Die L-IZ-Leser(innen) kennen Constanze Derham schon. 2012 hat sie im Buchverlag für die Frau das Ratgeberbuch "ABC der Handarbeiten: Nähen" herausgebracht. Wer überleben will, lernt Handarbeiten. Das klingt zwar etwas seltsam in Zeiten, wo man nun wirklich fast alles fix und fertig im Laden kaufen kann. Aber das tut weder der Umwelt gut noch dem Geldbeutel.
Und wer in Deutschland oder gar dem östlichen Teil davon mit einem der üblichen Einkommen über die Runden kommen muss, der wird schnell kreativ. Der schmeißt nicht einfach weg, wenn die Saison abgelaufen ist. Auch nicht, wenn mal eine Naht aufreißt, ein Knopf verloren geht oder der Stoff sich aufribbelt. Dafür ist das Material – auch wenn’s im Shop superbillig verscherbelt wird – zu wertvoll. Und oft genug hängen auch Erinnerungen dran, fällt die Trennung schwer. Und warum soll die Jeans eigentlich in den Kleidercontainer, wenn man noch Decken, Beutel und Laptop-Taschen draus machen kann? Die Nähmaschine steht ja eh da. Und vernünftige Hausfrauen und -männer haben das nötige Werkzeug in der Kiste: Garn und Bänder, Stoffschere, Maßband, Druckknöpfe.
Und im Schrank stapeln sich die Klamotten, die man eigentlich nicht wegschmeißen möchte – die alten Lieblingshemden mit den durchscheuerten Kragen, die geliebten T-Shirts mit dem Aufdruck, der an vergangene Lieben, Feste und Konzerte erinnert, den herrlich wuscheligen Pullover, der aber ein Loch hat, die Jeans mit den aufgescheuerten Stellen, die Hemden …
Hatten wir die Hemden nicht schon? Gibst du sie wohl wieder her!
Es ist gefährlich, mit Constanze Derham in einem Haushalt zu leben, da ist nichts sicher. Und Männerhemden liebt sie augenscheinlich noch mehr als Jeans. Und wenn Mann nicht aufpasst, ist sein Hemdenschrank leer geräumt. Und dann darf er drei Mal raten, wer die Hemden nun trägt: die Näherin oder die Kinder. Denn die Dinger verführen augenscheinlich zur Verwandlung, werden im Handumdrehen zum Rock, zur Schürze, zum Mädchenkleid oder zur Schößchenbluse.
Um Einfälle ist Constanze Derham nicht verlegen. Und natürlich erklärt sie in diesem Buch, wie man es macht – vom Instrumentarium bis hin zur kleinen Stoffkunde. Denn wer kreativ arbeiten will, muss wissen, was die Kürzel auf den eingenähten Etiketten bedeuten, was moderne Chemie ist und was wertvolle Naturfaser. Sie erklärt das richtige Auftrennen alter Kleidungsstücke und die möglichen Probleme beim Färben – wenn man denn das neue Kleidungsstück färben will. Und sie gibt die notwendigen Tipps für die ganz simplen Dinge mit, die man wissen sollte, wenn man ein geliebtes Kleidungsstück retten will – vom Stopfen übers Flicken bis hin zum Filzen (der geliebte Pullover ist tatsächlich zu retten, wenn man weiß, wie es geht). Aber sie gibt auch Tipps, wie man Flecken einfach verschwinden lässt – unter poppigen Aufnähern zum Beispiel.
Und dann geht es recht flott ans wirkliche Umbauen, Verwandeln und Neuerfinden. Sie zeigt, wie sich Jeans in Röcke verwandeln, in Beutel und pfiffige Umhängetaschen. Und wie sich Papas Hemd flugs in einen echten Malerkittel für das Kind verwandelt. Oder einen karierten Kissenbezug. Wer also dieser Tage im Laden Männer sieht, wie sie Berge von Hemden hamstern, der weiß, dass ihre bessere Hälfte entweder Constanze heißt oder dieses Buch in die Hand bekommen hat. Dasselbe gilt für T-Shirts. Und es fällt schon auf, dass sich T-Shirts in alles Mögliche verwandeln können – in Röcke und Schals und Pumphosen für Kinder. Aber umgekehrt? Was zieht eigentlich der große Hemden- und T-Shirt-Stifter an, wenn sich die weibliche Mannschaft an seinen geliebten Anziehsachen ausgetobt hat?
Das Rätsel wird in diesem Buch nicht gelöst. Am Ende weiß man aber ziemlich sicher, dass man verschwundene Hemden, T-Shirts und Pullover nicht unbedingt im Wäschekorb wiederfindet, sondern in völlig neuen Inkarnationen als Flicken, Handy-Täschchen, Stulpen, Kissen- oder Wärmflaschenbezug. Es wird gemütlicher in der Wohnung, keine Frage. Und die Mädchen haben auf einmal richtig bequeme neue Klamotten. Nur im Herrenschrank herrscht erstaunliche Leere.
Aber andererseits: Vielleicht gibt’s ja auch mal ein kreatives Nähprojekt, bei dem ein paar tolle Sachen für Männer herauskommen: bequeme Handwerkerhosen mit riesigen Taschen fürs Werkzeug oder echte Heimwerkerhemden mit Klettverschlüssen für Taschenlampe, Dietriche und Stromprüfer? Muss man vielleicht mal nur auf einen Wunschzettel schreiben und den Zettel ganz zufällig irgendwo liegenlassen …
Constanze Derham Neues Leben für alte Kleider …, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2015, 12,95 Euro.
Keine Kommentare bisher