Es gibt sie tatsächlich: Menschen, die bei Mecklenburg-Vorpommern zuallererst an leckere Fischrezepte denken, an Urlaub, an Sonne, Strand und Ostsee. An nichts Schlimmes. Nur an schöne Tage und was Schönes auf dem Teller. Wie Stefan Bützow, der dieses Buch mit lauter Rezepten von Aal bis Zander zusammengestellt hat.

Aber so ganz kann es auch der begeisterte Fischfreund nicht ausblenden, dass auch über den Fischfreuden Mecklenburg-Vorpommerns dunkle Wolken hängen. Ein kleines Schildchen auf Seite 8, wo Bützow vom „Fischreichtum aus den Binnengewässern“ erzählt, weist den Leser darauf hin, was ein „Mindestmaß“ bei Fischen bedeutet. Das ist nämlich „die Länge, die ein Fisch mindestens haben muss, damit der Angler ihn behalten und verwerten darf“. Was bei den mecklenburgischen Binnengewässern noch nicht so sehr das Problem ist – eher ein Hinweis an Hobbyangler, die noch nicht verinnerlicht haben, dass man mit Fischbeständen schonend umgehen muss, damit man auch morgen und übermorgen noch was zu angeln hat.

Etwas deutlicher wird der Autor dann, wenn er auf die Ostseefische zu sprechen kommt, von denen etliche in den letzten Jahren unter Überfischung gelitten haben. Manche Bestände sind heute noch unter Druck, andere haben sich aufgrund zahlreicher Schutzmaßnahmen wieder erholt, die Fische erreichen trotzdem eher selten die einst beachtlichen Maße der Vergangenheit.

Und da geht es den Ostseefischen noch relativ gut. Das Meer ist ein leidlich von den Fangorgien der Weltmeere abgesondertes Territorium, für das vor allem die Anrainer Sorge tragen. Hier dominieren nicht die riesigen, automatisierten Fangflotten, sondern fahren auch von den mecklenburgischen Ostseehäfen zumeist noch die traditionellen Fischer in ihren Booten hinaus. Die Küstenstädtchen haben eine unverwechselbare Kultur rund um den Fisch geschaffen. Fangfrisch oder frisch geräuchert kann man hier die Fische kaufen, die man sich auf den Teller hauen möchte. Wer wirklich frischen Fisch mag und nicht unbedingt mit seiner Angel an der Weißen Elster stehen möchte, der findet bei einem Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern die Quellen vor Ort, muss nicht mal selber angeln.

Und es ist ja nicht nur ein lukullisches Vergnügen. Fisch ist in der Regel eine gesunde Speise, enthält allerlei wertvolle Bestandteile von essentiellen Aminosäuren bis zu den Vitaminen A, B und D. Bützow erklärt auch kurz die wichtigsten Zubereitungsschritte. Und dann kann es eigentlich losgehen  mit Fischrezepten für Anspruchsvolle und für Bescheidene. Immerhin war Meeresfisch jahrhundertelang auch Armeleutespeise, deckten sich auch die Inländer mit haltbar gemachten Heringen ein, um nur einen dieser beliebten Meeresbewohner zu nennen. Der sich auch mal in einen Mops verwandeln kann, den berühmten Rollmops, mit dem Bützow den Reigen der Rezepte beginnt. Auf die Beilagen geht er gar nicht extra ein. Das kann sich jeder nach Lust und Laune dazu tun, egal, ob Röstkartoffeln, Pellkartoffeln, Reis, Kartoffelbrei oder Kartoffelsalat in allen Spielarten. Es sei denn, es gehört – wie bei einigen Salatrezepten – von vornherein mit dazu.

Und man ist natürlich – wie so oft bei solchen Büchern – überrascht, wie viele Rezepte es tatsächlich gibt, wo man im Kopf sonst nur drei, vier solcher Rezepte mit Fisch parat hat, weil sie zu den traditionellen Festtagsspeisen gehören. Aber Bützow empfiehlt gleich mehrere Fischmahlzeiten pro Woche. Darauf kann nur ein echter Mecklenburger kommen. Denn: Woher nehmen? Na gut, aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt. Aber man merkt, dass der Autor das auch eher nur aus Verlegenheit erwähnt. Immerhin schildert er an einer Stelle auch recht ausführlich, wie aufwendig es ist, Fisch eingefrostet haltbar zu machen. Allein der Aufwand kann nicht wirklich umweltfreundlich sein.

