Manchmal steht man wirklich da in der Küche und weiß nichts rechtes anzufangen mit sich, dem Herd, den Töpfen und Pfannen. Irgendwie hat man so gar keine Idee. Und schon wieder Spaghetti mit Tomatensoße und Hack? Oder ... nein, lieber gar nicht dran denken. Solche Momente sind die richtigen, um sich wieder daran zu erinnern, dass Essen Spaß machen sollte.

Das Auge isst mit. Und der Gaumen freut sich, wenn mal wieder was mit Finesse zubereitet wurde. Also doch mal wieder raus aus dem Trott der gewöhnlichen Hausmannskost und ein wenig den Künstler zu Werke gehen lassen. Dafür plädiert Regina Röhner in diesem Schlemmerbüchlein. Zumindest lässt sie Niemanden aus. Das merkt man schon beim Losblättern, wenn es um Gerichte mit Fleisch, Geflügel und Fisch geht und die Autorin von der leckeren Bratensoße schwärmt, von der man auch noch den letzte Tropfen aus dem Topf lecken will.

Kann sein. Da muss man die Fleischliebhaber fragen, die noch leuchtende Augen bekommen, wenn Kalbsbäckchen, Lende oder Krustenbraten auf der Speisekarte stehen. Schon die Namen der Gerichte erinnern an Zeiten, als sonntags der schwere Bratenduft durchs Haus zog und kein Mensch mehr Lust hatte, sich um Garten, Stall und Remise zu kümmern, weil einem der Zahn zu tropfen begann. Ja, früher, als Sonntage noch Sonntage waren und kein Mensch erwartete, dass man trotzdem noch am Computer saß und Anrufe auf dem Smartphone entgegen nahm. Früher, als unsereiner beim Holzhacken, Beetumgraben und Zaunstreichen noch richtig Kalorien verbrannte.

Als Energie noch billig war, weil hinterm Dorf ein ordentliches Kohlekraftwerk rußte. Denn Fleisch frisst ja nicht nur Energie beim Heranwachsen im Stall, es frisst auch Energie bei der Zubereitung. Das muss einer erst mal aushalten, seinen Braten bei 140 Grad vier bis fünf Stunden in der Röhre schmoren zu lassen.

Das klingt zwar nach Schlemmen. Aber wenn man das so liest, merkt man erst, dass Rezepte sich auch verändern (müssen), wenn sich unser Alltag ändert. Das merkt man ja meist schon, wenn man die an leichtere Kost gewöhnte Großstadt verlässt und in den kleineren Städten ringsum mal in den besten Häusern am Markt versucht, ein nicht so schweres Gericht ohne ein Kilo Fleisch auf der Tageskarte zu finden. Manchmal ein Ding der Unmöglichkeit. Die nennen das dort dann regionale Küche, Hausmannskost oder gutbürgerliche Küche. Gutbürgerlich = viel deftiges Fleisch.

Und wenn’s nicht der selbst geschossene Hirsch oder die eigenhändig erlegte Wildsau ist, dann sind es die Kaninchen, die sich in Filet verwandeln, die Perlhühner und Maishähnchen, die sich nackt und kopflos auf dem Teller wiederfinden.

Erst bei der Riesling-Forelle weicht das Völlegefühl beim Lesen, blättert man vorsichtig zu Steinbutt im Gemüsebett und Zanderfilet auf der Haut gebraten – aber auch da mit dem Gefühl, das man vorher oder hinterher doch lieber noch 30 Kilometer wandern sollte. Erst bei den Salaten beruhigt sich das bürogeplagte Herz und freut sich, was mit Kräuterseitlingen, Kürbisrisotto und Kartoffelstampf alles anzustellen und zu variieren ist. Darum geht es ja eigentlich: die Freude am Kreativsein, die Regina Röhner dann eigentlich auch erst bei den (fast) vegetarischen Rezeptvorschlägen auslebt. Der Auberginenauflauf klingt schon köstlich, Spätzle mit Kräutern locken “wild oder zahm”. Es könnte so losgehen und weitergehen.

Aber irgendwie sind Frauen echte Naschnasen. Wahrscheinlich ist das Vegetarische nur Tarnung. Eigentlich wollen sie immer nur eins: süße Desserts. Und da wundern sie sich, dass ihre männlichen Mitbewohner immer dicker werden, weil auf den saftigen Braten jetzt noch allerlei Brulées, gefüllte Eierkuchen und Rhabarberaufläufe kommen, Sommerkirschtörtchen und Schokoladenmousse.

Was kann man da tun? Am besten mit dem Nachtisch anfangen und die Hauptmahlzeit weglassen. Manchmal ist Schlemmen ja ganz schön. Aber vorher sollte man wirklich die Chance haben, sich erst mal richtig hungrig zu arbeiten. Sonst schafft man’s einfach nicht.

Regina Röhner Das Schlemmer-Büchlein, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2015, 5 Euro.

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