Es ist nicht "Der kleine Prinz für die Westentasche". Aber so etwas Ähnliches. Eine Art "The best of ..." aus den bekanntesten Werken des französischen Autors und Fliegers Antoine de Saint-Exupéry. Den "Kleinen Prinzen" bezeichnete er selbst als Abschluss seines Werkes, kurz bevor er sich wieder als Luftwaffenpilot meldete und dann 1944 bei einem Aufklärungsflug über dem Mittelmeer abstürzte.
Der Mann ist ebenso sehr Legende wie sein Werk. Berühmt war er schon lange vor Erscheinen des “Kleinen Prinzen” im Jahr 1942. Seine Bücher liegen auch alle auf Deutsch vor und wer sie liest, begegnet der alten Faszination des Fliegens, als noch keine Internationalen Airports existierten und gewaltige Jumbojets im Minutentakt starteten und landeten.
Das Fliegen lernte Saint-Exupéry noch während des 1. Weltkriegs. Ab 1923 begann er, sich als Pilot seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ab 1925 flog er dann jene abenteuerlichen Postflüge nach Afrika, über die er in “Südkurier” (1928), “Nachtflug” (1931) und “Wind, Sand und Sterne” (1939) berichtete. Oder soll man besser sagen: Die er als poetische Ereignisse beschrieb, als eine intensive und einsame Begegnung mit dem Atem der Welt?
Das faszinierte schon damals. Und auch die deutschen Ãœbersetzungen atmen diese Poesie, in denen auch immer ein kluges und intensives Nachdenken über die Welt steckt. Hier sind auch die stillen Landschaften schon vorweggenommen, in denen der Autor dann dem Kleinen Prinzen begegnen sollte. Und aus allen Büchern zitiert Sabine Bastian, die freilich nicht die deutschsprachigen Ausgaben zur Grundlage nahm, sondern direkt aus dem Französischen übersetzt hat. Damit kennt sie sich aus. Das ist ihr Hauptberuf. Den “Lettre à un otage”, den es auf dem deutschen Buchmarkt bis jetzt als “Bekenntnis einer Freundschaft” gibt, zitiert sie ebenfalls.
Sie übersetzt es mit “Brief an einen Ausgelieferten”, das Wörterbuch liefert auch das Stichwort Geisel. Man ahnt schon, warum die Spezialistin den deutschen Ãœbersetzungen nicht so recht traut und lieber direkt aus dem Original übersetzt. Ergänzt wird die Reihe zitierter Bücher um Saint-Exupérys Nachlasswerk “Citadelle” (deutsche Ausgabe: “Die Stadt in der Wüste”). Darin entfaltet sich quasi das Gegenstück zum “Kleinen Prinzen”: der Dialog des Sohnes mit seinem Vater, den Saint-Exupéry eigentlich nie wirklich kennenlernen konnte, denn der starb schon 1904 – da war der Sohn gerade vier Jahre alt. Aber der Vater muss ihn trotzdem stark geprägt haben, betont die Herausgeberin.
Im “Kleinen Prinzen” hat man ja dann die Sicht des Erwachsenen auf den “Kleinen Prinzen” – eine besondere Sicht, die viele Erwachsene in der Regel nicht (mehr) haben, weil sie die Weisheit und Klugheit der Kinder meist gar nicht wahrnehmen und auch nicht wirklich zuhören, wenn sich Kinder Gedanken machen über Wüste, Sand und Sterne, das Weltall, Elefanten, die Liebe, das Vertrauen und – ja klar – die Erwachsenen.
“Kinder müssen mit den Erwachsenen sehr geduldig sein”, sagt der Kleine Prinz im Kapitel “Vom Werden, Wachsen und Bestehen”. Kein Buch betont dieses Vergessen der Kindheit so sehr wie “Le Petite Prince”. Und dass in diesem wundersamen Prinzen der Autor steckt, hatte er 1939 in “Wind, Sand und Sterne” selbst verraten: “Ich komme aus meiner Kindheit wie aus einem Land.” Nur: Die meisten Erwachsenen erinnern sich nicht mehr daran und verstehen nicht mehr, was Kinder ihnen erzählen. (Und auch nicht, dass sie selber Refugees sind, aus dem Land ihrer Kindheit Entflohene). Auch nicht, was das Kind in ihnen selbst noch erzählt – denn eigentlich ist es noch da, tief verschüttet unter lauter Regeln, Gewissheiten und Vorurteilen. Man hat sich in seine Rolle als Erwachsener gefügt – und ganz vergessen, was man dafür alles aufgegeben hat.
Nicht das Streben nach Reichtum und Besitz macht glücklich. Und auch nicht das Streben nach Glück. Tatsächlich erzählt “Der Kleine Prinz” ja von einem kosmischen Vertrauen und einer unerschütterlichen Gelassenheit: “Willst du verstehen, was Glück bedeutet, dann musst du es als Belohnung und nicht als Ziel sehen.”
Nicht die Rose an sich ist wertvoll. “Es ist die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, die deine Rose so besonders macht.”
Selbst die ausgewählten Zitate verraten, warum “Le Petite Prince” zum Weltbestseller wurde und in Frankreich als die Nr. 2 gleich nach der Bibel gilt. Er erinnert seine Leser daran, was eigentlich das Leben erst wichtig macht – und die Liebe sowieso. Nicht zu verwechseln mit dem, was heutzutage so oft als diese gepriesen wird. Und keiner hat deutlicher gesagt, wie man sie findet: “Die Augen sind blind. Man muss mit dem Herzen suchen.”
Und so legt dieser kleine Bursche (von dem natürlich die meisten Zitate in diesem Büchlein stammen), auch den ach so ängstlichen Zeitgenossen ans Herz, wie das eigentlich ist mit der Zukunft, vor der sie sich so gewaltig fürchten: “Zukunft kannst du nicht voraussehen, aber du kannst sie möglich machen.”
Und gleich darauf gibt es den Spruch, den sich die Alten allesamt hinter die Ohren schreiben dürfen: “Wir erben die Erde nicht von unseren Eltern, wir leihen sie uns von unseren Kindern.” Zu finden im Fliegerbuch “Wind, Sand und Sterne”. Der französische Titel: “Terre des hommes”. Und so stolpert man über ein Fundstück nach dem anderen, bleibt stehen und kommt ins Grübeln. Und dabei weiß man ja seit der ersten Lektüre des “Kleinen Prinzen” schon, dass er einfach Recht hat und dass uns gar nichts anderes bleibt, als wieder mit dem Herzen sehen zu lernen. Das, was wirklich wichtig ist im Leben, gibt es nämlich nicht zu kaufen. Nirgendwo. “Aber da es keine Händler gibt, bei denen man Freude kaufen kann, haben die Menschen keine Freude mehr.”
Das galt im eisigen Jahr 1942. Und das gilt heute immer noch.
Sabine Bastian Nur mit dem Herzen …, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2015, 5 Euro.
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