Ja, ist denn schon Weihnachten? In den Supermärkten schon. Fette Stapel mit Adventsgebäck sind aufgefahren. Mit Respekt vor den Festen des Jahres hat das nichts mehr zu tun. Das ist die blanke Gier. Und wo die Gier regiert, da tummeln sich die Spitzbuben, da ist das schlaue Köpfchen von Kommissar Merks gefragt. Mit der Adventszeit kennt er sich schon aus.
Denn es ist nicht der erste Band mit Rätselkrimis, die der Leipziger Steffen Mohr für die Adventszeit geschrieben hat, wohl wissend, dass die Konsumrauschzeit auch die hohe Zeit für Diebe und Einbrecher ist. Dunkelheit und Weihnachtsmannkostüme erleichtern ihnen die Arbeit, das Gedränge in Kaufhäusern und auf Weihnachtsmärkten sowieso.
„Fürchtet euch ein wenig“, mahnt der Autor extra im Vorwort. Man sollte diese ganz und gar nicht stille Zeit vielleicht doch lieber ernst nehmen, denn das Böse schläft nicht oder macht mal Weihnachtspause.
Natürlich sind es eher keine Konsum-Krimis, die er schreibt. Ihm geht es eher um den Knobelspaß, das, womit er Leser diverser Zeitungen schon übers Jahr in aller Kürze unterhält und zum Nachdenken bringt. Denn sein pfiffiger Kommissar, dem winzige Hinweise schon reichen, um einen Täter zu entlarven und einen falschen Zeugen beim Lügen zu ertappen, verrät ja nicht, wie er auf die Lösung kam. Die steckt als Hinweis in der Geschichte, manchmal beiläufig eingestreut, manchmal aber auch nur angedeutet, so dass man beim Nachschlagen hinten im Büchlein erst merkt, wie vertrackt sich das der Autor gedacht hat. Manchmal hat der Leser wirklich kaum eine Chance, denselben Verdacht zu haben wie dieser gemütliche Kommissar, der niemals müde wird, niemals aufhört, die Ohren zu spitzen und den Gesprächspartnern die ärgsten Schwindeleien zuzutrauen.
Da trifft sich das klassische Krimi-Genre in der Tradition des Detektiv-Romans à la Sherlock Holmes mit einem fast vergessenen Zeitungsgenre: der Rätselseite. Ältere Leser genießen sie noch, jüngere lassen sich gern von dem veralbern, was die elektronischen Medien als Rätsel-Fiktion anbieten – zumeist auf einem Niveau, dass man schreiend aus dem Raum rennen möchte.
60 Jahre Fernsehbetrieb haben augenscheinlich die dortigen Quiz-Show-Macher daran gewöhnt, dass das Publikum im Studio genau so strohdumm ist wie das vor der Glotze. Der Anspruch hat Pfützenniveau. Wirklich logisches Kombinieren wird den Zuschauern nicht mehr zugemutet. Logisch also, dass Steffen Mohrs Rätselkrimis noch gefragt sind. Man kann sie lesen, wird bestens unterhalten, freut sich über den schon nach zwei Seiten geschnappten Dieb und bekommt mit dem knappen Urteil des Kommissars gleich noch eine Knobelaufgabe, die man im Kopf lösen kann. Meist schon, wenn man beim Lesen auf die diversen Unstimmigkeiten geachtet hat. Denn die meisten Ganoven lügen zwar wie gedruckt, machen dabei aber Fehler. Davon lebt die halbe Polizeiarbeit: Wenn man ihnen ihre Fehler nachweisen kann, erwischt man sie quasi nicht nur beim Lügen, sondern findet auch den Faden zur Lösung des Falls.
Wenn einen die Lösung dann doch verwundert, kann man die kurze, flotte Geschichte noch einmal lesen, dann findet man den versteckten Hinweis in der Regel.
Nur bei ein, zwei Geschichten wird es dann doch so vertrackt, dass man schummeln kann und sich ans Ende des Buches vorwagt, wo die Lösungen stehen bzw. die Erklärungen, manchmal auch die Rechenwege. Denn einige der Krimis leben von vertrackten Rechenaufgaben, die zuweilen auch gestandene Detektive überfordern.
Nur eines hat man jedes Mal: Schöne schnurpsende Kost für den eigenen Kopf. Für Leute, die für gewöhnlich harte Kost gewohnt sind, also eine Art Entspannungsübung oder so ein Häppchen zwischendurch, bevor sie sich wieder ans Programmieren machen, Buchhalten oder Steuererklärung schreiben.
Es geht nicht immer heilig und heimelig zu. Manche der Helden aus Mohrs Geschichten haben alles Mögliche im Kopf (Böses und Egoistisches zumeist) und nicht einen Gedanken für die Weihnachtsgeschichte. Was dann wieder den hübschen Nebeneffekt hat, dass hier in 24 kleinen Geschichten die moderne Heillosigkeit aufs Korn genommen wird, dieses Übermaß an entfesselter Ersatzbefriedigung, deren Zutaten sich meist nur mit krimineller Energie beschaffen lassen.
Abgesehen von den echten Schwerkriminellen, die die Hektik der Adventszeit nutzen, um auch mal mörderisch zu Werke zu gehen. Da begegnet man dann auch mal Altbekannten, den diebischen Nikoläusen zum Beispiel, die in diesem Jahr augenscheinlich das komplette Spirituosenregal im Supermarkt leer geräumt und die Beute auch noch ausgesoffen haben. Manche Bösebuben und -mädchen versuchen den Kommissar auch mit Kostümierungen aller Art hinters Licht zu führen. Aber der behält – was sein Markenzeichen ist – selbst in der verschneitesten Situation einen kühlen Kopf. Von wegen also „Bis der Kopf raucht“. Eher freuen sich ein paar kleine graue Zellen, dass sie mal wieder was zu tun bekommen. Und wer sich das Ganze für die Adventszeit aufhebt, hat dann jeden Tag ein kleines Vergnügen – bis zum 24., dem Tag, an dem man aufpassen sollte, wenn man es im Flur mächtig scheppern hört. Das könnte unter Umständen ein Santa Claus sein.
Steffen Mohr Bis der Kopf raucht, St. Benno Verlag, Leipzig 2016, 7,95 Euro.
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