Besser ist wirklich: Man kauft den Fisch frisch. Woran man frischen Fisch erkennt, wird auch ausführlich geschildert. Man wird, wenn man es beherzigt, so ein bisschen doch schon zum Fischkenner. Wenn man dann noch eine vertrauenswürdige Quelle hat, wo man sich seinen Fisch zum Beispiel auch in Leipzig besorgen kann, dann ist eigentlich alles bereit für die Ausprobierfreude in der Küche. Und dass das Ganze etwas für Genießer sein kann, wird spätestens mit der Zweifarbigen Fischterrine und den frittierten Fischbällchen deutlich, mit Pikanten Fischröllchen und Doberaner Fischsuppe. Die wärmt schon beim Angucken. Fisch muss nicht unbedingt nur eine Sommerfreude sein.

Wobei auch der Hinweis auf die Fangsaison nicht fehlt: Gerade für Süßwasserfische gibt es einzuhaltende Schutzzeiten, damit der Nachwuchs überhaupt eine Chance hat. Vielleicht sollte Leipzigs Amt für Stadtgrün und Gewässer solche Informationstafeln mit Schonzeiten auch an Leipzigs Gewässern aufstellen? Oder wissen all die rustikalen Angler, die da stehen, wann sie die Fische wieder ins Wasser schmeißen müssen?

Auch wenn es Bützow nicht besonders betont, der Gedanke ist im ganzen Buch präsent: Dass die Freude am Fischessen nur dann eine Zukunft hat, wenn wir wieder alle lernen, mit unserer Umwelt schonend und wissend umzugehen.

Denn die ganzen falschen Gesänge um die ach so schwere Nachhaltigkeit erzählen ja von nichts anderem als von gepflegter Dummheit und zur Schau getragener Unwissenheit. Worin wir uns in unseren ach so glorreichen Zeiten deutlich von den Menschen unterscheiden, die in vergangenen Jahrhunderten sehr wohl darauf angewiesen waren, ihre Nahrungsquellen zu bewahren und rücksichtsvoll zu behandeln. Und die meistens genau wussten, wann sie auf Jagd und Fischfang verzichten mussten. Die „Erfindung“ der Nachhaltigkeit ist keine Neuentdeckung – auch wenn die Arbeit des Hans Carl von Carlowitz gern so interpretiert wird. Carlowitz reagierte mit seinem Buch 1713 in Wirklichkeit auf den ganz modernen Raubbau an den sächsischen Wäldern.

Das Wissen um die Erschöpfbarkeit der Ressourcen ist die Grundbedingung dafür, dass es künftig überhaupt noch solche Bücher und so viele Rezepte geben wird. Egal, ob Backfisch im Bierteig, Bunte Fischpfanne oder Gefüllter Karpfen vom Blech, Karpfenschnitzel oder Hechtfrikassee.

So entsteht ein Buch, das sowohl ein wenig an das Gewissen der Leser appelliert und ihr Bewusstsein über Reichtum und Verletzlichkeit der Natur – und das gleichzeitig auch zeigt, was man mit den gefangenen Reichtümern in der Küche anfangen kann. Dass man dabei irgendwie in Mecklenburg-Vorpommern ist, machen da und dort kleine Fotos markanter Häfen und Strände sichtbar. Aber die Bilder der fertigen Gerichte sind natürlich eine Ecke größer – und Vieles davon sieht so lecker aus, dass man das Buch vielleicht besser am Vortag liest, wenn man wirklich all das kochen und brutzeln möchte. Sonst hat man einen großen Appetit – nur der Fisch fehlt noch.

Stefan Bützow Die besten Fischrezepte aus Mecklenburg-Vorpommern, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2016, 9,95 Euro.

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