Zur Buchmesse legte Sylvia Kolbe den neuesten Roman der Leipziger Schriftstellerin Christiane Benedikte Naubert (1752-1819) vor: „Der Bund des armen Konrads. Getreue Schilderung einiger merkwürdigen Auftritte aus den Zeiten der Bauernkriege des sechzehnten Jahrhunderts.“ Erschienen 1795 im Leipziger Verlag Weygand. Seit 2006 holt sie das Werk der fast vergessenen Autorin wieder ans Licht. Warum macht sie das? Die L-IZ hat mal nachgefragt.

Warum machen Sie das eigentlich? Immerhin geben Sie die Bücher von Christiane Benedikte Naubert ja seit 2006 in emsiger Fleißarbeit im Engelsdorfer Verlag heraus.

Als Stadtführerin in Leipzig bin ich mit verschiedenen thematischen Touren unterwegs. Für die Literatur-Tour und die „Schreibenden Weiber“ habe ich Naubert für mich entdeckt, 2005 war das.

Und ich wollte Nauberts Bücher lesen. Das war aber leider nur im Lesesaal der Uni-Bibliothek möglich. Ich habe drei Kinder; nach Feierabend in einer Bibliothek stundenlang zu lesen – ging eher nicht. So begann ich eben damit, Nauberts alte Bücher, gedruckt im 18. Jahrhundert, zu sammeln und sie dann abzutippen. Das geht abends, zu Hause. Inzwischen sind die Kinder erwachsen, aber die Leidenschaft für Naubert lässt nicht nach. Und beim Erarbeiten des Musik-Rundganges fand ich schon vor langer Zeit dieses Zitat, bezogen auf den Verlag Breitkopf und Härtel und die Gesamtausgabe der Bachschen Werk, begonnen zum 100. Todestag: „Ihrer Natur nach war die Bachausgabe ein ideales (idealistisches) Unternehmen, bei dem ein geschäftlicher Gewinn von vornherein nicht zu erwarten stand.“ ( La Mara; Johann Sebastian Bach, 1912, S. 72)

Und genauso idealistisch bin ich auch an die Sache herangegangen, geschäftlicher Gewinn ist nicht zu erwarten.

Wer war eigentlich Christiane Benedikte Naubert? Und warum kennen die meisten Leipziger den Namen nicht?

Christiane Benedikte Naubert (1752-1819) ist eine Schriftstellerin der Goethe-Schiller-Zeit. Sie stammt aus der Professorenfamilie Hebestreit. Ihr Vater leitete die erste Nordafrika-Expedition Sachsens, im Auftrag von August dem Starken. Ihr Neffe Christian August Clarus war der Gutachter im Woyzeck-Prozess. Für Frauen dieser Familie war daher die Möglichkeit vorhanden, sich im familiären Umfeld wissenschaftlich zu bilden, was Christiane Benedikte nutzte.

Ihre Bücher galten aufgrund der „Gelehrsamkeit“ als Bücher eines Mannes – denn sie schrieb anonym. Der Vater starb bereits 1757, sie hatte noch einen jüngeren Bruder, geboren 1758, der genau wie ihre älteren Brüder studierte, später Professor der Medizin wurde. Studieren und Promovieren kostet(e) Geld. Da kam es genau richtig, dass ihre Bücher sich so gut verkauften. 1785 erschien ihr erster historischer Roman. Aber die Anonymität sollte schon gewahrt bleiben – auch sie selbst war sehr daran interessiert. „Vestalischen Schleier vor Lob und Tadel“ nannte sie es.

Solange wie der Verfasser der Bücher als ein Mann angenommen wurde, war alles gut. Als herauskam, es ist eine Frau, kam sie in Schindels Lexikon „Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts“. Und wurde, wie die meisten darin enthaltenen Frauen, vergessen. Im Vorwort zum „Armen Konrad“ gehe ich auf ihre Wiederentdeckung 1919 durch Christine Touaillon, eine österreichische Wissenschaftlerin, ein.

Dass die meisten Leipziger ihren Namen nicht kennen, ist sicher eine Frage der vorbeieilenden Zeit. Viele Leipziger kennen sicher auch nicht Paul Fleming, der eine Gedenkplatte in der Grimmaischen Straße/ Ecke Universitätsstraße erhielt, oder den Lustspieldichter Roderich Benedix, geehrt mit einer Gedenkplatte in Specks Hof.

Finden sich wirklich Leser für die Geschichten? Immerhin erschien auch der neue Band „Der Bund des armen Konrads“ schon vor über 200 Jahren – konkret 1795.

