Bücher über die letzten Päpste sind schon eine ganze Menge erschienen. Spätestens seit Johannes Paul II. stehen sie auch als Person im Fokus des medialen Interesses, werden all ihre Worte gewogen mit der Feinwaage, schaut auch die ungläubige Welt, welchen Kurs der Vatikan fährt in einer Zeit, in der die ganze Schöpfung bedroht scheint. Aber was ist mit den Männern gleich hinter dem Papst? Wer sind die?
Einige von ihnen sind stets dabei, wenn die Päpste durch die Lande reisen oder öffentlich auftreten. Man sieht die Gesichter, kennt aber in der Regel ihre Namen nicht. Außer vielleicht Spezialistinnen wie die Journalistin Christa Langen-Peduto, die in Rom lebt und über Jahrzehnte für deutsche Zeitungen aus dem Vatikan berichtete. Sie selbst war eine exotische Erscheinung in dieser Männerwelt, denn als sie erstmals zum Pressemeeting im Vatikan erschien, war sie die erste Frau. Und sie begegnete auch dem ein oder anderen Verantwortlichen, der es sie spüren ließ, wie unangenehm es den Herren rund um den Heiligen Stuhl war, dass jetzt eine Frau in dieser Welt auftauchte.
Dabei begegnete sie dann auch den Männern, die für die diversen Päpste die ganze so wichtige Organisationsarbeit machten, den Papst-Sekretären. Allesamt selbst ausgebildete Theologen und den späteren Päpsten schon in einer Zeit begegnet, da sie in der Regel noch Bischöfe oder Kardinäle waren. Den Job des Sekretärs behielten sie dann einfach, wenn ihr Vorgesetzter zum Papst gewählt wurde. Doch eine echte Tätigkeitsbeschreibung gab es nicht. Sie waren einfach da, kümmerten sich um die Korrespondenz, die Terminplanung, den Empfang der Gäste.
Wirklich präsent wurden sie unter Pius XII., als dessen Sekretär Pater Robert Leiber dem Fotografen Josef A. Slominski ab und zu vor die Linse lief. Pius XII. war der Papst, der von 1939 bis 1958 das Amt bekleidete. Für Slominski, der sich dann kurz SLOMI nannte, war das quasi der erste Papst, den er mit der Kamera intensiv begleitete. Der Sekretär kam ihm eher beiläufig ins Bild. Und auf die Idee, den Sekretär damals zu fragen, kam natürlich auch niemand. Wie das so ist, wenn man bekannte Gesichter immer wieder sieht. Irgendjemand wird sich schon um diese Leute kümmern, oder?
In der Regel kümmern sich aber alle Medien nur um den Star. Und einige der sieben Päpste, die SLOMI im Lauf der Zeit fotografiert hat, wurden ja zu echten Stars, wurden von den Medien entsprechend aufgebaut, nutzten die Präsenz aber auch selbst, um ihre Botschaften zu vermitteln. Mit Pius XII. und seinem Nachfolger Johannes XXIII. hat sich ja auch die mediale Wahrnehmung der Päpste deutlich geändert. Sie hörten auf, die unnahbar abgehobene Person zu sein, die im Mittelpunkt bombastischer Inszenierungen stand, sondern begannen sich – gerade mit dem Reformpapst Johannes XXIII. – zunehmend den Themen der Zeit zu öffnen und auf einigen mittelalterlichen Bombast zu verzichten. Was dann die öffentlich sichtbare Rolle des stets präsenten Sekretärs erst wahrnehmbar machte.
Nur halt auf die Idee, mit diesen Sekretären mal zu sprechen, kam augenscheinlich kaum jemand. Was auch mit der Auffassung einiger dieser Männer von diesem Amt zu tun hat: Alles galt dem Dienst des Papstes. Persönliches wurde nicht kommuniziert.
Aber nun war es, so fand Christa Langen-Peduto, einfach mal an der Zeit, über diese Männer zu erzählen. Die Spuren der Älteren findet man freilich nur noch in den Archiven. Bei Loris Francesco Capovilla hatte sie unheimliches Glück, denn sie konnte den fast 100-Jährigen, der einst Sekretär von Johannes XXIII. war, noch kurz vor seinem Tod interviewen – hellwach, wie sie ihn beschreibt. Denn das mussten die Sekretäre der Päpste ja sein. Einfach nur dienstbare Geister waren sie nicht, oft sogar die Stimme des Papstes, auf jeden Fall die Person, die meist am besten wusste, wie ihr Papst dachte, wie es ihm ging, welche Pläne er hatte.
