Seit dem 26. Februar ist im Museum der bildenden Künste die kleine Kabinettausstellung "Kleine Werke - Große Namen" zu sehen. Ein kleiner Blick in die Sammlung Maximilian Speck von Sternburg, die in den heiligen Hallen des Leipziger Bildermuseums ihre Obhut gefunden hat. Nur wird sie eher selten mal als Sammlung präsentiert. Die Zeichnungen noch viel seltener. Eine Gelegenheit.

Eine Gelegenheit nicht nur, um die kleine Kabinettausstellung zu besuchen, die im Museum der bildenden Künste bis zum 15. Mai gezeigt wird. Was sich lohnt, gerade dann, wenn man sich Zeit nimmt und die Gelassenheit, die Sammler wie Maximilian Speck (als er 1815 anfing zu sammeln, hieß er noch genau so) hatten, als sie ihre Sammlungen bei diversen Auktionen und auf Reisen Stück um Stück aufbauten. Mit einem hohen Ziel, das typisch war für die Goethe-Zeit: eine Gesamtschau der bis dahin wichtigen Kunstepochen zu erhalten mit den wichtigsten Künstlern dieser Epochen wenigstens mit ein, zwei Exemplaren im Bestand.

Das klappte nicht immer. In der Ausstellung ist es anschaulich zu sehen. Da sind die Bildbetitelungen aus dem Bestandskatalog der Sternburgschen Sammlungen genauso neben die Bilder geheftet wie die modernen, von Kunstwissenschaftlern vorgenommenen neuen Zuweisungen, die seit 1998 Grundlage der Forschung sind. Vieles, was Maximilian Speck von Sternburg noch als Original vom Meister betrachtete, weil der Stil so unverkennbar war und die Kunstwerke so auf den Auktionen auch angeboten wurden, entpuppte sich als Werk aus der Werkstatt oder gar nur dem Umkreis des Künstlers.

Das Spannende an so einer bürgerlichen Sammlung ist natürlich nicht nur die Art ihrer Entstehung. Dazu erzählt der Kurator der Ausstellung Marcus Andrew Hurttig so einiges in seinem Beitrag zu diesem Ausstellungskatalog, etliches, was auch sichtbar macht, dass es neben dem musikliebenden Leipziger Bürgertum, das sich rund um Chöre, Orchester und Akademien organisierte, auch ein kunstliebendes Bürgertum gab, das sich selbst wieder auf eigene Weise organisierte (z.B. im Leipziger Kunstverein) und genauso Interesse daran hatte, in die Stadtgesellschaft hinein zu wirken. Am Ende entstand daraus ja bekanntlich das Bildermuseum am Augustusplatz.

Vorher aber waren es die Kunstsammlungen der Bürger selbst, die für das Publikum geöffnet wurden. Eine der berühmtesten war die Wincklersche, aus der  – als sie versteigert wurde – einige Kunstwerke ihren Weg in die Specksche Sammlung fanden. Die ist mit 202 Gemälden, 127 Zeichnungen und 192 Druckgrafiken in der Stiftung Maximilian Speck von Sternburg eindrucksvoll erhalten.

Aber Hurttig kann auch eine Menge darüber erzählen, dass auch eine so sorgsam zusammengehaltene Sammlung ihr Schicksal hat. Wie etwa die durchaus unsichere Zeit des 20. Jahrhunderts, als die Sammlung 1945 praktisch in Eigeninitiative eines Museumsdirektors weitgehend gerettet wurde, dann aber staatlicherseits einfach mal enteignet wurde. Die Rettungsaktion werten Hans-Dieter Schmidt und Marcus Andrew Hurttig in ihren Beiträgen zum Katalog durchaus unterschiedlich. Und der Leser darf durchaus in die Rolle eines Direktors schlüpfen, den politische Entwicklungen oder das Eigentum der Sternburgs eher weniger interessierten als die Rettung eines wertvollen Kunstbestands an sich.

