Wenn das so weitergeht, wird es in diesem Jahr in der Adventszeit wirklich mal etwas ruhiger in Leipzig. Dann vergnügen sich die Kinder lieber mit Sid und Pinkel im Bauwagen, Katzenliebhaber beschäftigen sich lieber mit den netten Raubtieren und Frauen - Frauen könnte man des Öfteren einfach mit einem Lächeln aus der Wohnung schweben sehen. Nicht zum Shoppen, sondern zum Stilletanken.

Oder Sterne gucken, nette Menschen besuchen, Loslassen, zur Besinnung kommen. Und das Gefühl ist beim Blättern durch diesen ganz speziellen Frauen-Adventskalender die ganze Zeit da: Augenscheinlich ist unsere Gegenwart tatsächlich völlig überdreht, völlig aus der Spur, viel zu hektisch und von Zeitdruck getrieben, voller Stress und auch viel zu laut. Nicht nur so laut, dass man oft sein eigenes Wort nicht versteht, sondern so laut, dass man die eigenen Gedanken nicht mehr hört, keinen Ort und keinen Punkt hat, an dem man tatsächlich einmal mit sich allein ist.

Natürlich haben wir es hier mit vier durch und durch religiösen Autorinnen zu tun – aus beiden großen Kirchen, aus verschiedenen Orden. Und man staunt: Sie erzählen nicht nur von völlig unterschiedlichen Sichtweisen auf Glauben, Einkehr, Gott und Gottvertrauen – ihre kleinen Texte beharken sich nicht, sondern ergeben einen stillen, fast harmonischen Fluss. Mitten durch die magische Winterlandschaft, die in der (Vor-)Weihnachtszeit eher selten ist in unseren Breiten.

Aber natürlich ist der alle Geräusche dämpfende Schnee auch immer ein Symbol. Genauso wie die Geschichte von der Weihnachtsgeburt, die im Kern auch die gestresstesten Menschen wieder daran erinnert, dass es im Leben immer nur um das Menschliche geht – Nächstenliebe, Vertrauen, Geselligkeit, Freundschaft, Nähe. Und natürlich: um Kinder und ihre einfachen, so natürlichen Bedürfnisse.

Da die vier Autorinnen aber das Thema Stille als Leitmotiv gewählt haben (wahrscheinlich ganz zufällig, aber mit logischer Konsequenz), gibt es natürlich keine Diskussion der lauten, konsumbesoffenen Welt da draußen. Denn wenn man das anfinge, dann wäre der ganze Lärm ja wieder im Buch. Dabei ist das ganze Kalenderbuch so angelegt, dass es die Frauen, die es am 1. Dezember beginnen zu lesen, mitnimmt in die Welt der Besinnung, der Selbstvergewisserung und des Sortierens: Was ist wirklich wichtig? Was sind wirklich unsere Wünsche? Worum geht es tatsächlich?

Und – für viele Menschen (und nicht nur Frauen) – eine fast unlösbare Aufgabe: Wie schaffen wir es, die mit aller Macht behauptete Kontrolle aufzugeben, nicht mehr alles erzwingen, machen und pressieren zu wollen?

Da und dort erzählen die Autorinnen eine Geschichte dazu. Mal geht es um Kinderwünsche, mal um die Fähigkeit, sich einfach für Andere einzubringen, mal auch einfach um das große Abenteuer, das die meisten unserer Zeitgenossen immer irgendwo anders suchen, auf Adventure-Reisen oder beim Extremsport. Das Extremste in dieser Art ist in diesem Buch ein Skiausflug in die verschneiten Berge, der in einem Seitental in unerhörter Stille endet. Für die Autorin der unglaubliche Moment, in dem sie Gott zu hören meint. Für andere wird es – das wird in anderen dieser kleinen, zuweilen poetischen Texte thematisiert – zu einer Begegnung mit sich selbst (eigentlich das größte aller Abenteuer, vor dem eine Menge Zeitgenossen geradezu panisch davonlaufen) oder mit der eigenen Kraft. Auch das vergisst man so schnell im Rasen des Alltags und im Gerenne des Jahres, immerfort von fremden Erwartungen, Ansprüchen, Forderungen getrieben (da kann ja jeder seine eigene Liste machen, wie viele Nervtöter und Lebensfresser immerfort unterwegs sind und ständig Aufmerksamkeit, Unterordnung, Folgsamkeit oder schlicht Geld wollen), dass man dabei seine Kraft verliert, nur noch zum müden Dulder wird, wo man eigentlich Schöpfer seines eigenen Lebens sein könnte.

Logisch: An dieser Stelle auch die männliche Form. Denn das, was hier als 24 kleine ratgebende Geschichten und Gedichte für Frauen erscheint, gilt genauso für Männer, von denen die meisten noch viel stärker fremdbestimmt sind, als sie es sich jemals eingestehen würden, getrieben von Karrieren, Leistungszielen oder schlicht männlichen “Idealen”. Vielleicht lesen sie dann heimlich in diesem Adventskalender, gießen sich einen Tee auf und schmunzeln sich eins. Oder schreiben ihre eigene Wunschliste, wenn sie erfahren haben, dass Wünsche ruhig vom Herzen kommen dürfen und in der Regel – frei nach Charles Dickens – völlig unvernünftig sein können und es in der Regel auch sind.

Genauso wie der uralte Wunsch nach Friede auf Erden.

Die stille Einsicht dabei: Man kann sich zwar engagieren, den Frieden in der Welt möglicher zu machen. Aber tatsächlich fängt auch diese Sache bei uns selbst an: Wenn wir nicht einmal mit uns selbst und den uns Nächsten im Frieden leben können, dann hilft auch die große Aktion gegen die Kriege der Welt nichts. Und wie endet das Buch? – So, wie es begonnen hat: mit Stille. Rausgehen in der stillen Nacht und den wunderbaren Sternenhimmel betrachten (in der Hoffnung, er ist zu sehen) und wieder mit allen Sinnen staunen “über die Herrlichkeit des Himmels, über die Schönheit des eigenen Lebens” (das übrigens ein Geschenk ist, ein riesengroßes noch dazu, das man annehmen kann, wenn man sich traut …).

Christa Spilling-Nöker, Lissy Eichart UAC, Nora Steen, Sr. Jordana Schmidt OP Geschenkte Hoffnung, St. Benno Verlag, Leipzig 2015, 7,95 Euro.

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