Graue Eminenzen waren sie eher nicht. Die Rolle hatten andere Leute in der Kurie. Denn da der Sekretärsjob kein fest verbriefter Vatikansjob war, verließen die dienstbaren Geister nach Ende ihres Dienstes beim Papst in der Regel den Vatikan auch wieder. Manche bekamen einen echten Kardinalshut aufgesetzt – wie Stanislaw Dziwisz, der Sekretär von Johannes Paul II. – manche kümmerten sich um das Vermächtnis „ihres“ Papstes. Mancher ging auch – wie Don Diego Lorenzi, Sekretär des 33-Tage-Papstes JohannesPaul I. – zurück in den Dienst ihres Ordens.
Ausnahme ist eigentlich Georg Gänswein, der für Benedikt XVI. der stets präsente Sekretär war und unter dessen Nachfolger Franziskus zum Präfekten des Päpstlichen Hauses ernannt wurde. Womit er heute einen Doppeljob hat, denn Sekretär des Ruhestandspapstes Benedikt ist er dennoch geblieben. Von Freizeit können die Sekretäre der Päpste also nicht wirklich reden. Unter Franziskus ist dann wieder alles ganz anders geworden – er hat gleich zwei Sekretäre, aber beide sind deutlich weniger präsent als ihre Vorgänger. Die Rolle des Stars hat eindeutig Franziskus übernommen. Aber auch hier waren keine Interviews mit den Sekretären möglich.
So werden auch in den Texten, die Christa Langen-Peduto schrieb, die unterschiedlichen Rollen und Verhaltensweisen der Sekretäre sichtbar. Und wo ihr das Gespräch mit den Porträtierten möglich war, war auch jedes Mal SLOMI mit dabei, so dass es hier ein reich bebildertes Buch gibt über die Regierungszeit von sieben Päpsten und das – manchmal zurückhaltende, manchmal gut sichtbare – Wirken ihrer Sekretäre.
Man sieht auch, wie sich die mediale Wahrnehmung der Päpste in diesen 60 Jahren veränderte. Waren die Fotos selbst bis in die 1960er Jahre vor allem von der pompösen Kulisse von Petersdom und Petersplatz und dem überladenen feudalen Zeremoniell geprägt, in dem die Päpste regelrecht verschwanden, werden die Bilder ab den 1970er Jahren deutlich persönlicher, versuchte auch SLOMI die Päpste und die Akteure in ihrer Umgebung stärker als Menschen zu zeigen – mit ihren Emotionen, ihrer Gebrechlichkeit, den sichtbaren Bürden des Amtes.
Natürlich hat sich auch der Umgang des Vatikans mit den Medien modernisiert. Dass solche Bücher erscheinen können, hat ja auch mit der schon vor Jahren gestarteten Charme-Offensive zu tun, die den Papst aus seiner einst unnahbaren Rolle herausholte und ihn – scheinbar – wieder näher zu den Menschen brachte. Was ja auch das Anliegen solcher Päpste wie Johannes Paul II. war. Da wird dann natürlich auch an einigen Stellen thematisiert, in wie kleinen Schritten sich die Kirche reformiert und verändert. Oft genug bleibt sie dabei um Jahre oder auch Jahrzehnte hinter der Entwicklung draußen in der Welt zurück. Und trotzdem ist sie Teil einer Welt, in der es an einflussreichen mahnenden Stimmen ziemlich mangelt und manches Papstwort (nicht jedes) als notwendige Botschaft für Frieden und mehr Menschlichkeit verstanden wird.
Und auch wenn die Sekretäre meist hinter der schillernden Gestalt ihrer „Chefs“ verschwanden, macht das Buch deutlich, wie sehr sie eigenständige Persönlichkeiten waren und sind mit einem Leben auch jenseits der Amtsbürde. Und auch für alle, die sonst mit all den römischen Zeremonien eher nichts anfangen können, ist es ein kleiner Blick in den Alltag – wenn schon nicht des Vatikans, das würde wohl eher Romane füllen – aber doch im direkten Umfeld der Päpste. Freundlich gedimmt. Denn zu persönlich soll es ja auch nicht werden. Auch diese Rolle haben die Papst-Sekretäre ja ausfüllen müssen: Ihren Vorgesetzten möglichst abzuschirmen vor der Neugier der Welt. Man darf ein bisschen durch den Vorhang illern, bekommt ein freundliches Lächeln. Und dann schließt sich der Spalt. Zu viel wird nicht verraten. Aber das ist wohl die hohe Kunst aller echten Sekretäre und Sekretärinnen. Nicht nur im Vatikan.
Josef A. Slominski; Christa Langen-Peduto Im Schatten der Päpste, St. Benno Verlag, Leipzig 2016, 16,95 Euro.
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