Da sind wir wieder beim Thema Idealismus. Es gibt Menschen, die diese alten Bücher lesen. Einige kenne ich persönlich. Das ist wie mit dem alten Witz unter Autoren, wenn jemand zum Autor sagt, er habe sein Buch gelesen. Er antwortet: Ach, Sie waren das! – Unsere Lesegewohnheiten (soweit vorhanden) haben sich verändert. Nauberts Bücher sind dick, im Original viele hundert Seiten umfassend. Fernseher, Computer gab es nicht. Also las frau. Männer eher nicht, damals, im 18. Jahrhundert, wie heute auch, ist Lesepublikum zumeist weiblich. Festgestellt habe ich, dass sich die dünnen Bücher, davon sind bisher 2 erschienen, wohl besser verkaufen und lesen – kürzlich habe ich jemanden gefragt, dem ich eins der dünnen Bücher geschenkt hatte, ob sie es gelesen hat – Antwort war: ja, es sind ja kurze Geschichten.

Für die dicken Bücher braucht es Zeit und Lust, auch auf die alte Sprache. Mindestens eine meiner Bekannten liest aber jetzt bereits den „Armen Konrad“, eine ehemalige Geschichtslehrerin.

Und ist das Thema jetzt eigentlich Absicht? Quasi als kleiner kritischer Beitrag zur Luther-Dekade? Denn der arme Konrad gehörte ja auch zu jenen kriegerischen Bauern, die Luther regelrecht abkanzelte.

Die aktuelle Lutherdekade konzentriert sich, wie der Name ja schon sagt, auf Luther, speziell auf den 500. Jahrestag des Thesenanschlags. Bauern sind da eher Nebensache.

Aber es hat übrigens tatsächlich 2014 einige Veranstaltungen zum 500-jährigen Gedenken an den Aufstand des Armen Konrad gegeben – in Sachsen allerdings hat das wohl eher niemand mitbekommen.

Luthers Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ erschien 1525 – man darf gespannt sein, ob 2025, dem 500. Jahrestag der Schlacht bei Mühlhausen, dann auch in Mitteldeutschland, eine Erinnerung an dieses blutige Ereignis stattfindet. Mehrere der vielen Bauern hießen sicher Konrad.

Naubert unterscheidet beim Titel nicht – sonst aber sehr wohl – zwischen dem Aufstand des Armen Konrad 1514 in Württemberg und dem Bauernkrieg ab 1524. Vermutlich auch deshalb, weil über viele Jahrhunderte der verlorene Bauernaufstand in der Geschichtsschreibung kaum mehr vorkam und ein zugkräftiger Titel immer nützlich ist.

Ja, dass der Roman jetzt als Neuerscheinung auf den Markt kommt, ist Absicht. Vergessen wir die Bauern nicht, die ihr Leben geopfert haben für eine Vision. Aktuell: Was wären wir ohne die Landwirte? Hungrig?

Schon 1795 war ja das Thema Bauernkrieg fast vergessen. Kann es sein, dass es heute genauso ist?

Dazu könnte man einen Blick in deutsche Lehrpläne werfen. Diese Aussage fand ich: Sekundarstufe 1, Geschichte Klasse 7, Reformation, Bauernkriege und Dreißigjähriger Krieg; Umfang bundeslandabhängig.

Also bundeslandabhängig. Sachsen hat diesen Plan im Netz stehen, da steht 2011: www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_gy_geschichte_2011.pdf?v2

Vielleicht gibt es ja inzwischen (2016) etwas Neueres? In diesem Lehrplan, Geschichte für das Gymnasium, steht: Wahlpflicht 1: Reformation und Anspruch auf soziale Gerechtigkeit 4 Ustd. – Übertragen der Kenntnisse zur Reformation auf den Bauernkrieg und Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, Thomas Müntzer.

Aber es gibt noch Wahlpflicht 2 und 3. Da ist die Thematik Bauernkrieg nicht drin. Freie Wahl sozusagen.

Und kann es sein, dass heute wieder gilt, was die Autorin schrieb: „Aus der Geschichte aller Zeiten ertönt den Unterdrückten und den Unterdrückern eine Warnungsstimme, welche sie nicht verhören dürfen; diesen donnert sie in die Ohren: Helfet! so lange helfen noch leicht ist! – Wer die Geschichte jener Zeiten einiger Aufmerksamkeit würdigt, findet bald, daß das Volk, als es aus stillen Klagen zu raschen Thätlichkeiten übergieng, die meistenmale als Maschine einer fremden Macht handelte, welche in Aufruhr und Empörung ihren Vortheil sahe. Was sage ich einer Macht? Mehrere Mächte waren es, die hier würkten, und von denen wir in unserer Ferne vielleicht die wenigsten ganz erspähen können.“?

Diesen Auszug aus Nauberts Roman habe ich für den Rücktitel ausgewählt, weil er mir so aktuell erschien. Vielleicht erkennen auch andere darin etwas wieder – dass wir Menschen aus der Geschichte nur sehr wenig lernen … – dass sich vieles wiederholt … Naubert war eine kluge Frau.

Wie viele Bücher von Christiane Benedikte Naubert liegen jetzt eigentlich wieder vor?

