im 10. Jahrhundert begannen, sich vom Papst auch zu Kaisern krรถnen zu lassen, verband sich damit eine groรŸe europรคische Idee, nรคmlich die Bewahrung des Rรถmischen Reiches auch weit nach Untergang dieses Reiches โ€“ als groรŸe europรคische Klammer, in der die mรคchtigsten Herrscher Europas auch gleichzeitig Bewahrer des Rรถmischen Kaisertums wurden. Was 200 Jahre zuvor der Frankenherrscher Karl der GroรŸe war. Und was im Laufe dieser Romanserie ein Schwabe namens Friedrich werden soll als Friedrich I., von den Italienern Barbarossa genannt.

Er taucht nicht zufรคllig auch schon in jenem winterlichen Heerlager auf, mit dem Kaiser Lothar aus Italien zurรผckgekehrt ist. Denn hier beginnt alles. Und die meisten Akteure sind alle schon dabei, als Kaiserwitwe Richenza verkรผndet, dass ihr verstorbener Gemahl seinen Schwiegersohn, den Sachsenherzog Heinrich der Stolze, zu seinem Nachfolger bestimmt hat. Ein unerhรถrter Vorgang, nicht nur weil Heinrich seinen Beinamen nicht zu Unrecht trรคgt und viele versammelte Fรผrsten mit der Forderung nach sofortiger Huldigung richtig vor den Kopf stรถรŸt. Das deutsche Kรถnigtum war noch immer ein Wahlkรถnigtum, was oft genug dafรผr sorgte, dass es zu gewรคhlten Kรถnigen auch Gegenkรถnige gab, heftige Fehden mรคchtiger Fรผrsten gegen die gewรคhlten Kรถnige und regelrecht Fraktionen unter den Fรผrsten.

Und auch das ist diese Zeit: Die legendรคre Auseinandersetzung der alten, mรคchtigen Welfen (mit Heinrich dem Stolzen und seinem Sohn Heinrich dem Lรถwen) gegen die eher als Emporkรถmmlinge betrachteten Staufer aus Schwaben โ€“ zu denen dann der tatsรคchlich gewรคhlte Kรถnig Konrad III. gehรถrt, der sich aber in den nรคchsten Jahren einer dauerhaften Opposition durch Kaiserwitwe Richenza und den Sachsenherzรถgen gegenรผbersieht.

Was der einfache, der bekanntere Teil der Geschichte ist. Denn beim Spiel um Macht und Krone gibt es immer viel mehr Akteure, als im offiziellen Tableau zu sehen sind. Und der wohl einflussreichste unter ihnen war Albero von Montreuil, Erzbischof von Trier und engster Berater Kรถnig Konrads, der Mann, auf den man den Titel dieses ersten Bandes der Reihe beziehen darf: โ€žMeister der Tรคuschungโ€œ. Auch wenn auch andere Fรผrsten ihre Berater und Zutrรคger haben, geheime Absprachen treffen, tรคuschen und tricksen, um sich entweder Chancen auf die Macht zu sichern oder neue Lรคndereien und Titel.

Was dann auch noch geheime Boten braucht, Unterhรคndler, Spione, aber auch Schreiber, denn die Mรคchtigen dieser Zeit konnten allesamt nicht lesen โ€“ auch der berรผhmte Kaiser Barbarossa nicht. Aber diese โ€žkleinen Spielfigurenโ€œ muss Sabine Ebert erfinden, denn darรผber, wie all das, was in den offiziellen Urkunden รผberliefert ist, zuvor zustande kam, gibt es natรผrlich keine Protokolle. Auch wenn es zwingend naheliegt, dass es hunderte reitende Boten gab und wohl auch Figuren wie den Spielmann Lukian, der eigentlich die stille Hauptfigur in diesem Buch ist. Hochgebildet, schreibkundig, aber unehelich โ€“ was im 12. Jahrhundert eben auch schon bestimmte, was ein Mensch รผberhaupt noch werden konnte, wenn er nicht als Mรถnch ins Kloster ging. Denn drauรŸen, in der mittelalterlichen Gesellschaft, bestimmte die Geburt รผber den Stand und die Ehre des Menschen. Und zwar nicht nur unten bei den Armen, sondern auch in der Welt der Fรผrsten.

