Irgendetwas hat Frau Grümm wohl falsch gemacht. Jedenfalls droht der Schulausflug der Klasse 2 c zu einer richtigen Katastrophe zu werden. Zwar ist das Ziel für die Schulzwerge (die Liebhaber der Reihe auch schon als Kindergartenzwerge kennengelernt haben), ein richtig aufregendes: eine echte Burg. Aber schon bei der Ankunft erfahren die Zwerge: Hier dürfen sie eigentlich nichts.

Die Geschichten, die die künstlerische Arbeitsgemeinschaft Meyer, Lehmann, Schulze erzählt, sind Geschichten aus dem richtigen Leben, von richtigen Kindern und Eltern erzählt, aber natürlich ein wenig verwandelt. Die Schulzwerge übernehmen die Rolle, die richtige Kinder in der Ur-Geschichte gespielt haben, die möglicherweise wirklich den allerschlimmsten Ausflug ihres Lebens erlebt haben – auf eine Burg, auf der man sich so brav benehmen soll wie bei Omas Geburtstagsfeier. Und das Allerschlimmste: Gleich bei der Ankunft werden die Süßigkeiten einkassiert, die die Kinder mitgebracht haben.

Denn was Herr und Frau Grümm den Kindern eigentlich beibringen wollen, ist das Leben mit natürlichen Nahrungsmitteln. Sie dürfen und sollen sogar mitmachen beim Ernten und Zubereiten. Und dann kommen die leckeren Mohrrüben, Gurken und Vollkornnudeln auch noch auf den Tisch.

Am Ende wollt ihr gar keine Süßigkeiten mehr essen, verspricht Frau Grümm. Und ist sich ganz sicher.

So kann man sich täuschen als kluger Erwachsener, der ja nun weiß, was Zucker in jeder Form in unserem Körper anrichtet. Aber gibt es eine Kindheit ohne Süßigkeiten? Liegt das Buch „Gesunde Küche“ tatsächlich nur bei Mama auf dem Kühlschrank?

Jedenfalls droht dieser allererste Klassenausflug, den Frau Schrock, die Lehrerin der Zwerge, organisiert hat, zur Katastrophe zu werden – ohne Süßigkeiten, ohne Mitternachtsparty. Dafür mit lauter Dingen, gegen die Kinder ganz und gar allergisch sind. Was man ja kennt irgendwie: Je gesünder der Kram auf dem Teller ist, umso schrecklicher die Reaktionen – nicht immer nur, weil sich Kinder vor Spinat, Grünkernsalat und  Gemüsebratlingen fürchten. Manches ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig, gerade dann, wenn Kinder mit den überzuckerten Wohltaten unserer Zeit aufgewachsen sind.

Es ist also eine Geschichte mit doppeltem Boden, die einmal erzählt, wie die Knirpse mit detektivischem Geschick doch noch zu ihrem Glück kommen und am Ende auch den sorgenden Erwachsenen einen lustigen Abend verschaffen. Zum anderen ist da aber auch die strenge Frau Grümm, die so gar nicht zu ihrem gemütlichen Vater Grümm zu passen scheint. Augenscheinlich fehlt ihr ein kleines Talent – oder sie ist nicht in der Stimmung dazu. So, wie auch Politiker oft nicht in der Stimmung sind oder talentlos den kindischen Bürger dazu auffordern, sich endlich richtig und gesund zu benehmen.

Was dann viele Bürger schon aus Trotz nicht tun. Denn wer maßt sich da an, das Leben zu reglementieren und ständig den Oberlehrer zu spielen? Man weiß es ja: Die Grünen haben dieses kleine Problem und werden es einfach nicht los. Kommen sie mit der Idee eines Veggiedays, rollt sofort eine Welle der Empörung durchs Land. Es wird als Schikane und Bevormundung empfunden.

Selbst von Leuten, die eigentlich wissen, dass es eigentlich klug und gesund ist, wenigstens einmal in der Woche auf Fleisch auf dem Teller zu verzichten. Und nach Pappe (wie im Buch) muss es ja auch nicht schmecken.

Aber die Schulzwerge sind ja bekannt dafür, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen und ihre Gefühle unzensiert zeigen. Was ja etwas Gutes ist: Sie haben (noch) nicht gelernt, sich zu verstellen und ihre Emotionen zu verbergen. Freude und Verdruss kommen genauso ungefiltert heraus. Da müssen auch Frau Schrock und Tarzan, der Hortner, ein ziemlich dickes Fell haben. Oder haben sie gar Anderes zu tun auf diesem Klassenausflug? Die Zwerge kriegen ja alles mit. Nur für Eines sind sie ganz und gar nicht zu haben: Sich mit der Köstlichkeit von Mohrrüben, Tomaten und anderem Gemüse zu beschäftigen.

Es ist im Grunde eine Geschichte über etwas Fehlendes, das, was Frau Grümm nicht hat, obwohl es eigentlich so wichtig wäre. Denn man muss ja Kindern nicht gleich mit Gurken und Gemüsebratlingen kommen. Das ist so trocken wie langweiliger Schulunterricht. Man fährt ja nicht weg, um dann doch wieder mit strengem Zeigefinger belehrt zu werden.

So ganz in der Stille ist es also eine Geschichte über das Lernen. Und die Art, wie Kinder eben nicht lernen wollen. Und auch Erwachsene nicht. Nur dass die Schulzwerge rebellieren, wenn es ihnen sauer aufstößt. So, wie sich das eigentlich gehört, wenn einen andere Leute langweilen und bevormunden. Was passiert eigentlich, wenn diese wilden Zwerge noch größer werden? Gar in ein Alter kommen, in dem renitente Jugendliche von Erwachsenen regelrecht als Bedrohung gesehen werden? Nicht auszudenken.

Man merkt: Die Buchserie, die mit lauter aufgeweckten und durch  nichts einzuschüchternden Kindergartenzwergen begann, beginnt nun so langsam gefährlich zu werden. Noch sind die Zwerge von lauter verständnisvollen Erwachsenen umgeben – oder zumindest mit einer sehr geduldigen Mutter konfrontiert, so wie Anton, dem mal wieder das letzte Wort gehört. Aber was soll aus diesen Kindern einmal werden?

Man wünscht sich ja so kräftig, dass sie so unverbogen und selbstbewusst bleiben. Und dass es nur etwas verwirrte Frau Grümms sind, denen sie im Leben begegnen. Die dann vielleicht selbst wieder lernen, wie man wichtige Dinge weitererzählt, ohne die Kinder mit lauter Verboten zu erschrecken. Aber das ist leider sehr deutsch und sehr erwachsen.

Diesmal geht es noch einmal gut – oder schief, je nachdem, wie man es betrachtet. Denn wer hat eigentlich den Kindern all diese Mengen an Gummitieren, Keksen und Lakritzrollen in die Rucksäcke getan?

Ganz weit im Hintergrund sind Eltern ja immer präsent – mit ihrer Strenge, ihrer Liebe, aber auch ihrer Inkonsequenz. Denn eigentlich ist es kein fairer Kampf, wenn Süßigkeiten gegen Gemüsebratlinge antreten.

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