Es ist ganz einfach, schreibt Tanja Osswald. Sie muss es wissen. Es ist nicht das erste Häkelbuch, das sie veröffentlicht. Aber bestimmt für so Manche und so Manchen das erste Häkelbuch, mit dem sie ihre ersten Schritte ins Universum der Luft-, Kett- und Fußmaschen gehen. Denn jeder fängt mal an. Und wenn in den Schulen das Fach Handarbeit gestrichen wird, lernt man es halt erst später.

In einem Häkelkurs zum Beispiel – so etwas bietet die kreative Autorin auch an in Hagen, wo sie ihre Phantasie beim kreativen Gestalten auslebt. Oder eben mit diesem Buch, mit dem es erst mal in das Grundlagenwissen geht, denn natürlich ist es gut, das Wichtigste über Garne, Häkelnadeln, Häkelgabeln und Maschenmarkierer zu wissen, bevor man anfängt. Schöner ist natürlich, wenn man mit Mama oder Oma zusammen lernen kann. Das soll es ja auch noch geben. Aber was tun, wenn sie ganz woanders wohnen? Also doch lieber reinknien in die Basiserkundung. Und vielleicht auch frühzeitig lernen, Häkelschriften zu lesen. Auch so etwas gibt es. Gar so viele Zeichen sind es nicht, aber natürlich sehen sie für den Häkelnovizen sehr befremdlich aus. Aber wenn man spannende Vorlagen nachhäkeln will, sollte man sie schon entziffern können.

Was nicht heißt, dass man es dann hinten im Buch mit diesen geheimnisvollen Botschaften zu tun bekommt. Da macht es die Autorin wesentlich sinnfälliger und einfacher. Soll ja ein Einsteigerbuch sein. Also erklärt sie auch erst einmal alle wichtigen Maschen, die man kennen sollte – und zwar auf über 20 Seiten sehr ausführlich. Reich bebildert mit Fotos, die zeigen, wie Hand und Garn und Nadel gehalten werden, wo man Maschen aufnimmt und durchfädelt und wechselt. Sie zeigt auch, wie unterschiedliche Garne beim selben Muster zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ein Kuschelschal muss sich natürlich anders anfühlen als ein Topflappen. Und für Babyschühchen nimmt man natürlich anderes Garn als zum Beispiel für die selbstgehäkelte Handytasche. Oder auch nicht.

Das merkt man schnell: Was man wirklich draus macht aus dem Gelernten, das ist eine ganz persönliche Angelegenheit. Wichtig ist, dass man die Grundlagen beherrscht. Und das sind schon ganz viele – so von außen betrachtet aus der Sicht eines Nichthäklers: Stäbchen, halb und doppel, verbundene Maschen, Luftmaschen, feste Maschen. Alle für sich einfach und anschaulich erklärt. Wer sich da durchgehäkelt hat, der hat im Grunde das nötige Rüstzeug, um schon mal richtig loszulegen. Noch ein paar einfache Muster und Ränder dazu, da ist man schon durchs Wesentliche durch. Und die Autorin hat schon mehrfach angekündigt: Gleich erfahren Sie auch, was Sie damit anfangen können.

Das findet man dann im hinteren Drittel des Buches – ebenso ausführlich erklärt und bebildert: sechs Anleitungen für Dinge, die sich ganz einfach häkeln lassen. Eigentlich zwölf, denn Tanja Osswald hat Projekte ausgewählt, die sich gleich auf zweierlei Weise umsetzen lassen. Die Anleitung für eine niedliche Häkeleule kann genauso zur Handytasche werden wie die schicke Häkelmütze auch ein netter Häkelbeutel werden kann. Dekoblume, Kuscheldecke, Stulpen und Tuch – wenn das alles wirklich so einfach zu häkeln geht, wie geschildert, dann dürften bald jede Menge junger Frauen (und ein paar mutige Herren) mit Gehäkeltem in buntesten Farben auf den Straßen auftauchen und stolz gucken: Seht mal! Das habe ich mir selbst gemacht!

Denn natürlich gehört das Buch in die Reihe „ABC der Handarbeiten“, mit der der Buchverlag für die Frau wieder wirbt für das Selbermachen, nachdem das ein paar Jahre lang überhaupt nicht mehr gefragt war, weil es ja (scheinbar) alles im Laden fertig zu kaufen gab. Aber immer mehr Menschen entdecken ja, dass es das, was man wirklich gern haben möchte, ganz und gar nicht fertig im Laden gibt: das wirklich Originelle und Individuelle. Ganz zu schweigen davon, dass man mit dem Beherrschen der alten Handarbeitstechniken wieder die Hoheit über die Dinge gewinnt und nicht nur sich selbst beschenken kann. Das natürlich auch. Denn gerade die Fähigkeit, schöne Dinge wieder selbst fertigen zu können, macht den Menschen stolz. Ein Stolz, der so im Arbeitsleben immer seltener zu finden ist. Mal ganz zu schweigen von den haptischen Freuden echter Hand-Arbeit.

Und was hat ein Nichthäkler so beim Lesen gelernt? – Dass Geduld und Aufmerksamkeit herrliche Tugenden sind (vielleicht findet man zu ihnen zurück, wenn man häkelt) und dass das, was die Leipziger Strickguerilla immer wieder gern mit Denkmälern, Bäumen und Laternenmasten in Leipzig anstellt, im Fachjargon Yarn Bombing heißt. Wikipedia schlägt auch noch Guerilla Knitting, Urban Knitting und Radical Stitching vor. Aber unübersehbar machen hier ein paar Begeisterte einfach im öffentlichen Raum, was sonst im Privaten schon Freude macht: die Welt bunter, schöner und lebendiger. Wenn das kein Anreiz ist, diese hohe Kunst zu lernen, was dann?

Tanja Osswald: Häkeln, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2016, 9,95 Euro.

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