Gerade hier wird das besondere Interesse der Autorin spรผrbar, die immer starke Frauengestalten in ihre Romane einbaut. Und zwar โ€“ was die Fรผrstinnen betrifft โ€“ keine erfundenen. Frauen wie Kaiserwitwe Richenza, Eilika von Ballenstedt, die Mutter Albrecht des Bรคren, oder Adela von Vohburg, die erste Gemahlin Friedrich I., sind historisch verbรผrgt. Ob sie genau so handelten, wie Sabine Ebert es schildert, ist natรผrlich nicht nachvollziehbar. Aber es hat seine Logik. Denn gerade Frauen wie Richenza wurden selbst in den wenigen Auskรผnften der alten Urkunden als aktiv handelnde Persรถnlichkeiten sichtbar.

Frauen waren zwar eigentlich vรถllig rechtlos, mussten ihren Mรคnnern gehorchen, wurden nach rein politischen Zwecken verheiratet โ€“ und das auch oft in frรผhem Alter, fast noch als Kinder. Aber es war auch damals so wie heute: Es muss genug selbstbewusste Frauen gegeben haben, die sich nicht einfach nur als Gebรคrmaschinen fรผr den fรผrstlichen Nachwuchs verstanden. Und es muss auch oft genug richtige Liebe und echte Partnerschaften gegeben haben. Wohl auch Mรคnner, die Liebe eben nicht bloรŸ als beauftragten Gesang gut bezahlter Sรคnger zur Hochzeit betrachteten. Was dazu fรผhrt, dass eben nicht nur emotional starke Frauen den Reigen in diesem Roman aufmischen, sondern auch einige hartgesottene Mรคnner auftauchen, die durchaus eine verletzliche Seite zeigen. Vom groรŸen Polterer Albrecht der Bรคr bis zu einem der jugendlichen Freunde Barbarossas, nรคmlich dem MeiรŸner Markgrafensohn Dietrich, der spรคter als Markgraf der Lausitz in die Geschichte eingehen sollte.

GroรŸe Teile dieses Romans, der die Jahre von 1137 bis 1147 umfasst (und kurz vor Beginn des Wendenkreuzzugs endet) handeln nicht ganz zufรคllig im Gebiet der heutigen Bundeslรคnder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt war der Raum, in dem Albrecht der Bรคr sein Machtzentrum hatte, damals noch Herrscher der Nordmark, kurzzeitig Herzog von Sachsen, spรคter Grรผnder der Mark Brandenburg. Die alten Askanierburgen Anhalt, Ballenstedt, Bernburg sind heute noch historisch erlebbare Orte.

Und nicht nur die Askanier gehรถrten zu den aufsteigenden Fรผrstengeschlechtern im Osten โ€“ auch die Wettiner, die sich mit Konrad dem GroรŸen in der Mark MeiรŸen etablierten. Konrad und sein Sohn Otto (der natรผrlich auch im Buch vorkommt) waren jene Fรผrsten, die aus dem noch groรŸenteils bewaldeten und von Slawen bewohnten Gebiet zwischen WeiรŸer Elster und Erzgebirge jenes reiche und blรผhende Land machten, das spรคter den Namen Sachsen bekam. Und Konrad mischt natรผrlich (auch historisch nachweisbar) mit in diesen frรผhen Kรคmpfen um das deutsche Kรถnigtum, die Sabine Ebert hier schildert. Nicht nur mit leuchtenden Farben, auch mit dรผsteren. Denn was sich in Legenden so ruhmreich ausnimmt, war fรผr die betroffenen Landstriche, Stรคdte, Dรถrfer und Burgen in der Regel eine Katastrophe โ€“ Ernten wurden vernichtet, die Lebensgrundlage von tausenden Menschen zerstรถrt. Hunger und Seuchen waren fast zwangslรคufig die Folgen solcher Heerzรผge, die eben nicht nur so heiรŸen, weil schwer bewaffnete Heere durch die Lande zogen, sondern weil sie das Land, durch das sie zogen, auch tatsรคchlich verheerten.

Der Tod war fรผr die Menschen dieser Zeit sowieso allgegenwรคrtig. Wer sein 50. Lebensjahr erreichte, galt schon als Greis. Selbst Fรผrsten erreichten selten das 60. oder gar 70. Lebensjahr, Frauen zumeist sowieso nicht. Sie starben oft schon frรผh im Kindbett, nachdem sie 10, 12 Geburten hinter sich gebracht hatten.

