Mit „Der Name des Windes“ und „Die Furcht des Weisen“ traf Patrick Rothfuss den Nerv von 4 Millionen Lesern weltweit. Über den Stand der Fortsetzung und seine Art zu schreiben sprach er am Rande der Buchmesse. Dabei wurden so einige Mysterien enträtselt, die sein neuestes Buch „Die Musik der Stille“ betreffen. Keine Geschichte im klassischen Sinn, mehr eine Art dramaturgischer Charakterstudie.
Auri ist eine sehr mysteriöse Figur, war es auch Ihre Motivation, dieses Mysterium ein wenig aufzuklären?
Das trifft den Nagel auf den Kopf. Sie ist sehr mysteriös, das Unterding (Anm. d. Red.: Katakomben unter der Universität von Imre) ist sehr geheimnisvoll, ich war einfach auch selbst neugierig, was mir zu beiden noch einfallen würde. Das Problem ist, zu viel über Auri zu erzählen, hieße sie als Figur zu ruinieren, weil die Geheimnisse gelüftet würden. Es war also ein schmaler Grat wie viel ich sie ausgestalten kann.
Sie beschreiben selbst, dass Sie die Erzählung immer wieder überarbeitet haben. War ein Grund dafür, dass zu viele Geheimnisse erzählt wurden?
Es war eher andersherum. Ich habe sehr reserviert angefangen und dann gedacht, hier kann ich noch etwas einstreuen und hier dem Leser etwas mehr geben. Es war ein bisschen wie sich in einer Höhle vorzustellen, nur mit einer Kerze: Es gibt etwas Licht, aber das reicht noch nicht einmal, um einen sehen zu lassen, ob es lohnt, den Rest zu erkunden. Leuchtet man aber alles aus, ist der Spaß auch weg, denn es gibt nichts mehr zu erkunden. Hm, so sehe ich das zum ersten Mal, das Bild kann ich sicher noch mal brauchen.
Sind Mysterien für Sie die Triebkraft ihrer Werke? Auch in den anderen Büchern bleibt schließlich viel verborgen.
Es gibt eben Autoren, die erzählen ihren Lesern alles. Für mich funktioniert das nicht, ich finde es interessanter, den Leser ein paar Lücken füllen zu lassen. Ich lasse lieber euch allen den Platz, die Geschichte mit euren eigenen Gedanken und Gefühlen auszugestalten. Wenn schon alles klar ist, wo bleibt der Reiz, noch einmal über die Geschichte nachzudenken?
Es gibt sicher Leute, die sagen, Auri sei verrückt und das ist nachvollziehbar. Andere werden sagen, sie ist natürlich und versteht die Welt tiefer als wir alle. Heute hat mir jemand gesagt, für ihn habe Auri etwas Heiliges, weil sie sehr spirituell handle. Hätte ich alles sehr klar ausgeführt, gäbe es diese verschiedenen nachvollziehbaren Deutungen nicht, das fände ich schade. Klar das kann auch zu weit gehen. Würde mir jemand sagen, Auri ist eine Schildkröte, sage ich: Nein, da liegst du falsch. Aber die Leser verschiedene Erfahrungen mit meinen Büchern machen zu lassen, ist ein Ansporn für mich.
Zeit, ein Mysterium zu klären. Tunnel-Bob erhält einen Dank, weil es ohne ihn Auri nicht gäbe, aber wer ist Tunnel-Bob, falls das nicht zu persönlich ist?
Nein, nein, ich habe das auch schon mal erzählt. Zunächst ist er nicht das Vorbild für Auri, aber mein Vater kannte da einen Mann in Madison, Wisconsin. Da gibt es eine Universität und ein Krankenhaus mit jeweils vielen Versorgungstunneln. Nun strolchte Tunnel-Bob immer da unten rum und wurde immer wieder mal von der Polizei eingesammelt. Das wollte mein Vater nicht weiter, weil er total harmlos war. Also hat er ihm eine ehrenamtliche Stelle besorgt, für drei Stunden die Woche und während der Zeit durfte er in die Tunnel. Als mein Vater ihn fragte, was er da mache kam die Antwort: Die erste Stunde putze ich ein wenig, die zweite Stunde schaue ich mich um, die dritte Stunde gehört dann nur mir. Wir haben nie rausgekriegt, wie ernst er das meinte, aber ich habe mir die Universität in Imre vorgestellt und die Katakomben und mich dann gefragt, wie kann eine solche Liebe zu Tunneln aussehen? Wie könnte eine Person ticken, die es so liebt, in den Tunneln zu leben? Da hat mich die Geschichte von Tunnel-Bob voran gebracht.
Jetzt gibt es noch eine Frage zu klären, aber die werden Sie oft hören, daher lasse ich Sie raten. Übrigens ist es nicht: „Was habe ich in meiner Tasche?“
(lacht): Na wenn ich wüsste, wann die Fortsetzung zu den Königsmörder-Chroniken fertig ist, würde ich es mit Pauken und Trompeten verkünden. Ich würde es auf meinem Blog schreiben und alle wissen lassen. Ich habe seltsame Theorien gehört, ich würde es wegen des Geldes herauszögern. Aber so funktioniert das Schreiben nicht. Ein befreundeter Autor sagte mir, als ich ihm von meinen Schwierigkeiten mit „Die Furcht des Weisen“ erzählte: „Pat, ich habe in meinem Leben noch keine Deadline eingehalten. Wenn du ein Manuskript abgibst und es ist fürchterlich, wird es für immer fürchterlich bleiben. Wenn du es zu spät abgibst und es ist gut, bleibt es für immer gut.“ Ich würde den Leuten gern schneller geben, was sie möchten. Aber ich könnte es schnell tun, oder ich kann es gut machen und ich entscheide mich für gut. Es ist mehr als zehn Prozent fertig, aber weniger als 98 Prozent. Bei 98 Prozent lasse ich es gut sein, denn Perfektion geht einfach nicht.
Vielen Dank und viel Spaß bei den Lesungen.
Danke, den werde ich sicher haben. Ich weiß, ich habe jede Menge Leser in Deutschland und es freut mich, hier zu sein.
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