Im Engelsdorfer Verlag in Neuauflage von Christiane Benedikte Naubert bisher erschienen:

1) 2006: Konradin von Schwaben. Oder Geschichte des unglücklichen Enkels Kaiser Friedrichs des Zweyten. ISBN-13: 978-3-86703-088-5
2) 2007: Walter von Montbarry, Großmeister des Tempelordens. Erster und zweiter Teil ISBN-13: 978-3-86703-576-7, ISBN-13: 978-3-86703-653-5
2010 -2011: Walter von Montbarry, Großmeister des Tempelordens. Erster und zweiter Teil. Walter de Monbary, Grand Master of the Knights Templars. Volume I-IV.
Zweisprachige Ausgabe Deutsch-Englisch, 4 Bände ISBN-13: 978-3-86901-785-3, ISBN-13: 978-3-86901-796-9 ISBN-13: 978-3-86268-245-4, ISBN-13: 978-3-86268-
246-1
3) 2008-2009: Conrad und Siegfried von Feuchtwangen, Großmeister des deutschen Ordens. Erster und zweiter Teil ISBN-13: 978-3-86901-043-4, ISBN-13: 978-3-
86901-140-0
4) 2009: Werner, Graf von Bernburg. Erster und Zweiter Teil. ISBN-13: 978-3-86901-516-3 ISBN-13: 978-3-86901-779-2
5) 2010-2011: Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn oder Szenen aus dem dreißigjährigen Kriege. Erster und zweiter Teil. ISBN-13: 978-3-86268-181-5, ISBN-13: 978-3-86268-232-4
6) 2011: Herrmann von Unna. Eine Geschichte aus den Zeiten der Vehmgerichte. Band 1 bis 3 ISBN-13: 978-3-86268-605-6
7) 2012: Geschichte Emma’s Tochter Kayser Karls des Grossen und seines Geheimschreibers Eginhard. Band 1 und 2 ISBN-13: 978-3-86268-966-8
8) 2013: Brunilde – Eine Anekdote aus dem bürgerlichen Leben des dreizehenden Jahrhunderts. Meinhard, Graf zu Tirol – Eine Begebenheit des funfzehnten Jahrhunderts. Zwei historische Kurzromane ISBN-13: 978-3-95488-470-4
9) 2014: Drei Erzählungen: „Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.“, „Die weiße Frau“ und „Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst“ ISBN-13: 978-3-95744-317-5 2015: Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. ISBN-13: 978-3-95744-561-2
10) 2015: Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. ISBN-13: 978-3-95744-561-2

Und wo kann man der Autorin im Stadtbild eigentlich auf die Spur kommen? Oder gibt es keine Erinnerungsorte mehr?

Seit 2013 gibt es in Leipzig eine Gedenkplatte, der Anlass war der 261. Geburtstag der Leipziger Schriftstellerin. Enthüllt wurde sie an der Stelle von Nauberts Geburtshaus in der Grimmaischen Straße. Eberhard Wiedenmann, der Eigentümer des Hauses mit dem Fürstenerker (San Remo), war so freundlich, die Anbringung der Tafel zu gestatten. Stifter der Tafel ist Thomas Hoffmann, mein Schwager. Meine Familie habe ich schon lange in meine Sammelleidenschaft und ins Korrekturlesen integriert. Die 2016 erschienene Neuauflage „Der Bund des armen Konrads“ hat meine Mutter transkribiert.

Und wie viel ist eigentlich noch an Büchern von Christiane Benedikte Naubert zu erwarten?

Viel. Naubert hat über 50 Romane veröffentlicht. Seit 2014 untergliedere ich bei den Neuauflagen zwei Reihen: Frühe historische Romane, mit dem grünen Einband und die Gothic novel/Schauerroman-Serie mit dem Grau-Schwarzen Einband. Von Letzterer ist bisher ein Buch erschienen (aber es ist nicht das letzte), zu diesem Buch „Drei Erzählungen“ (s. o.) wird es zum Wave-Gotik-Treffen 2016 im Schillerhaus wieder eine Gothic-Novel-Lesung geben, verbunden mit der Lesung aus weiteren Schauergeschichten der deutschen Schwarzen Romantik.

Christiane Benedikte Naubert war eine vielseitig begabte Autorin, sie hat außer historischen Romanen auch Märchen, Übersetzungen, Gedichte und Erzählungen veröffentlicht.

Und glauben Sie, dass die Autorin zu ihrem 200. Todestag in Leipzig gewürdigt wird?

Spontan würde ich sagen: nein. Warum auch? – 1819 – das ist das Geburtsjahr von Clara Schumann, Louise Otto-Peters und Karl Heine. Da kann man viel draus machen.

Vielleicht ist eine Straßenbenennung nach Benedikte Naubert schaffbar. Mal sehen. Jedenfalls bin ich dem Engelsdorfer Verlagschef Tino Hemmann sehr dankbar, dass es ihn und seinen Verlag gibt!

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Vielen Dank für den Artikel!
Ich habe diese Schriftstellerin auch nicht gekannt.

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