Wer Sabine Eberts Romane liest, erfรคhrt sehr viel รผber die wirklichen Lebensbedingungen in jener Zeit, in die sie ihre Leser mitnimmt. Obwohl sie auf die romantische รœberhรถhung dieser Zeit verzichtet, entsteht trotzdem ein farbenkrรคftiges Gemรคlde. Jedes Kapitel benennt die handelnden Akteure. Man ist fortwรคhrend unterwegs โ€“ mal mit dem Kรถnig auf all den Pfalzen, die er als Reisekรถnig besucht und wo er seine Reichstage veranstaltet, aber auch auf all den bis heute berรผhmten Burgen der Hauptakteure โ€“ von Albrechts Burg in Ballenstedt bis zur Burg der Markgrafen in MeiรŸen.

Wer unterwegs das Gefรผhl hat, nun bei all den vielen Akteuren, Verschwรถrern, Seitenwechslern, Hochzeiten und Todesfรคllen die รœbersicht zu verlieren, fรผr den gibt es im Anhang mehrere Stammtafeln der wichtigsten hier agierenden Fรผrstengeschlechter: der Welfen, Staufer, Wettiner, Askanier und der Ludowinger. Eine farbige Karte im Vorsatz erleichtert ein wenig die Orientierung in diesem Reich, das in damaligen Akten zumeist noch als frรคnkisches Reich begriffen wurde und erst so langsam als Kรถnigreich der Deutschen verstanden wurde. Da sich der eigensinnige junge Friedrich hier schon als wichtige Gestalt abzeichnet, ahnt man schon, wohin sich dieses Zeitenpanorama um den kรผnftigen Kaiser Barbarossa entwickeln wird, der ja auch in Abgrenzung zum Papst letztlich den Titel Heiliges Rรถmisches Reich in seinen Kaiserurkunden gรคngig machte.

Keine Frage: Wer mit Sabine Ebert in die Geschichte eintaucht, der lernt eine Menge mehr, als es in deutschen Schullehrbรผchern zu finden gibt. Der begegnet vor allem der Komplexitรคt der Geschehnisse und der oft vergessenen Tatsache, dass Geschichte nie einen geraden Verlauf nimmt, sondern lauter Ecken, Kanten, Windungen, Holzwege und Sackgassen kennt. Erst die Nachgeborenen kรถnnen so etwas wie einen roten Faden hineindeuten.

Die Zeitgenossen sehen ein vรถllig anderes Schachfeld und agieren mit vรถllig anderen Kenntnissen โ€“ selten so gut informiert, dass sie wirklich alle Folgen ihres Tuns abschรคtzen kรถnnen. Was dann den Handlungsraum fรผr die Strippenzieher ergibt, die โ€žMeister der Tรคuschungโ€œ, die hinter den Kulissen versuchen, der Entwicklung den Drive zu geben, der aus ihrer Sicht in die richtige Richtung fรผhrt, die Kรถnigsmacht sichert, Konkurrenten schwรคcht oder gar die Machtgewichte neu verteilt.

Die Ebene, die einst auch die Begrรผnder des modernen historischen Romans โ€“ Walter Scott und Alexandre Dumas โ€“ so liebten. Aber Sabine Ebert lรคsst bei keiner ihrer Geschichten die elementare Ebene jener Menschen aus, die unter solchen geschichtlichen Umwรคlzungen leben und zu leiden haben. So wie das Schicksal Lukians und seiner MeiรŸner Geliebten Hanka, das diesen Band durchzieht wie ein Pfad der Hoffnung. Erst recht, wenn man merkt, dass auch die Mรคchtigen nicht gefeit sind gegen plรถtzliche und bittere Niederschlรคge.

Und Sabine Ebert gelingt auf jeden Fall ein sehr authentisches Bild dieser Zeit und der geschilderten Ereignisse. So ungefรคhr kann es wirklich gewesen sein. Aber wie sie es macht, das kann nun jeder selbst lesen. Der Auftakt ist gemacht. Und wenn man das historische Material so einschรคtzt, kann das locker ein halbes Dutzend dicker, dichter Romane werden รผber das Zeitalter Barbarossas.

Sabine Ebert Schwert und Krone, Knaur Verlag, Mรผnchen 2017, 19,99 Euro.

Termine:
Premierenlesung am Samstag, 4. Mรคrz, 20 Uhr im Stadtbad Leipzig
Lesung zur Buchmesse am Samstag, 25. Mรคrz, 20 Uhr im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek

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