Denn Fakt ist auch, dass die Sammlung nur so relativ heil die Zeit bis zur Restitution 1996 überdauerte – und auch die Basis legte für die Stiftungsgründung 1998, mit der die Bilder den Leipzigern erhalten blieben. Von den Gemälden sind etliche in der Dauerausstellung zu sehen. Zeichnungen hingegen werden eher selten gezeigt – auch weil sie um Etliches lichtempfindlicher sind.

44 Zeichnungen kann man jetzt bewundern. Im Katalog sind noch ein paar mehr zu sehen – auch jene, die auf verschiedenen Wegen in anderen Museums-Sammlungen gelangt sind. Und sie zeigen nicht nur den Blick des Sammlers auf die ihm wichtigen Kunstepochen, sie zeigen auch den Geschmack der Zeit, der besonders in den Zeichnungen jener Künstler sichtbar wird, die mit der Oerserschen Kunstakademie in Verbindung standen. Es ist natürlich Goethe-Zeit – und damit auch der sichtbare Übergang von der Klassik (die ihr Kunstideal genauso wie die Renaissance in der Antike suchte und fand) zur Romantik. Ein Übergang, der fast fließend geschah, auch wenn just Goethe (der selbst oft genug ein schrecklicher Romantiker war) sich regelrecht ereifern konnte gegen die aufkommende Romantik.

Es sind meist die Dinge, die einem verdächtig gut vertraut sind, die einen besonders aufregen. Dabei hat man bei der Betrachtung vieler der im frühen 19. Jahrhundert entstandenen Landschaftsbilder Goethes “Wanderers Nachtlied” geradezu im Ohr. Die Romantik und selbst deren etwas spitzwegischer Ableger, das Biedermeier, hatte eine Menge mit der Klassik und ihrem Hang zur Verklärung der Vergangenheit zu tun.

Und dass Leute wie Maximilian Speck von Sternberg solche Bilder emsig sammelten und sich in die Wohnstuben und Geschäftsräume hängten, hat viel mit diesem klassischen Widerspruch zu tun. Hier wird die Beseelung und Verklärung “urwüchsiger” Landschaften sichtbar, all das, was heute Tausende Fotografen zum freudigen Ablichten von Felsen, Baumriesen, mondbeschienenen Seen, mäandernden Flüssen, azurblauen Bergeshöhen, urigen Dörfern, Windmühlen und was es der romantischen Schaustücke mehr gibt, bringt. Immer noch bringt. Nur dass die Zeichner, die in der Speckschen Sammlung vertreten sind, für solche naturgewaltigen Inszenierungen noch Stunden und Tage brauchten. Man sieht die Arbeit. Das ist echter Fleiß.

Und die Arbeiten, die Christian Heinrich Kniep auf Goethes Italienreise 1787 anfertigte (von denen Duplikate auch in die Specksche Sammlung kamen), erinnern daran, dass zwischen Goethe und den Nazarenern eigentlich nur zwei Generationen liegen. Hier verbindet sich der Bildungsanspruch des deutschen Bürgertums mit seiner ewigen Sehnsucht nach dem sonnigen Süden.

Den kunsthistorischen Teil hält Hurttig lieber kurz. Und auch die biografischen Angaben der in der Ausstellung vertretenen Künstler sind am Ende des Bandes sehr kurz gehalten. Es sollte ja auch eher eine Geburtstagsausstellung für Wolf Dietrich Speck von Sternburg werden und eine Würdigung des Sammlers Maximilian Speck von Sternburg. Man kann jetzt einen schönen Teil dieser Sammlung ein Weilchen lang besuchen. Und mit diesem Katalog auch mit nach Hause nehmen, zum Blätten in jenen müßigen Stunden, die man sich heutzutage geradezu herausschneiden muss aus der Dauerpräsenz der Welt. Aber so ähnlich wird es auch dem Sammlungsgründer gegangen sein, wenn er sich in seinem Kabinett die Muße genommen hat, seine Bilder zu betrachten.

“Kleine Werke – Große Namen. Zeichnungen aus der Sammlung Maximilian Speck von Sternburg”, Passage Verlag, Leipzig 2015, 9,80 Euro

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